Beth Dittos erste Erinnerung an Deutschland ist mit einer verweigerten Extraportion Ketchup verbunden. Als sie mit ihrer Band Gossip 2001während einer Tour an einem Burgerstand vorbeigekommen und von der „Dame an der Bedienung noch ein wenig von der tomatigen Beigabe verlangt habe, habe diese in schrillem Diskant „Neiiiiin!“ geschrien und die Band hinauskomplimentiert. Den besagten Ausruf „Neeeeein!“, verbunden mit einer ausladenden Geste Richtung Ausgang, wiederholt die gutgelaunte Amerikanerin als Running Gag. So lange, bis das Publikum den Ruf übernimmt und am Ende eine Ketchup-Flasche auf die Bühne fliegt.
Nicht nur mit ihren deutsch-englischen Kommentaren begeisterte die stimmgewaltige Sängerin aus Arkansas die 2500 Gäste. Zum Auftakt ihrer Sommertour präsentierte sich die Songwriterin und Modeschöpferin in einem farbenfrohen Kleid irgendwo zwischen Hochglanzgeschenkpapier und Perserteppich. Nach der Auflösung von Gossip vor zwei Jahren war Dittos erstes Soloalbum „Fake Sugar“ von der Kritik gemischt aufgenommen worden. Ein wenig fehle dem Werk der aggressive „Punk“ der frühen Tage, hieß es. Das zwischen Disco, Funk und Country pendelnde Werk sei etwas zu konfektioniert geraten.
Dabei stehen Titel wie der Glampop von „Oh lalala“, der melodische Indierock von „We could run“ oder die Lagerfeuerromantik des Titelsongs der einst als „Moppel-Model“ gescholtenen Ikone auch live gut zu Gesicht. Die herausragende Stimme der Powerfrau, von der Modezar Karl Lagerfeld schwärmte „Sie ist toll. Diese Frau muss nicht dünn sein" und die sich selbst als „fette feministische Lesbe aus Arkansas“ bezeichnet, pendelt eindrucksvoll zwischen Janis Joplin, Tina Turner und Etta James.
Mit charmantem Augenzwinkern versucht die Amerikanerin auf der Bühne, ihr deutsches Vokabular zu erweitern. Das reicht von „Ich schwetze und ich habe eine Schwetze“ und „Das ist eine Witze“ (mit Blick auf ihren Dutt) bis zum obligaten „Moin Moin“. Hamburg sei eben ohnehin ihre Lieblingsstadt – was man nicht in Berlin weitererzählen solle: „They are so competitive!“. Ihre Keyboarderin, eine Diplombiologin, fragt die quietschvergnügte Sängerin, worum es sich denn wohl bei der taubeneigroßen Verfärbung auf Dittos Unterschenkel handle. „Sieht aus wie ein Tattoo“, vermutet die Musikerin.
„Ist aber ein Muttermal, ha ha“, korrigiert Ditto.
Ganz ohne einige Hits aus der Erfolgszeit mit Gossip geht es natürlich nicht. „Standing in the way of Control“, Titelsong des 2007 erschienenen und vor allem in Großbritannien erfolgreichen Albums „Love long distance“ und natürlich der Über-Hit „Heavy Crosss“, in Deutschland 82 Wochen nonstop in den Singlecharts, sorgen für reichlich Stimmung im Ü-35-Publikum. Nach der Zugabe im weinroten Bonbonkleid intoniert Ditto dann sogar noch „In Hamburg sagt man tschüß“.
Hochzeit auf Hawaii
Beth Ditto wurde 1981 in Searcy, Arkansas, als Mary Beth Patterson geboren. Ihre Kindheit und Jugend waren alles andere als rosig. In ihrer Biografie beschreibt sie, wie sie mit vier Geschwistern und der alleinerziehenden Mutter in einem Trailerpark in Armut aufwuchs. Überdies habe sie ihr Onkel sexuell missbraucht.
2013 heiratete sie auf Hawaii ihre Lebensgefährtin.
Ihre Sommer-Tour führt Beth Ditto noch nach Singen (23. Juli), Hannover (24. Juli) und Münster (25. Juli).
Alexander Bösch