Oldenburg. Nach einem kontinuierlichen Anstieg in den Vorjahren ist die Nachfrage bei der Suchtberatung im Nordkreis in den Jahren 2014 und 2015 jetzt stabil geblieben.
„Behandlung von Sucht braucht manch- mal einfach Zeit.“ Petra Flick, ATS
Dieser Erfolg ist dem gemeinsamen Tätigkeitsbericht der Ambulanten und Teilstationären Suchthilfe (ATS) mit ihren Beratungsstellen in Burg, Heiligenhafen und Oldenburg sowie des Kirchenkreises Ostholstein mit seiner Beratungsstelle in Neustadt zu entnehmen.
Demnach nahmen im Vorjahr 718 Personen das Beratungsangebot in Anspruch. Mit deutlichem Abstand, nämlich bei über 70 Prozent der Fälle, standen Probleme mit Alkohol im Vordergrund. Auf Platz zwei folgen illegale Drogen mit 22 Prozent der Fälle. Lediglich acht Personen nahmen bei Medikamentenabhängigkeit eine Beratung in Anspruch. Aus Sicht von Dr. Hans-Jürgen Tecklenburg, Gesamtleiter der ATS, vermittelt dieses Bild jedoch eine Schieflage: „Bundesweit ist der Anteil von Medikamentenabhängigen und Alkoholkranken annähernd gleich.“ Die Abweichung zu den Beratungszahlen führt Tecklenburg auf ein fehlendes Problembewusstsein bei den Betroffenen wie auch bei den behandelnden Ärzten zurück.
Über 50 Prozent der Hilfesuchenden sind erwerbslos. „Das zeigt uns, dass Suchtmittelabhängigkeit nicht das alleinige Problem darstellt“, so Annika Süphke, Leiterin für den ATS-Bereich Ostholstein.
Fehlendes Selbstwertgefühl, Depressionen oder fehlende Freizeitaktivitäten könnten eine Suchtmittelerkrankung zur Folge haben.
Einen Anstieg verzeichnet die Suchtberatung beim Cannabis-Konsum von jungen Menschen. Aufgrund der finanziellen Beteiligung der Kommunen bei der Suchthilfe im Nordkreis hätten im Präventionsbereich jedoch deutlich mehr Kinder und Jugendliche erreicht werden können.
Vielfältig gestaltet sich das Hilfsangebot der ATS im Nordkreis. Es erstreckt sich von der Suchtberatung über stationäre und ambulante Betreuung, niederschwellige Gesprächsangebote in Oldenburg und Burg bis hin zur Präventionsarbeit an Schulen.
Bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichtes stellte die ATS-Leitung Maßnahmen zur Integrationshilfe in den Mittelpunkt. Zu ihnen zählt die teilstationäre Einrichtung „Sprungbrett“ auf Fehmarn und eine sozialtherapeutische Wohngemeinschaft für Menschen mit Mehrfachdiagnosen in Oldenburg. Es brauche manchmal einfach Zeit, ein Vertrauensverhältnis zu den Suchtkranken aufzubauen, berichtet Petra Flick von der ATS Oldenburg. Das bestätigt auch das Beispiel von Lisa S. (Name geändert), die die ATS zu dem Pressegespräch eingeladen hatte. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hatte die 72-Jährige immer wieder Hilfsangebote der ATS in Anspruch genommen – war jedoch immer wieder rückfällig geworden. Im vergangenen Jahr habe ihr Gesundheitszustand ihr deutlich gemacht, dass es so nicht weitergehen könne. Sie zog in eine betreute Einrichtung. Lisa S.: „Ich wollte einfach noch etwas länger leben.“ Seit einem Jahr sei sie jetzt „trocken“.
Thomas Klatt