Bad Segeberg. 300 Beamte, darunter das Spezialeinsatzkommando (SEK),
verschafften sich in Dunkelheit und bei klirrender Kälte Zutritt zu
sieben Wohnungen und der Kneipe „Sansibar“, dem Rockertreff im
Rotlichtmilieu am Hafen. Der Auftrag der Sicherheitskräfte: Den 25
Rockern das von Innenminister Klaus Schlie (CDU) „mit sofortiger
Wirkung“ erlassene Verbot des Vereins förmlich zuzustellen und das
Vereinsvermögen zu beschlagnahmen.
Der 1994 gegründete Verein verfolge das Ziel, Gebiets- und
Machtansprüche auf dem kriminellen Sektor gegenüber verfeindeten
Rocker-Organisationen wie den „Bandidos“ und den „Mongols“
durchzusetzen, begründete Schlie das bereits am 18. Januar verfügte,
aber bis Dienstag nicht bekannte Verbot. Auf das Konto des Vereins
gingen Gewalttaten, unerlaubter Waffenbesitz, Straftaten im
Zusammenhang mit der Prostitution und dem Betäubungsmittelgesetz. Das
Verbot sei „ein konsequentes Mittel, um die organisierte Kriminalität
zu beseitigen“, sagte Schlie. Der Rechtsstaat dulde keine kriminellen
Parallelgesellschaften.
Die „Hells Angels“ in Flensburg und die „Bandidos“ in Neumünster
sind bereits seit April 2010 verboten. „Die Zeit für ein weiteres
Verbot war reif“, sagte Schlie. Anderthalb Jahre bereiteten die
Behörden es vor, wie eine Sprecher der Landespolizei mitteilte. Es
soll den Schlusspunkt setzen, nachdem in den vergangenen Jahren
blutige Fehden verfeindeter Rockergruppierungen in Schleswig-Holstein
immer wieder für Schlagzeilen sorgten.
Rückblende, Szenen eines Rockerkriegs: Im September 2009 verfolgte
der Chef der Flensburger Hells Angels wegen eines „Gebietsverstoßes“
mit seinem Auto eine Gruppe verfeindeter „Bandidos“ auf ihren
Motorrädern und drängte einen Rocker aus Neumünster von der Autobahn
A7. Der Mann erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Der damalige
„Bandidos“-Chef aus Neumünster schlug aus Rache einen „Hells Angel“
zusammen und verletzte ihn mit einem Radmutterschlüssel und einem
Messer lebensgefährlich. Beide Gewalttäter erhielten Haftstrafen.
Der Ex-„Bandidos“-Chef wurde inzwischen auch wegen Menschenhandels
zur sexuellen Ausbeutung verurteilt. Jahrelang hatte er eine junge
Frau gegen deren Willen mit brutaler Gewalt zur Prostitution
gezwungen.
Im Juli 2011 schlugen Vermummte die Scheiben des damaligen
Rocker-Domizils der „Mongols“ im Kieler Problem-Stadtteil Gaarden
ein. Die als besonders gewaltbereit geltenden „Mongols“ hatten erst
einem Monat zuvor angekündigt, einen Ortsverband (Chapter) in Kiel zu
gründen. Die Befürchtung, es könnte in Kiel zu einem Rockerkrieg mit
den „Hells Angels“ als Platzhirschen im örtlichen Rotlichtmilieu
kommen, erfüllte sich nicht. Die Polizei zeigte viel Präsenz, die
Stadt verbot das Vereinsheim der Mongols. Es gebe keine auffälliges
Verhalten der Mongols in Kiel, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag.
Mit Sturmhauben geschützte Sicherheitskräfte sicherten am
Vormittag die „Sansibar“. Wütende „Hells Angels“ zeigten ihren Unmut
mit eindeutigen Gesten gegen Kameraleute und Fotografen. Aus der
Kneipe direkt am Eros-Center wurden in blauen Plastiksäcken
beschlagnahmtes Material getragen.
Das Vermögen des Kieler Hells Angels-Vereins dürfte der
Staatskasse zufließen, sagte der Sprecher des Innenministeriums und
fügte hinzu: „Sofern nicht gerichtlich das Vereinsverbot aufgehoben
werden sollte.“ Gegen die bisher erlassenen Verbote in Flensburg und
Neumünster haben die Rocker-Gruppen Klage erhoben, rechtskräftige
Urteile liegen bisher nicht vor.
Das Verbot der „Hells Angels“ Kiel gehört laut Schlie zur
„Null-Toleranz-Strategie“ gegen das kriminelle Rockermilieu. Nunmehr
gibt es laut Landeskriminalamt im Norden noch Clubs der „Hells
Angels“ in Lübeck und in Norderstedt sowie der „Bandidos“ in Bad
Segeberg.
LN