Kiel. Ralf Stegner bleibt der Landespolitik erhalten. Er werde bei der Wahl im Mai 2017 wieder für den Landtag kandidieren und nicht im Herbst 2017 für den Bundestag, bestätigte der SPD-Landes- und Fraktionschef gestern Vormittag in Kiel. Bereits am Abend zuvor war durchgesickert, dass der 56-Jährige nun doch nicht nach Berlin wechseln wolle. Monatelang war zuvor über einen solchen Wechsel spekuliert worden. Stegner selber machte aus seinen bundespolitischen Ambitionen nie einen Hehl.
Dass er in Kiel bleibt, sollten zuerst die Basis-Genossen in seinem Wahlkreis erfahren, am Dienstagabend im Seminarzentrum „Denkfabrik“ in Stegners Heimatort Bordesholm. Eine große Fensterfront bis zum Boden, helle Holzstühle, mint gepolstert, im Halbkreis um ein kleines Podium. Von außen wirkt das wie eine Fahrschule beim Theorieunterricht. 17 Genossen sind gekommen, die meisten zu Fuß oder mit dem Rad, wie „Marion aus Bordesholm“, wie sie sich den anderen vorstellt. Stegner hätte auch schnell zu Fuß von zu Hause rüber kommen können, lässt sich aber mit der dunklen Mercedes-Dienst-S-Klasse direkt vor die Tür fahren — bloß heute kein Kontakt mit wartenden Journalisten.
Stegner ist angespannt, die Miene ernst. „Ich bleibe in Kiel“: Wenn er das hier gleich zum ersten Mal ausgesprochen hat, lässt es sich nicht mehr zurücknehmen. Über eine Stunde debattieren die 17 danach mit ihm. Der SPD-Chef vergattert sie zum Stillschweigen. Doch die Sache bewegt sie zu sehr. Die meisten sind erleichtert: „Er bleibt, und das ist gut für uns.“ Kiel? Daumen hoch, signalisiert einer von ihnen im Vorübergehen und lächelt breit. Wer hätte Stegners Job als Landes- und Fraktionschef denn auch sonst machen sollen? Nach dem Abgang der Breitners, Webers und Fischers in und aus Partei und Fraktion ist niemand nachgewachsen, dem man es zutraut.
So etwas würde Stegner natürlich nie selber sagen. Auch nicht, dass ihn in Berlin trotz seines nimmermüden, bundesweiten Engagements für die SPD in Wahlkämpfen, auf Parteitagen und in Talkshows keiner der Spitzengenossen gerufen hat zu kommen. Am Ende dürfte es auch eine Abwägung der Chancen gewesen sein: Welche einflussreichen Posten hat denn die SPD 2017 noch zu vergeben, wenn sie die Bundestagswahl, wie Umfragen nahelegen, mit unter 20 Prozent verliert und Schwarz-Grün regiert? Die Oppositions-SPD neu aufbauen und links positionieren kann der stellvertretende Bundesvorsitzende, der er schon ist, auch von Kiel aus. Und regiert die SPD wieder mit, könnte er auch so Bundesminister werden. Oder doch einen amtsmüden Torsten Albig als Nord-Regierungschef beerben?
Zu alledem aber auch am nächsten Morgen kein Kommentar, als Stegner im Kieler „Steigenberger Hotel“ in einer lange anberaumten Pressekonferenz offiziell bestätigt, was längst die Runde macht: „Ich habe mich am Ende entschieden, wieder für den schleswig-holsteinischen Landtag zu kandidieren. Ich habe nicht den Eindruck, dass meine Aufgabe beendet ist.“ Die Landtagswahl 2017 werde angesichts der jüngsten Erfolge der Rechtspopulisten „eine Herausforderung“. Sein Ziel sei, dass am Ende Albig Ministerpräsident bleibe, und das in der Koalition mit Grünen und SSW. „Dafür kämpfe ich.“
Albig gab sich gestern erleichtert. Stegner trage in hohem Maße dazu bei, dass die Koalition reibungslos arbeite. „Mit seiner enormen Führungsstärke, seiner besonderen politischen Erfahrung und seiner hohen analytischen Kompetenz ist er für meine Landesregierung ein zentraler Erfolgsfaktor.“ Stegner sei verlässlich, ein Profi.
Das allerdings bewertet CDU- Oppositionsführer Daniel Günther deutlich anders. Es sei wohl vielmehr so, dass Ralf Stegner gar nicht weg dürfe, „weil Albig sonst der Laden um die Ohren geflogen wäre“.
Das zeige, wie schwach der Ministerpräsident und die Koalition insgesamt aufgestellt seien. Dem SPD-Chef würde das alles sicher so nicht passen. „Stegner verkündet auf einer seit Monaten angekündigten Pressekonferenz, dass er nun doch in Kiel bleibt. Deutlicher kann er nicht sagen, wie gerne er gegangen wäre“, so Günther. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zollte Stegner für seine Entscheidung, nicht für den Bundestag zu kandidieren, Respekt.
Von Wolfram Hammer