Schock beim Drägerwerk kurz vor Weihnachten: Das Lübecker Medizin- und Sicherheitstechnik-Unternehmen kündigte an, im kommenden Jahr 200 von aktuell 5077 Stellen am Standort Lübeck abzubauen. Diesen Beschluss fasste gestern der Dräger-Vorstand. Ausgenommen von diesem Stellenabbau seien nur die Bereiche Produktion und Logistik, erklärte Dräger in einer Ad-hoc-Mitteilung an die Börse. Details werden demnach erst bei Vorlage der Geschäftszahlen am 9.März 2016 verkündet.
Standorte in 50 Ländern weltweit
14014 Mitarbeiter hatte das Unternehmen Ende September weltweit. 54,1 Prozent der Mitarbeiter arbeiten außerhalb Deutschlands. Eigene Vertriebs- und Servicegesellschaften hat Dräger in über 50 Ländern, produziert wird in acht Ländern.
5077 Beschäftigte hat Dräger aktuell am Hauptsitz in Lübeck, davon arbeiten rund 1200 in den Bereichen Produktion und Logistik. In den vergangenen Jahren ging die Zahl stetig nach oben. Im Jahr 2010 waren es noch 3976, zwei Jahre später dann 4666 Mitarbeiter.
„Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Die aktuellen Rahmenbedingungen und unsere Einschätzung zur Entwicklung der Weltwirtschaft in den nächsten Jahren erfordern jedoch entschlossenes Handeln, um das qualifizierte Überleben unseres Unternehmens zu sichern“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Stefan Dräger.
Man werden alle Belange sorgfältig abwägen und gemeinsam mit den Gremien und den Führungskräften die notwendigen Entscheidungen treffen. „In der Tradition unserer Unternehmenskultur streben wir eine sozial verträgliche Lösung an“, so Stefan Dräger.
Dazu will der Dräger-Vorstand jetzt Gespräche mit dem Betriebsrat und der IG Metall aufnehmen. Der Stellenabbau solle so sozialverträglich wie möglich organisiert werden. „Ein möglichst großer Teil dieser Stellen soll über natürliche Fluktuation abgedeckt werden“, sagte Sprecherin Melanie Kamann. Dräger hat mit großen Absatz-Problemen zu kämpfen. Besonders in den Schwellenländern China und Brasilien entwickelt sich das Geschäft schlechter als erhofft. Bereits zweimal in diesem Jahr musste Dräger eine Gewinnwarnung herausgeben und Wachstumsziele nach unten korrigieren.
Arbeitnehmervertreter kritisierten die Pläne scharf. „Wir brauchen Strukturveränderungen und eine neue Führungskultur statt pauschalen Personalabbau“, sagte Daniel Friedrich, Chef der IG Metall Lübeck-Wismar. Man dürfe Probleme nicht negieren, aber auch nicht mit falschen Maßnahmen beantworten. „Personalabbau löst keine Probleme, sondern verschärft vorhandene“, kritisierte Siegfrid Kasang, der Lübecker Betriebsratsvorsitzende. Man habe sich in der Produktion auf einen Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen geeinigt. „Daran werden wir den Vorstand messen“, erklärten Friedrich und Kasang, die als Arbeitnehmervertreter auch im Dräger-Aufsichtsrat sitzen.
Lübeck Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) nannte es „bedauerlich“, dass das Unternehmen zum Mittel des Stellenabbaus greifen müsse. „In Anbetracht der engen Verbundenheit Drägers mit der Stadt bin ich aber sicher, dass diese Entscheidung in großer Verantwortung gegenüber der Belegschaft und gegenüber Lübeck getroffen wurde. Ich hoffe sehr, dass das Unternehmen bald wieder zum einem Kurs des Zuwachses zurückkehren kann“, so Saxe.
Christian Risch