. Verbrecher zu fangen ist nicht leicht. Besonders, wenn die Täter im weltweiten Datenmeer untertauchen, um anonym zu bleiben: Cybercrime, per Computer begangene Taten, musste die Polizei bislang als kaum zu bewältigende Herausforderung ansehen.
„Das Dunkelfeld ist bei Cyber-Straftaten gigantisch groß.Alexander Hahn, Chefermittler
Das ändert sich gerade, wie das Landeskriminalamt (LKA) in Kiel gestern bekanntgab. „Ich darf Ihnen den ersten Leiter der neugeschaffenen Cybercrime-Dienststelle vorstellen“, sagt Behördensprecher Uwe Keller in Kiel. Der Name des neuen Chefermittlers für Web-Delikte: Alexander Hahn. Der Kriminaloberrat hat mit dem neuen Dezernat „Cybercrime/Digitale Spuren“ eine Ermittlungsgruppe für die wohl modernste Form der Kriminalität aufgebaut.
Das ist auch dringend notwendig, wie Keller ausführt: „Immer mehr Straftaten finden online statt.“ Im Jahr 2015 wurden bundesweit 300000 Cyber-Straftaten angezeigt, in Schleswig-Holstein waren es knapp 10000. „Es ist zu vermuten, dass die Zahl weiter ansteigen wird“, sagt Keller.
Dabei sind die angezeigten Computer-Delikte nur die Spitze des Eisberges. „Vielleicht zehn Prozent kommen zur Anzeige“, führt Alexander Hahn aus. 90 Prozent der Taten seien für die Polizei nach wie vor nicht fassbar. Oft sei der Wohnort der Täter nicht ermittelbar, stehe der Server im Ausland. Hahn: „Das Dunkelfeld ist gigantisch groß.“ 30 Prozent aller Straftaten hätten heute Computerbezug.
Es gehe um Alltagskriminalität, wie mit dem Computer begangener Bestell-Betrug, Online-Beleidigungen, Hehlerei, Drogenhandel und Kinderpornografie. Viele Straftaten aber seien nur im Internet möglich: so das Verunstalten von Web-Seiten, das Einschleusen von Trojanern, Identitäts-Diebstahl und das Ausspähen von Daten. „Alles, was gemeinhin als Hacking bezeichnet wird“, sagt Keller.
Dabei sei seine Behörde, entsprechend fortgebildete Polizisten und Informatiker, den Kriminellen vom Know-how her gewachsen. „Wir haben schon absichtlich zerstörte Handys auswerten können. Wir sind in der Lage, uns in Foren im Darknet einzuloggen, in denen beispielsweise illegale Waffen oder anderes gehandelt wird.“ Zwar versuche das Darknet, die Anonymität seiner Nutzer zu schützen, auch diese könnten die LKA-Spezialisten aber enttarnen.
Unterstützt werden die sechs LKA-Ermittler und ihre 26 Mitarbeiter in Kiel von landesweit sieben untergeordneten zwei- oder dreiköpfigen Ermittlungsgruppen, so auch in Lübeck.
Die Polizisten würden jedoch nur auf Anzeige tätig oder bei einem konkreten Tatverdacht. „Wir beobachten die Darknet-Foren nicht ständig“, sagt Keller. „Das wäre zu viel Aufwand.“
Aktuell konnten die Internet-Fahnder eine groß angelegte Erpressung zahlreicher Betriebe im Land aufdecken. Es ging um Datenklau. „Wieder wurde in den wenigsten Fällen Anzeige erstattet“, sagt Hahn.
Zunehmend seien auch kleinere Betriebe von derlei Angriffen betroffen.
Zum Schutz vor Internetkriminalität empfiehlt Hahn, sich beim eigenen Computer um aktuelle Firewall, Virenschutz und Updates zu kümmern. Sinnvoll sei, Back-Ups für die Daten anzulegen. Das Sicherheitsbewusstsein indessen sei diesbezüglich erfreulich hoch.
Marcus Stöcklin