Lübecker Nachrichten: Sie waren in Ihrem ersten halben Jahr als Kulturministerin oft in Lübeck zu sehen. Dennoch verdächtigt man Sie, mehr mit dem nördlichen Landesteil verbunden zu sein . . .
Anke Spoorendonk: Ich denke, dass ich deutlich machen konnte, wie sehr mir Lübeck als Kulturstadt am Herzen liegt. Ich habe bereits an einer ganzen Reihe von Veranstaltungen dort teilgenommen, ob es der Auftakt zum Musikfestival, zur Theatersaison oder zu den Nordischen Filmtagen war. Auch habe ich mir die Ausgrabungen im Gründungsviertel angeschaut. Ich habe mich wie die Stadt Lübeck dafür stark gemacht, dass sie zuende geführt werden.
LN: Gemeinhin ist Kultur doch der Zierrat, das Gedöns abseits der harten politischen Aufgaben?
Spoorendonk: So sehe ich das aber überhaupt nicht. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass es in Schleswig-Holstein wieder ein eigenständiges Kulturministerium gibt. Zuvor schon habe ich lange Jahre als Landtagsabgeordnete Kulturpolitik gemacht. Kultur und Kulturpolitik sind mehr als das Sahnehäubchen. Im Gegenteil: Kultur ist für mich ein Grundnahrungsmittel.
LN: Das klingt entschlossen, aber wie sieht Kulturpolitik konkret aus?
Spoorendonk: Wir haben eine ganze Reihe von Dingen vorangebracht, aber man kann selbstverständlich nicht alles, was man sich vorgenommen hat, von heute auf morgen abarbeiten. Wir brauchen einen nachhaltigen Dialog mit den Akteuren der Kulturlandschaft. Da hat es ja in den vergangenen Jahren große Frustrationen gegeben. Ich habe vernommen, dass es für viele eine neue Erfahrung ist, dass die zuständige Ministerin Lust hat, zuzuhören und in einen Dialog zu treten. Aus den Gesprächen ergibt sich die Antwort auf die Fragen: Welche Ziele verfolgen wir? Welche Notwendigkeiten gibt es? Ich habe die Überschrift gewählt „Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein bis 2020“. Wertschätzung zu zeigen allein genügt nicht, man muss auch ein Konzept vorweisen.
LN: Kulturpolitik im Land bedeutet zu 90 Prozent, zu entscheiden, wer wie viel Geld bekommt. Gibt es auch inhaltliche Möglichkeiten?
Spoorendonk: Kulturpolitik heißt nicht nur Geld zu gewähren. Ich will darüber hinaus die konstanten Größen in unserer Kulturlandschaft konzeptionell stärken: die Museen, die festen Theater, die ausstrahlen auf das ganze Land. Die Theater brauchen für ihre gesellschaftspolitische Aufgabe Planungssicherheit. Ich habe vom Kabinett den Auftrag bekommen, ein Konzept zu entwickeln, das auch klärt, wie wir die Spielstätte des Landestheaters in Schleswig sichern. Kinder, Jugendliche und Erwachsene im ganzen Land, egal ob sie im Dorf oder in der Stadt wohnen, müssen die Möglichkeit haben, Theater zu besuchen. Und dann geht es ja auch um die Frage: Wie können wir unser kulturelles Erbe sichern?
LN: Christian Schwandt, Geschäftsführender Theaterdirektor in Lübeck, hat ein Konzept vorgestellt, das die Berücksichtigung der Leistung der Theater, also Zuschauerzahlen und Eigeneinnahmen, bei der Mittelvergabe vorsieht. Spielt das bei Ihren Überlegungen eine Rolle?
Spoorendonk: Ich will deutlich machen, dass wir die drei großen Theater, die wir im Land haben, auch brauchen. Ich halte nichts davon, dass wir die Häuser gegeneinander ausspielen. Wir müssen vielmehr darauf hinwirken, dass sie gemeinsam ihre kulturpolitische Aufgabe erfüllen. Und ich sehe, dass alle drei in den vergangenen Jahren sparsam gewirtschaftet, ihre Eigeneinnahmen erhöht und gute Konzepte entwickelt haben. Nur gemeinsam sind sie stark. Wir werden prüfen, wie es möglich sein wird, die Deckelung der Zuschüsse aus dem kommunalen Finanzausgleich wieder rückgängig zu machen.
