Travemünde. Die Stadt wird einen Sicherheitsdienst mit der Bewachung der künftigen Asylunterkunft in der Ostseestraße beauftragen, in der ab April knapp 400 Schutzsuchende leben werden. „Die Gemeinschaftsunterkunft wird an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden lang gesichert“, erklärt Sozialsenator Sven Schindler (SPD). Die Größe und die Lage am Ortsrand machen das besondere Sicherheitskonzept nötig. Dieser Standard gilt bei den meisten der 45 städtischen Gemeinschaftsunterkünfte nicht. Nur der ehemalige Praktikermarkt genießt denselben Schutz. „Wir sind froh, dass die Stadt den Wachdienst organisiert“, sagt Dörte Eitel, Leiterin der Gemeindediakonie.
Eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung diene auch den Flüchtlingen, sagt Schindler, denn sie hätten damit auch zu Zeiten einen Ansprechpartner, wenn die pädagogischen Betreuer nicht im Hause seien. Bei Gemeinschaftsunterkünften, die in Wohnblocks untergebracht sind und öffentlich nicht auffallen, wird auf diese Bewachung verzichtet. Bei einer Vielzahl von Unterkünften fährt die Polizei regelmäßig Streife. SPD-Fraktionschef Jan Lindenau sieht angesichts der aktuellen Flüchtlingsdebatte in Deutschland durchaus ein „erhöhtes Gefahrenpotenzial“ für Asylheime. Lindenau: „Wir haben in Travemünde schon rassistische Äußerungen zur Kenntnis nehmen müssen.“ Die CDU hat einen Antrag zur nächsten Bürgerschaft gestellt, in der die Verwaltung aufgefordert wird, die Rund-um-die-Uhr-Bewachung in der Ostseestraße sicherzustellen. CDU-Fraktionschef Andreas Zander begründet den Antrag ebenfalls mit der Lage und Größe der Unterkunft. Aber er führt ein weiteres Argument ins Feld: „Die Polizeidirektion in Travemünde ist nicht rund um die Uhr besetzt.“
Im Ostseebad hat sich im November eine „Interessengemeinschaft Lebenswertes Travemünde“ gegründet, die einen Hamburger Anwalt mit einer Prüfung des Baurechts beauftragt hat und nun über eine Klage gegen die Unterkunft nachdenkt. „Wir sammeln Geld und versuchen, einen Kläger zu finden“, sagt Karin Prasetyo von der Interessengemeinschaft. Die Initiative habe zunächst aus einem kleinen Kreis bestanden, zum letzten Treffen seien bereits 70 Mitstreiter gekommen, sagt Prasetyo. Die Interessengemeinschaft befürchtet, dass in der Ostseestraße ein neuer sozialer Brennpunkt entstehen könnte.
Das Betreuungskonzept der Unterkunft sei unzureichend. Die Bürger fordern, dass in der Einrichtung medizinische Hilfe rund um die Uhr angeboten wird sowie Dolmetscher und Rechtsberatung organisiert werden. Die Bedingungen für eine gelingende Integration seien an dem Standort nicht vorhanden.
Auch die SPD Travemünde fordert einen 24-stündigen Dienst für die Flüchtlinge in der Anlage. Schon jetzt sei die Betreuung von bislang 183 Flüchtlingen im Seebad verbesserungswürdig, erklärt der Ortsvereinsvorsitzende Claus Pätow. „Es gab bisher weder einen Dolmetscher noch ständig erreichbare Betreuer.“ Das müsse sich ändern, bevor die Unterkunft in der Ostseestraße in Betrieb gehe.
Die Gemeindediakonie will zehn Betreuer in der größten Unterkunft Lübecks einsetzen. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Geflüchteten durch Erzieher und Sozialpädagogen sei nicht finanzierbar, erklärt Diakonie-Pastorin Eitel. „Die Betreuer sitzen auch nicht acht Stunden in ihrem Büro“, sagt Eitel, „sie haben flexible Arbeitszeiten, um die Flüchtlinge zu Ärzten, Behörden oder auch zum Elternabend in die Schule zu begleiten.“ Es werde aber immer schwieriger, Stellen mit Sozialpädagogen oder Erziehern zu besetzen, sagt Sozialsenator Schindler. „Deshalb kann es sein, dass der Schlüssel von einem Betreuer auf 40 Flüchtlinge nicht immer vom ersten Tag an eingehalten werden kann.“
3500 Schutzsuchende werden in diesem Jahr voraussichtlich in Lübeck ankommen. Davon geht die Stadtverwaltung aktuell aus. Im vergangenen Jahr wurden der Hansestadt 2500 Flüchtlinge zur Unterbringung zugewiesen. Aktuell gibt es 45 Gemeinschaftsunterkünfte.
Kai Dordowsky