Ostholstein. Regen, Dunkelheit, Plusgrade: Ideale Bedingungen für Frösche, Kröten und Molche. Die Amphibien beginnen zu wandern. Ihre biologische Uhr tickt. Sie wollen sich fortpflanzen. Doch bevor es dazu kommt, werden einige von ihnen kartiert. Dr. Manfred Haacks und sechs Kollegen sind Mittwochnacht unterwegs.
100 Kilometer fahren und gehen sie ab. Jede Fundstelle wird im GPS-Gerät markiert. Anschließend notiert der Biologe des Leguan Planungsbüros für Umweltschutz, Artenschutz und Naturschutz GmbH das Geschlecht und die Richtung, in der das Tier unterwegs ist. So erfasst er die Wanderrouten.
Weitere Untersuchungen
Die Wanderung der Amphibien ist nur ein Bestandteil der Umweltkartierung. In diesem Jahr sollen auch archäologische Untersuchungen stattfinden, unter anderem im Oldenburger Bruch.
Darüber hinaus geht es in den Sund. Fisch- und Pflanzenarten sollen erfasst werden. Taucher sollen an mehr als 300 Unterwasserstationen diverse Daten sammeln. Videogestützte Kartierungen sind geplant.
Die Untersuchungen von Fauna und Flora kosten Millionen und erstrecken sich über einen Zeitraum von zwei Jahren. Sie sind gesetzlich vorgeschrieben und fester Bestandteil der Entwurfs- und Genehmigungsplanung im Zuge des Baus der Schienen-Hinterlandanbindung der Beltquerung. Die Analyse der Amphibienrouten ist ein Bestandteil der Umweltverträglichkeitsstudie. Die Erkenntnisse der Leguan GmbH dürften Auswirkungen darauf haben, wo die Bahn später ihre Baustraßen errichten wird.
Die Vorbereitungen der Amphibienzählung liefen bereits im vergangenen Jahr an (die LN berichteten). „Wir haben uns mit über 1400 Gewässern beschäftigt und wissen, wo die Laich-Habitate sind“, erläutert Haacks. Nun gehe es darum zu erfahren, wie die Tiere von ihren Winterquartieren dorthin gelangen.
„Sie sind in der Landschaft verstreut, haben Quartiere in Gehölzen und Kleingärten.“ Hinzu komme, dass Erdkröten bis zu zwei Kilometer zurücklegen, Molche aber nur wenige Hundert Meter.
Seit dem 5. März sind die Biologen nachts zwischen Puttgarden und Lübeck unterwegs. Stimmen die Wetterbedingungen, wandern die Amphibien. Kältewellen führen zu Pausen. 118 Wegstrecken, verteilt auf sechs große Abschnitte, müssen abgesucht werden. Einige Gebiete können nur zu Fuß und mit Hilfe eines Handscheinwerfers abgegangen werden. „Wir wollen die komplette Wanderung aufnehmen“, so Dr.
Haacks.
„Moorfrosch, Kammmolch, Kreuzkröte und Laubfrosch sind streng geschützt. Aber auch die Erdkröte, die am weitesten verbreitet ist, muss beachtet werden“, betont der Hamburger Biologe. Sobald ein jeweils individuell festzulegender Schwellwert erreicht sei, müssten Maßnahmen ergriffen werden, die die Amphibien schützen.
Dies geschehe in enger Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden des Kreises „Da noch nicht feststeht, wo genau die Baustraßen verlaufen sollen, kann die Bahn bestimmten Wanderrouten auch ausweichen“, so Haacks. Wenn dies nicht möglich ist, könnten Amphibienzäune aufgestellt werden.
Auch den Bau von speziellen Brücken und Tunneln will der Fachmann nicht ausschließen. Ebenfalls sei es denkbar, dass einige dieser Bauwerke dauerhaft errichtet werden müssten. Wozu es laut Bahnsprecherin Maja Weihgold allerdings nicht kommen werde, sei eine Verschiebung der geplanten Trasse — denn die stehe fest.
Bevor diese jedoch gebaut wird, muss Dr. Manfred Haacks noch etliche Nächte draußen verbringen. Außerdem stehen noch weitere Untersuchungen aus (siehe Kasten).
Von Sebastian Rosenkötter