Kiel/Berlin. „Wir sollten prüfen, ob standardisierte Verfahren bei Diebstählen geringwertiger Waren – ähnlich wie Bußgelder bei Verkehrsdelikten oder beim Schwarzfahren – die Polizei entlasten und beim Dieb zu wirkungsvoller Bestrafung führen könnten“, sagte Stegner.
Kleine Diebstähle seien nicht nur für Ladenbesitzer höchst ärgerlich und unzweifelhaft kriminell, sondern für die Polizei auch mit großem bürokratischem Aufwand verbunden, der viele Kräfte binde. „Im Ergebnis werden Verfahren häufig ohne Strafe eingestellt und bleiben so für den Dieb ohne Folge.“ Das löse großen Frust bei den Polizisten aus und erwecke bei den Tätern den Eindruck, dass man ungestraft solche Delikte begehen könne.
Kommentar zum Thema: Ein fatales Signal
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Von einem „völlig falschen Signal“ warnt dagegen Dierk Böckenholt, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Nord. Er befürchtet eher das Gegenteil: „Das würde dazu beitragen, das Vergreifen an fremden Eigentum zu bagatellisieren.“ Dem Handel in Schleswig-Holstein entstünden durch Ladendiebstähle im Schnitt 286 000 Euro Verlust pro Tag. Davor könne der Staat nicht kapitulieren.
Nach Ansicht von FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki treibt die SPD die „Erosion des Rechtsstaates“ voran. Zweifellos sei eine Verfahrensbeschleunigung bei der Bekämpfung des Ladendiebstahls nötig. „Eine Überführung in das Bußgeldrecht, bei dem es keine gesetzliche Verpflichtung zur Strafverfolgung gibt, würde aber die Ernsthaftigkeit des Eigentumsschutzes in Frage stellen“, warnt Kubicki.
Auch CDU-Landesfraktionschef Daniel Günther lässt an dem Vorstoß kein gutes Haar. „Herr Stegner möchte also offenbar, dass der Falschparker jetzt auch noch zum Klauen in den Laden gehen kann, ohne dass er strafrechtlich belangt wird. Das lehnen wir ab.“ Die Kapazität der Polizei müsse an den Notwendigkeiten der Strafverfolgung ausgerichtet werden – nicht die Strafverfolgung an die Kapazität der Polizei.
Die mögliche Entlastung wäre ohnehin gering, gibt Manfred Börner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu bedenken. „Es ist letztlich egal, ob wir eine Strafanzeige fertigen oder einen Bußgeldbescheid.“ Der Nachteil würde überwiegen. Selbst wer ständig Ladendiebstähle begehe, könnte nicht mehr als Straftäter verfolgt werden, sondern sich täglich „freikaufen“. Das sei „keine gute Idee“.
Entlastung könnte der Stegner- Ansatz aber den Justizbehörden bringen. Das Kieler Justizministerium wollte sich gestern dazu aber nicht äußern. Da die Forderung nicht in ihren Einzelheiten bekannt sei, werde man sie nicht kommentieren, hieß es.
Von Dieter Wonka und Oliver Vogt