Wahlstedt. „Mein großes Ziel ist es, an diesem Haus vorbeigehen zu können und zu sagen: ,Obgleich ich die Verantwortung nicht mehr habe, läuft es fantastisch weiter‘.“ Wilfried Jendis sitzt im Wohnzimmer seines Hauses an einem großen Tisch. Vor ihm stapelt sich allerhand Literatur rund um das Thema Theater. Ein großes, prall gefülltes Bücherregal zeigt dem Betrachter, dass der Mann belesen ist. LPs türmen sich neben einem Plattenspieler — kein modisches Retro-Utensil, sondern Wegbegleiter eines Mittsiebzigers.
„Die Weichen für die Zukunft sind gestellt. Der Wechsel kann stattfinden.“ Wilfried Jendis
Am Donnerstag wurde der pensionierte Realschullehrer, der auch Theaterwissenschaft studiert hat, erneut zum Vorsitzenden des Wahlstedter Kulturrings gewählt. Einstimmig. Seit 1991 steht er dem Verein vor, hat einst Olaf Kuhberg abgelöst, ist Gründungsmitglied. Er ist derjenige, in dessen Amtszeit die Entwicklung dieser Bühne, die Ehrenamtler von der Stube aus managen, zum florierenden Kulturbetrieb fällt. „Es ist enorm, was das absolut intakte Team hier aufgebaut hat“, unterstreicht er den Mannschaftsgeist, der den Kulturring seit vier Jahrzehnten auszeichne. Um so wichtiger sei es, dass diejenigen, die neu hinzukämen, sich absolut hineinfügten, betont Jendis.
Fast fließend gestaltete sich in den vergangenen fünf Jahren die Suche und Einarbeitung neuer Helfer in verschiedenste Aufgabengebiete: „Nun sind wir in allen Bereichen gedoppelt.“ Entweder hätten Nachfolger schon Verantwortung übernommen oder werden es in den nächsten zwei Jahren. Jendis: „Die Weichen für die Zukunft sind gestellt. Der Wechsel kann stattfinden.“ So wird erstmals Melanie Bernstein (seit einem Jahr Vorsitzende des Programmbeirats) in diesem Jahr die Vorstellung des neuen Programms (Ende Mai) übernehmen.
Und auch sonst wurde Jendis in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr entlastet: „Man hat mir oft nachgesagt, dass ich nicht abgeben kann. Klar habe ich Vorstellungen, die ich durchgesetzt haben möchte, aber es ist schön, Arbeit abgenommen zu bekommen. Ich spüre, wie mir das gut tut. Und ich fühle mich auch in schwierigen Situationen gut aufgehoben im Team des Kulturrings. Trotzdem: Wenn ich Verantwortung übernehme, dann ganz oder gar nicht.“
Jendis spricht Probleme an, etwa die sinkenden Abonnentenzahlen: „Da muss in Zukunft etwas passieren.“ Vor allem im „Abo Blau“ laufe es nicht so wie das erfolgsverwöhnte Team, das ein Theater mit über 90-prozentigen Auslastung betreiben, es sich vorstellt. Auch das Projekt „Jugend ins Theater“ könne mehr Zuspruch vertragen. Viele gute Nachrichten wie die Vertragseinigung mit der Stadt, die Barrierefreiheit des Theaters, der ausgezeichnete Ruf der Bühne — sowohl bei Besuchern als auch den Künstlern — machen das wieder wett. „Und wenn ich das Publikum in den Saal strömen sehe, ist das das Schönste. Dann weiß ich: Wir haben alles richtig gemacht.“
Von Heike Hiltrop