Bei dem Feuer in einem Asylbewerberheim starben 1996 sieben Kinder und Jugendliche sowie drei Erwachsene, 38 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Das Haus ist längst abgerissen, ein Gedenkstein erinnert an die Opfer.
„Den Opfern der Brandkatastrophe sind wir es schuldig, unsere Anteilnahme an ihrem Leid zu zeigen“, rufen Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer und Bürgermeister Bernd Saxe (beide SPD) die Lübecker zur Teilnahme an der Gedenkfeier auf. Bürgerrechtsorganisationen wie der Humanistischen Union Lübeck reicht das nicht. „Wir fordern eine Wiederaufnahme der Ermittlungen“, erklärte Helga Lenz von der Humanistischen Union bei der Eröffnung einer Ausstellung zu rechter Gewalt in der Hanse-Schule. „Und diese Ermittlungen soll ein Untersuchungsausschuss des Landtages vornehmen oder eine andere Staatsanwaltschaft als die Lübecker.“ Denn die konnte die Brandkatastrophe nie aufklären, bis heute ist niemand für die Tat verurteilt.
„Das ist ein Unding sondergleichen“, sagte der frühere Lübecker Bürgermeister Michael Bouteiller bei der Ausstellungseröffnung. Seit Jahren fordert der Ex-Verwaltungschef, der die Hansestadt von 1988 bis 2000 regierte, die Wiederaufnahme von Ermittlungen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung sollte sich ein Beispiel am Innenminister von Mecklenburg- Vorpommern nehmen, der neue ungeklärte Straftaten an das Bundeskriminalamt meldete (die LN berichteten). Das Argument der Staatsanwaltschaften, dass es zum Hafenstraßen-Brand überhaupt keine neuen Erkenntnisse gebe, lässt Bouteiller nicht gelten. „Es geht nicht um neue Erkenntnisse, sondern um eine andere Bewertung der vorhandenen Erkenntnisse“, sagt der Ex-Bürgermeister. Den Lübecker Fall in einen Zusammenhang mit den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zu bringen — so weit geht Bouteiller aber nicht.
Land und Staatsanwaltschaft lehnten die Wiederaufnahme von Ermittlungen stets ab. Gestern erklärte ein Sprecher der Kieler Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW): „Falls es neue Hinweise oder Erkenntnisse zum Brandanschlag in der Hafenstraße geben sollte, wird die zuständige Staatsanwaltschaft selbstständig darüber entscheiden, ob solche Tatsachen für die Aufnahme neuer Ermittlungen hinreichend sind oder nicht.“ Und ein Sprecher des Kieler Innenministers Andreas Breitner (SPD) sagte auf Anfrage, dass das Landeskriminalamt bereits untersucht habe, ob Straftaten womöglich auf das Konto der NSU gehen könnten. Der Sprecher: „Ohne Ergebnis.“ Der Hafenstraßen-Brand blieb allerdings außen vor, weil Straftaten ab dem Jahr 2000 geprüft wurden, als die NSU-Morde begannen.
Bouteiller warf den Behörden klägliches Versagen und eine „Mittäterschaft durch Unterlassen“ vor. Seit 20 Jahren würden Rechtsradikale jeden Monat zwei Morde in Deutschland begehen. Die Ausstellung in der Hanse-Schule zeige, dass Menschen erschlagen, erstochen, zerstückelt und in den Selbstmord getrieben wurden. Die Ausstellung „Opfer rechter Gewalt“ wurde von der Humanistischen Union, dem Bündnis Klopf-Klopf und dem Politiklehrer Klaus Senkbeil von der Hanse-Schule organisiert. Schulleiter Hermann Wolter ist stolz darauf, dass „wir die Ausstellung hier zeigen können, ohne befürchten zu müssen, dass sie verunstaltet wird“. Rechte Gesinnung sei ihm bei den 2500 Schülern bislang nicht aufgefallen.
Kai Dordowsky