380 kV-Leitung: Bad Schwartau und Stockelsdorf wehren sich gegen Tennet-Planung

Zwei Minuten und 22 Sekunden dauert der Film von Peter Adam. Der Bad Schwartauer hat den geplanten Trassenverlauf einer 380-kV-Leitung durch den Riesebusch simuliert. Die Bilder sind erschreckend. Die Kommunalpolitiker in Bad Schwartau machten sie sogar zunächst sprachlos. Im jüngsten Ausschuss für Sicherheit, Verkehr und Umweltschutz wurde der Film gezeigt und versetzte die politischen Vertreter zunächst in eine Art Schockstarre. Doch der Film und die anschließenden Ausführungen von Ellen Brümmer von der Bürgerinitiative „Achtung – 380-kV“ zeigten Wirkung. Einstimmig votierte der Ausschuss dafür, dass den von der 380-kV-Leitung betroffenen Grundstückseigentümer juristische Unterstützung, in Form vom Verfassen von fachgerechten Einwendungen gewährt werden soll. Die Kosten hierfür übernimmt die Stadt Bad Schwartau, die selbst gegen das Vorhaben nicht klagen darf. Trasse von Siems ist kein Beitrag zur Energiewende: Ellen Brümmer betonte, dass es sich bei den Plänen der Firma Tennet, eine 380-kV-Leitung von Siems nach Pohnsdorf zu verlegen, um keinen Beitrag zur Energiewende handelt – die Trasse habe nichts mit der Ostküstenleitung zu tun, die die Windenergie aus dem Norden des Landes in den Süden transportieren soll. „Das hat auch die Bundesnetzagentur bestätigt. Es geht in diesem Abschnitt nur um eine Transportleitung für das Seekabel in Herrenwyk“, erklärte Brümmer. Dabei gehe es rein um wirtschaftliche Interessen der Energiewirtschaft. Unverständlich sei zudem, warum so ein rund 24 Millionen Euro teures Projekt überhaupt noch angestrebt werde, denn die Nutzungsdauer des Baltic Cable sei begrenzt und werde vermutlich nur noch acht bis zehn Jahre bestehen. Zumal bereits ein neues und technisches zeitgemäßes Baltic Cable zwischen Schweden und Güstrow geplant sei. Ob dieser Ausführungen sprach Suzann Kley (FDP) das aus, was alle anderen Politiker dachten: „Erst die Hinterlandanbindung und nun diese Trasse durch den Wald. Das Bad fliegt uns bald in Schwartau um die Ohren und macht das Leben hier nicht mehr so lebenswert.“ Einwendungen ermöglichen Klage: Um das zu verhindern, sind nun alle Grundstückseigentümer an der geplanten Trasse gefordert. Brümmer: „Es ist wichtig, dass alle Betroffenen bei der anstehenden Planfeststellung Einwendungen abgeben. Nur so gibt es auch die Möglichkeit, gegen die Pläne zu klagen.“ Gegenwind auch aus Stockelsdorf: In Stockelsdorf sorgt indes eine andere Planung der Firma Tennet für Unruhe. Beim jüngsten Bauausschuss waren vier Tennet-Vertreter anwesend, die von den Politikern mit kritischen Fragen und Kommentaren in die Mangel genommen wurden. Stockelsdorf ist nämlich nach aktuellem Stand der Tennet-Planungen gleich in vierfacher Weise von der für die Energiewende benötigten Ostküstenleitung betroffen: Durch eine sieben Kilometer lange Freileitung von Lübeck Richtung Göhl, eine fünf Kilometer lange Freileitung von Lübeck nach Siems, eine fünf Kilometer lange Freileitung aus dem Raum Segeberg in den Raum Lübeck und durch ein neues Umspannwerk in Pohnsdorf. Kritik an zweiter Leitung: Was in Stockelsdorf für ganz besonders viel Unmut sorgt, ist die Tatsache, dass die aktuelle Tennet-Planung, die erst kürzlich auf einer Info-Veranstaltung in Sereetz bekannt geworden ist, für Stockelsdorf perspektivisch sogar eine zweite Hochspannungsleitung parallel zur 380-kV-Leitung vorsieht. Heike Andermann (SPD) gab verärgert die Stimmung vieler Politiker wieder: „Sie haben schon 2015 beim Dialogverfahren gewusst, dass Stockelsdorf zwei Trassen bekommt, Sie haben es nur nie erwähnt.“ Über die verdeckte Planung einer zweiten Trasse war der Horsdorfer Dorfvorsteher Robert Muus nach aufmerksamem Studium der aktuellen Tennet-Pläne „gestolpert“, weil ihm darin die Bodenbevorratungsstrategie des Netzbetreibers aufgefallen war. „Wir sollen also durch zwei Leitungen durchfahren“, kritisierte Muus, „das ist nicht mit Rücksicht auf die Menschen und die Natur geplant.“ Tennet-Teilprojektleiter Martin Löwe erklärte, dass es aktuell „nur die Idee von einer Leitung gibt, aber keiner weiß, wie sich das bis 2040 entwickelt und ob dann noch eine zweite Leitung nötig ist.“ Inbetriebnahme des Gesamttrasse soll 2027 erfolgen: Der weitere Zeitplan von Tennet sieht laut Gesamtprojektleiter Till Klages so aus, dass bereits im ersten Halbjahr 2021 die Pläne für den Abschnitt der Leitung von Siems nach Stockelsdorf in Kiel zum Planfeststellungsverfahren eingereicht werden sollen. Im zweiten Halbjahr sollen die Pläne eingereicht werden zur Genehmigung des Verfahrens für den Abschnitt Lübeck-Göhl. „Für Anregungen und Vorschläge sind wir offen“, erklärte Klages, „aber das Datum der Inbetriebnahme der Gesamtleitung bleibt.“ 2027 soll das passieren. Lesen Sie auch: Stockelsdorf: Isabel Brandis und Gerd Rehme zeigen „Lichtblick“ in der Corona-Zeit „Kinder helfen Kindern“-Aktion startet in Bad Schwartau Giftstoffe im Grundwasser von Bad Schwartau: Dauert die Sanierung Jahrzehnte? Von D. Dankert und S. Prey