Das hat den Theatern zu schaffen gemacht. Ich will eine Dynamisierung erreichen.
LN: Was heißt das?
Spoorendonk: Dynamisierung hieße konkret, dass die Fördersumme jährlich um etwa 1,5 Prozent erhöht wird.
LN: Weniger als das, was die Theater für Lohnkostensteigerungen ausgeben müssen.
Spoorendonk: Das ist richtig, aber die Bäume wachsen nun mal nicht in den Himmel. Wir werden niemals eine Maximalforderung erfüllen können. Wenn wir diese Dynamisierung erreichen, haben die Theater Planungssicherheit.
LN: Die Museumslandschaft Schleswig-Holsteins ist sehr reichhaltig, sie verschlingt große Summen. Insbesondere Lübeck ist mit den Kosten geschlagen. Kann das Land den Städten da nicht beispringen?
Spoorendonk: Das sehe ich nicht. Das Land finanziert die Stiftung Schloss Gottorf mit den Schleswig- Holsteinischen Landesmuseen auf der Museumsinsel, dem Jüdischen Museum Rendsburg, dem Eisenkunstgussmuseum Büdelsdorf, dem Kloster Cismar, dem Wikingermuseum Haithabu und ab dem 1. Januar dem Freilichtmuseum Molfsee. Wenn ich mir anschaue, welche Schwierigkeiten es bedeutet, bei diesen Museen über die Runden zu kommen und den Investitionsstau zu bereinigen, dann sehe ich keine Möglichkeit für institutionelle Förderungen weiterer Museen. Ich will dennoch deutlich machen, dass die Lübecker Museen für uns unverzichtbar sind. Das Land wird sich dort weiterhin mit Projektförderungen engagieren.
LN: Haben Sie sich bereits mit der neuen Intendanz des Schleswig-Holstein Musik Festivals ins Benehmen gesetzt?
Spoorendonk: Am 7. Januar wird es ein erstes Gespräch geben.
LN: Was werden Sie dem neuen Intendanten Christian Kuhnt mitbringen können?
Spoorendonk: Ich kann nur die Zusage machen, dass ich mich dafür stark mache, dass es auch für das SHMF keine weiteren Kürzungen geben wird.
LN: Das können Sie so rundheraus prophezeien?
Spoorendonk: Im Koalitionsvertrag steht: Keine weiteren Kürzungen im Landeshaushalt für die Kultur, auch wenn der Anteil gering ist.
LN: Etwa 54 Euro betragen die Kulturausgaben von Land und Gemeinden pro Einwohner. Nur das Saarland steht in Deutschland schlechter da. Ist da irgendwann Besserung in Sicht?
Spoorendonk: Wir konnten den Kulturhaushalt bereits ein wenig erhöhen, aber ich gebe zu, die Ausgaben glichen in den vergangenen Jahren einem Trauerspiel. Für mich geht es nun darum, dass mithilfe der Möglichkeiten des Landes und des Bundes Besserung eintreten kann.
LN: Wo steht das Land kulturell 2020?
Spoorendonk: Bis 2020 muss es uns gelingen, die Pflichtaufgaben zu realisieren: Wir müssen ein rechtssicheres Denkmalschutzgesetz haben, wir müssen ein Bibliotheksgesetz verabschieden, denn auch Bibliotheken sind wichtige Kultur- und Bildungsstätten. Wir müssen sicherstellen, dass die Archive leistungsfähiger werden — ein Stichwort ist der Papierzerfall. Und wir müssen die Museen in die Lage versetzen, weiterhin unsere kulturelle Identität und Geschichte zu vermitteln. Und zwar so, dass auch die nachwachsende Generation etwas damit anfangen kann. Das heißt, die ständigen Ausstellungen müssen neu konzipiert werden. Die jungen Leute müssen sich schließlich im kulturellen Kontext orientieren können, dazu müssen wir an den Schulen die Kreativität vergrößern und die Hemmschwellen gegenüber den Kultureinrichtungen verkleinern.
Interview: Michael Berger