Ratzeburg/Mölln. Gestern musste sich ein 25 Jahre alter Betreiber eines Schlüsseldienstes vor dem Amtsgericht Ratzeburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm gewerbsmäßigen Wucher in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Betrug vorgeworfen. Er hat im vergangenen Jahr eine ältere Dame mit geistiger Behinderung ausgenommen: 1200 Euro für das Tauschen eines Türschlosses. Das Gericht hat ihn zu einer Geldstrafe verurteilt.
Dass der Angeklagte eine Willensschwäche ausgenutzt hat, ist so nicht zu erkennen.“Martin Mrozek, Richter
Aus dem
Gerichtssaal
Die Verhandlung an diesem Freitagmorgen beginnt mit Verzögerung. Der Angeklagte aus Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) stehe im Stau, teilt er mit.
Damit sich andere Verhandlungen nicht verschieben, beschließt Richter Martin Mrozek, die Strafsache „dazwischen zu schieben“. Der Anwalt des Angeklagten – extra aus Nordrhein-Westfalen angereist – reagiert genervt. Das macht er auch seinem Klienten per Telefon klar. Schließlich reist er ab – keine Zeit zu warten. Can B. (alle Namen geändert) ist nun auf sich allein gestellt. Und einen Rüffel von Richter Mrozek gibt es obendrauf. Es ist 10.55 Uhr.
Für Simone T. aus Mölln muss es ein Schock gewesen sein. Als sie an einem Donnerstagnachmittag im April 2016 von der Arbeit kommt, bemerkt sie ihre aufgebrochene Tür. Bei ihr wurde eingebrochen. Die 60-Jährige hat eine geistige Behinderung. Weil sich die Tür nicht mehr schließen ließ und das Schloss zerstört war, rief ihre Nachbarin einen Schlüsseldienst. Gefunden hatte sie ihn im örtlichen Telefonbuch.
Can B. kam zur Hilfe. „Er hat mir erst einen soliden Preis genannt“ sagt T. vor Gericht aus. 200 bis 300 Euro sollte das Tauschen des Schließzylinders kosten. Daraus wurden erst 800 Euro, dann rund 1200 Euro – für das Bearbeiten und Anpassen eines Teils (75 Millimeter zu vier Euro pro mm), weitere Arbeitsstunden (15 Euro pro Viertelstunde), Anfahrt und eine Notöffnungspauschale von 199 Euro.
„Preise jenseits von Gut und Böse“, wird Amtsanwältin Yvonne Eckert später sagen. Der Angeklagte sieht das anders: Hohe Qualität und lebenslange Garantie. „Da muss man ganz anders kalkulieren“, so der Franchise-Nehmer, der seine Aufträge über eine Zentrale bekomme. Die gebe auch die Preise vor.
Nach der teuren Reparatur erstattete Simone T. Anzeige – auf Empfehlung der Nachbarin. T. dachte, der Preis sei normal.
Gewerblich ja, gewerbsmäßig nein: Mrozek sieht keinen Anlass, Can B. mehr als Betrug vorzuwerfen. Dass er die Behinderung der Geschädigten nicht bemerkt habe, könne er nachvollziehen. Eine Geldstrafe von 4000 Euro fordert die Anklage nach der Beweisaufnahme. „Das ist doch Quatsch“, empört sich G. Eckert hat zuvor gesagt, bei plötzlich steigenden Kosten schicke der Kunde den Handwerker ja nicht einfach weg.
Nach kurzer Verhandlung wird Can B. zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt. Er ist bereits mehrfach vorbestraft.
Philip Schülermann