Trappenkamp. Reinhard Bronsart kann sich genau erinnern, wie er in Trappenkamp ankam 1953, damals noch ein Ortsteil von Bornhöved. „Es war ein Schock für uns“, erinnert sich der heute 72-Jährige. Nach dem Krieg war die Familie zunächst im Alten Land untergekommen. „Das waren alles gepflegte Höfe.“ Und dann Trappenkamp: Trostloses Land statt Obstplantagen erwartete die Familie. Vereinzelte Flachbunker — Überbleibsel des alten Marinesperrwaffenarsenals — in denen sich hauptsächlich Flüchtlinge aus den Ostgebieten, insbesondere aus dem Sudetenland, eine neue Existenz aufzubauen versuchten. Dieses Jahr feiert Trappenkamp den 60. Geburtstag als eigenständige Gemeinde. Vier Zeitzeugen berichten.
„Trappenkamp war eine Wüste“, sagt Ernst Schöffel. Eine abgeholzte Fläche im Wald. Statt Straßen gab es Schneisen. Der ehemalige Bürgervorsteher der Gemeinde kam 1950 in den Ort. „Wegen der Gablonzer Glasindustrie.“ Jobs und billiges Bauland lockten. Auch die Eltern von Dirk Hannich-Daniels. „Es hieß: In Trappenkamp entsteht was.“ Die Flüchtlinge hatten ihr Handwerk mitgebracht, siedelten kleine Glas- und Schmuckbetriebe in den Munitionsbunkern an. Seit 1948 gab es eine Glashütte mit 400 Arbeitern. Ohne die Flüchtlinge gäbe es heute wohl kein Trappenkamp. „Die Sprengung der Bunker war bereits vorgesehen“, so Bronsart. Doch dann wurden sie als Wohnraum gebraucht. „Schleswig-Holstein hatte damals mehr Flüchtlinge als Einwohner“, wirft Renate Liesenfeld, Leiterin des Museumsbunkers, ein. Wer aber einen der 142 Bunker beziehen wollte, brauchte eine Genehmigung — und musste produzieren.
Mit der zunehmenden Industrialisierung stiegen die Spannungen mit der Muttergemeinde Bornhöved. Jahrelang wurde im Gemeinderat debattiert, bis im August 1954 der „Dringlichkeitsantrag auf Selbständigmachung Trappenkamps“ gestellt und am 18.
Oktober 1955 von Bornhöveder Seite zugestimmt wurde: Zum 1. April 1956 durfte die „Industriesiedlung Trappenkamp“ zur selbständigen Gemeinde erklärt werden. Fast 800 Menschen waren damals im Ort registriert. Noch im gleichen Jahr begann das erste größere Bauvorhaben: die Papageiensiedlung mit 42 Wohnungen am Sudetenplatz. Der Auftakt zu einem Bauboom, den ein vom Bund gefördertes Demonstrativbauprogramm einleitete mit 800 Wohnungen. „Schicke Wohnungen mit Zentralheizung“, erinnert sich Schöffel. Und Liesenfeld, die 1963/64 mit ihrem Mann aus Essen zugezogen war, weiß noch:
„Ich wollte unbedingt ins Hochhaus.“ Am Marktplatz. „Mein Mann hielt mich für verrückt.“
Auf fast 3700 Einwohner war der Ort inzwischen gewachsen. Die Glasindustrie hatte an Bedeutung verloren, aber große Firmen hatten sich angesiedelt. Baufirmen, Getränke Ducke, die Telo-Antennenfabrik.
Überall entstanden Geschäfte, Schulen, ein zweites Hochhaus.
Fast 6000 Einwohner zählte Trappenkamp in den 90ern, doch der Strukturwandel hatte längst eingesetzt, viele große Firmen hatten inzwischen dicht gemacht, die Einwohnerzahl sank. „Wir hatten viele Sozialfälle“, so Hannich-Daniels. Lange haftete dem Ort der Ruf eines „Brennpunkts“ an. Seit dem Abriss des Hochhauses in der Gablonzer Straße 2003 sei es besser geworden. Inzwischen verkauft sich Trappenkamp erfolgreich als Familiengemeinde. Und es wird wieder gebaut.
Nadine Materne