Lübeck. Wir gratulieren Ihnen“, sagt der Prüfungsvorsitzende zu uns, während er meinen beiden Kommilitonen und mir nacheinander die Hand drückt. Dies war also der Händedruck, der das Medizinstudium beendet und das Arztdasein einläutet.
In den letzten Wochen der Lernzeit, in denen Unruhe und Herzklopfen sich gegenseitig anfeuerten – wie sehnte ich mich da nach diesem Moment der Erlösung. Es sollte nur endlich vorbei sein. Aber jetzt, wo es soweit ist, spüre ich keine Erleichterung – nur Unglauben darüber, dass sechs Jahre Studium einfach so enden.
Das dritte Staatsexamen findet an zwei Tagen statt. Vorab soll jeder Prüfling je zwei Patienten befragen und untersuchen, um anschließend eine schriftliche Auseinandersetzung über den Fall anzufertigen. Die Patienten erhalten die ausführlichste Untersuchung ihres Lebens. Wir verbringen den Tag damit, jedes Wort, das wir niederschreiben, auf die Goldwaage zu legen, nur damit dieser Bericht in der Prüfung dann keines Wortes gewürdigt wird. Schließlich sitzen uns dann vier Prüfer gegenüber und konstruieren Fälle, um herauszufinden, ob wir auf Patienten losgelassen werden dürfen.
Für mich, wie auch einige meiner Kommilitonen, ging es aber um weit mehr als die Arbeitserlaubnis. Wir hatten Bilder von Menschen vor unserem inneren Auge, denen wir beweisen wollten, dass wir dieses – vor allem psychisch – belastende Studium aus eigenem Antrieb bewältigen werden. Dass wir, ohne Kontakte oder Wohlstand, jeder Missgunst und jedem Neid zum Trotz durchhalten.
Wir sind endlich Ärzte – auch wenn es sich noch unwirklich anfühlt.
An dieser Stelle bloggen Studierende über den Hochschul-Alltag. Autorin Tamara Vernik (26) studiert Medizin im zwölften Semester. Dies war ihr letzter Beitrag in dieser Reihe.
LN