Kinder dürfen „Nein“ sagen

„Nein“-Sagen. Dazu werden die Kinder an einer Station aufgefordert, wo sie ihren Kopf durch ein Loch stecken sollen. Zuerst flüstern sie „Nein“ und dann brüllen sie es, so laut sie können. Dass Kinder deutlich ihren Unwillen ausdrücken dürfen und sollen, ist einer der wichtigsten Lerneffekte, den die Ausstellung bietet. Die Kinder der Klasse 1b der Grundschule Bad Schwartau durchwandern gerade die Ausstellung. „Eigentlich geht immer eine Klasse gleichzeitig in den Raum, aber die Erstklässler werden noch mal aufgeteilt, weil sie die ganze Zeit betreut werden und noch Unterstützung beim Lesen brauchen“, erklärt die Klassenlehrerin. Die quirligen Kinder werden jedes Mal ganz leise, wenn sie an eine neue Station gehen. Begleitet werden sie außer von der Klassenlehrerin von Schulsozialarbeiterin Simone Vogt vom Deutschen Kinderschutzbund. An verschiedenen Stellen geht es um Geheimnisse. Gute und schlechte. Nicht alle Stationen sind auch für die Erstklässler geeignet. „Aber diesen Mantel hier, den sollen die Kinder anziehen. Da stehen lauter Geheimnisse drauf. Und der Mantel ist deshalb ganz schwer. Damit sollen die Kinder erfahren, wie belastend Geheimnisse sein können“, erläutert Simone Vogt. „Wenn etwas einem Bauchschmerzen bereitet, sollte das unbedingt kommuniziert werden.“ Überhaupt – um Hilfe fragen sollen die Kinder. Auch dafür haben die Lehrer eine Fortbildung in Vorbereitung auf die Ausstellung absolviert. Und natürlich wurden auch die Eltern im Vorfeld informiert. „Die Kritiker, Grundschule sei noch zu früh für das Thema, wurden überzeugt. Denn – so traurig das ist – es gibt das Thema“, sagt Schulsozialarbeiterin Simone Vogt. Außerdem ist die Ausstellung speziell für Grundschulen konzipiert und vermittelt die Grundlagen kindgerecht: Bunt und abwechslungsreich sind die verschiedenen Stationen. Für die Schule ist das Projekt ohnehin nicht neu. „Zum dritten Mal haben wir die Ausstellung jetzt an der Schule“ erzählt Schulleiterin Corinna Ollech, „alle vier Jahre wird das Thema behandelt, damit jedes Kind einmal in der Grundschulzeit davon profitiert.“ Und parallel wird im Unterricht etwa über Körperteile und Geheimnisse, die Bauchschmerzen bereiten, gesprochen. Erfahrungen mit Kindern, die mit Gesprächsbedarf zu den Lehrkräften kommen, bestätigen die Relevanz des Problems auch für diese Altersstufe. Neben dem klassischen Fremden im Auto, zu dem die Kinder natürlich nicht einsteigen sollen, können auch Berührungen im näheren Umfeld zum Problem werden. Dazu können Kinder benennen, an welchen Körperstellen es angenehm ist, berührt zu werden und wo es ihnen unangenehm ist. „Am Hals“, sagt ein junges Mädchen, „das mag ich gar nicht“, und setzt einen schwarzen Magneten auf die Stelle an der Stationswand. Und auch hier fragt Simone Vogt die Kinder „Und was dürft ihr dann sagen?“ Die prompte Antwort folgt: „Nein, das möchte ich nicht.“ Die Ausstellung des Präventionsbüros Petze hat im Musikraum der Schule Platz bekommen. Das sei gar nicht so leicht, so was unterbringen, sagt eine Klassenlehrerin, „und wir haben 17 Klassen, die alle die Zeit benötigen, das Projekt zu bearbeiten“. Als Sponsoren konnte die Schule die Stadt Bad Schwartau und den Kreis Ostholstein gewinnen. „Denn so ist das Projekt für die Kinder kostenlos“, freut sich Simone Vogt. „Gleich siehst du das Wertvollste auf der Welt“ steht auf dem Schild neben einer Box. Alle Kinder dürfen einen Blick in diese geheimnisvolle Box in der Raummitte werfen, aber bloß nicht verraten, was sie gesehen haben. (Achtung, Spoiler: In der Box ist ein Spiegel.) Eine einprägsame Methode, Kindern klar zu machen, dass sie wichtig sind und dass sie das Recht haben, ernstgenommen zu werden. Ausstellungen wie diese sollen das Selbstbewusstsein der Kinder stärken, denn die Kinder sollen begreifen, dass sie wertvoll sind – auch und gerade dann, wenn jemand versucht, ihnen etwas anderes einzureden. Mehr unter www.petze-institut.de Von Julia Dittmann

Bad Schwartau - Kinder dürfen „Nein“ sagen