Nur mit Maske: Gemeindevertretersitzung bot gleich drei Premieren

Alle sind sie pünktlich. Manche sogar überpünktlich. Offenbar will keiner zu spät kommen zur Stockelsdorfer Gemeindevertretersitzung am Mittwochabend. Immerhin ist diese Sitzung mitten in der Corona-Krise gleich in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Erstens: Sie findet in der Großsporthalle statt, damit jeder der 18 zur Versammlung angemeldeten Vertreter ein paar Meter Platz um sich herum hat. Zweitens: Es gab noch nie eine Gemeindevertretersitzung, die teilnehmerzahlenmäßig bis knapp über der Grenze der Beschlussfähigkeit ausgedünnt war, denn von 29 Abgeordneten sind – nach vorheriger Absprache – nur 18 da. Drittens: Es herrscht Maskenpflicht. Wer bei dieser öffentlichen Versammlung dabei sein will, hat eine Maske zu tragen, wenn Bürgermeisterin Julia Samtleben (SPD) als Hausherrin das sagt. Und das hat sie im Vorfeld. Das gilt auch für die vier Bürger, die es sich weit ab von den Politikern oben auf den Zuschauerrängen der Sporthalle gemütlich machen dürfen. Bürgermeisterin achtet streng auf Einhaltung der Maßnahmen: Die beiden Frauen, die auf dem Rang nebeneinander sitzen, kriegen von Bürgermeisterin Julia Samtleben, die übrigens einen kleinen Stapel selbstgenähter Masken dabei hatte, die Aufforderungen entgegen gerufen: „Bitte setzen Sie sich auseinander!“ Diese Aufforderung muss mehrfach wiederholt werden, aber nicht, weil die Bürger taub oder trotzig sind, sondern weil sich der Verzicht auf Mikrofon und Lautsprecher von Anfang an als ungünstig erweist. Denn ein Teil der Akustik wird von den Masken geschluckt. Das ist insofern nicht ganz so dramatisch, weil die anwesenden Politiker ohnehin wissen, um was es geht. Zwei Tage zuvor wurde nämlich diese Sitzung mit knapp 40 Teilnehmern inklusive Mitarbeitern aus den Fachämtern in einer dreieinhalbstündigen Videokonferenz vorbereitet. „Wenn es auch in Zukunft solche Sitzungen gibt“, sagt der SPD-Fraktionschef Ralf Labeit, „dann muss ein Mikro her, denn ansonsten ist das alles kaum zu verstehen.“ Ralf Labeit gehört mit seinen 75 Jahren zur Corona-Risikogruppe, „aber ich gehe relativ gelassen damit um, Angst habe ich nicht“. Deswegen hat er sich im Vorfeld entschieden, teilzunehmen an der Sitzung. Die abgesprochene Dezimierung der Sitzungsteilnehmer erfolgt aus Gesundheitsvorsorgegründen, „denn es war klar, dass es keinen Streit und keine Diskussionen geben würde, denn dazu war die Videokonferenz da“, sagt Labeit, der seine Maske genauso wie Rolf Dohse von den Grünen irgendwann später aus der Tasche holt, während alle anderen die Halle bereits gehorsam mit Maske betreten. Von gut gelaunt, ein wenig amüsiert bis hin zu leicht genervt reicht der Ausdruck in den Augen der Gemeindevertreter in Anbetracht des verordneten Accessoires. Ralf Labeit spendiert eine Runde Desinfektionsmittel: Dass es bei dieser Sitzung eigentlich um die Zukunft der Atemschutzwerkstatt Mori geht, was vor einigen Wochen unter den Politikern noch für heftige Diskussionen gesorgt hat, geht unter dem Corona-Gesprächsstoff fast unter. Während der Bürgervorsteher Manfred Beckmann (CDU) die ständig beschlagene Brille als Nachteil der Maske benennt und sein Parteikollege Christian Ehmcke erläutert, wie man eine Maske ohne Nähkünste herstellen kann, spendiert Ralf Labeit großzügig für jeden „einen Schluck“ aus seiner Desinfektionsmittelflasche. Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. „Wir müssen aber so zusammenkommen, um Beschlüsse zu fassen“, erklärt Labeit, „per Videokonferenz geht das nicht, das ist juristisch nicht erlaubt.“ Freie Entscheidung jedes Abgeordneten: Ob personell ausgedünnte Gemeindevertretersitzungen wie diese grundsätzlich gesund für die Demokratie sind? „Das Selbstorganisationsrecht der Gemeinden darf nicht eingeschränkt werden“, erklärt Bürgermeisterin Julia Samtleben, „es steht jedem Gemeindevertreter frei, zu entscheiden, ob er an der Sitzung teilnimmt.“ Deshalb habe man aus gutem Grund im Vorfeld die Videokonferenz anberaumt. „Das soll gerade älteren und zu den Risikopatienten zählenden Gemeindevertretern die Möglichkeit geben, ohne Sorge um die eigene Gesundheit am politischen Leben teilnehmen zu können.“ Björn Schlieter, Wehrführer der Wehr Mori, ist zufrieden nach dieser Sitzung. Mit nur zwei Gegenstimmen von UWG und BfB wurde die Sanierung der Atemschutzwerkstatt in Mori für 60 000 Euro auf den Weg gebracht. In dieser Summe enthalten ist übrigens auch der 5000 Euro teure Prüfkopf, der kurz vor dem Corona-Lockdown zum Zankapfel wurde. Jetzt ist alles vergessen. Von Doreen Dankert

Stockelsdorf - Nur mit Maske: Gemeindevertretersitzung bot gleich drei Premieren