Lübeck. Die Schuhe glitzern golden und haben einen schlanken hohen Absatz. Neun Zentimeter zeigt das Maßband. „Ich bin zu einer Hochzeit eingeladen, da fehlen mir die passenden Schuhe“, erzählt Derya Suxdorf. Die 47-jährige Lübeckerin ist bei „Jumex“ fündig geworden. „Die fühlen sich gut an am Fuß“, sagt sie. Ob sie den ganzen Abend darauf laufen kann, ist ungewiss. Denn eigentlich bevorzugt sie eher bequemes Schuhwerk. „Hauptsache, ich schaffe es zum Buffet“, meint sie schmunzelnd.
Im Schuhhaus Hoffmann präsentiert Irina Hoffmann pinkfarbene High Heels mit einem elf Zentimeter hohen Glitter-Absatz. „Das ist das höchste, was wir derzeit anbieten“, sagt die 30-Jährige, selbst überzeugte High-Heel-Trägerin. Es sei aber wichtig, öfter mal die Schuhe zu wechseln. „Man braucht immer die Ballerinas in der Handtasche“, so Hoffmann. Das empfiehlt sich auch gerade im kopfsteingepflasterten Lübeck, wo man leicht mal mit dem Absatz stecken bleibt, meint Susanne Hildebrandt (55), Verkäuferin bei „Salamander“.
Am Vortag hatte ein Gericht im nordrhein-westfälischen Hamm entschieden, dass Stöckelschuhträgerinnen selbst schuld sind, wenn sie mit ihren hohen Absätzen an Hindernissen hängenbleiben. 2014 war eine Frau mit schmalen, mindestens 4,5-Zentimeter-Absätzen in den Löchern einer Schmutzfangmatte steckengeblieben und gestürzt. Ihre Klage auf Schmerzensgeld wurde nun abgewiesen.
Stöckelschuhträgerinnen seien zu erhöhter Aufmerksamkeit und entsprechend angepasstem Verhalten verpflichtet, urteilte das Gericht.
„Wichtig ist eine gute Körperspannung“, erklärt Britta Birckner (57), Inhaberin der High Heel School in Hamburg. Sie hält schon seit mehr als 40 Jahren das Gleichgewicht auf hohen Hacken. In Workshops in ganz Deutschland unterrichtet sie, wie man sich auf hohen Absätzen (ab sechs Zentimeter) sicher bewegt. „Zehn Zentimeter hohe Absätze sind auch Waffen – damit muss man umgehen können“, sagt sie. Die Kursteilnehmerinnen seien meist zwischen 18 und 58 Jahre alt. Die Kassiererin sei ebenso dabei wie die Ärztin. „Das ist kein Zauberwerk, das kann jeder lernen“, ist Birckner überzeugt.
„Ab einer bestimmten Absatzhöhe wird der Fuß sehr instabil und die Gefahr, dass man umknickt, ist sehr hoch“, warnt Dr. Christian Hauschild, Landesvorsitzender des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie in Lübeck. Dabei drohe eine Bänderdehnung oder gar ein -riss am Oberen Sprunggelenk. Schlimmstenfalls könne sich die Trägerin auch einen Außenknöchelbruch zuziehen. Wann hohe Absätze gefährlich werden können, lasse sich nicht genau festlegen. „Das ist individuell unterschiedlich und hängt vom eigenen Sicherheitsgefühl ab“, so Hauschild. Zudem müsse man auch Rücksicht auf die Gesamtstatik des Körpers nehmen. Bei Menschen mit Rückenbeschwerden etwa könnten hohe Schuhe die Probleme verstärken.
Dennoch sind die Stöckelschuhe gefragt. „Vor allem zu besonderen Anlässen“, erzählt Irina Hoffmann. So würden beispielsweise junge Frauen gern auf hohen Absätzen zur Abi-Feier gehen. „Und die Schuhe sollen ja auch etwas Besonderes sein – wie ein Schmuckstück“, meint Birckner von der High Heel School.
Julia Paulat