Ostholstein: Segler aus Scharbeutz planen eine Weltreise

Die Karibik ist das erste große Ziel. „Unsere große Reise hat schon begonnen, zur Zeit liegen wir nur vor Anker“. So beschreibt Carola Conradt die Startphase der Weltreise, auf die sie und ihr Mann Jan Mohr sich aufmachen. Die 13 Meter lange Segelyacht liegt zur Zeit im Dock in der Bootswerft in Heiligenhafen. Für über 100 000 Euro wird das Boot umgebaut und aufgerüstet – mit Hightech zum Stromerzeugen, Gefrierschrank, Elektroherd, Automatiksteuerung und noch vielen weiteren technischen Erfindungen, die nützlich sein können auf hoher See. „Wir müssen dann nur Diesel und ab und zu ein paar Lebensmittel kaufen“, erklärt Jan Mohr, „grundsätzlich wollen wie autark leben.“ Das Segelboot mit dem Namen „King of Lions“ soll das neue Zuhause werden für das Paar aus Scharbeutz. Das allein würden schon viele, denen sie von ihren Reiseplänen erzählt haben, nicht verstehen, sagt Carola Conradt schmunzelnd. Haus verkauft, Wohnung wird gekündigt: Ihr Haus in Scharbeutz haben die beiden vor zwei Jahren verkauft und sind in eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung zur Miete eingezogen, um „ein Zusammenleben auf viel engerem Raum zu testen“, sagt Carola Conradt, „und auf dem Boot wird es noch ein bisschen enger.“ Auch dieser mentale Test gehöre bereits zu den Planungen. „Und wir haben festgestellt“, fügt Jan Mohr hinzu, „dass das alles sehr gut funktioniert.“ Die Wohnung ist gekündigt, in einem halben Jahr ziehen beide komplett aufs Boot. Die Meldeadresse wird dann in Hamburg bei Jan Mohrs Bruder sein für behördliche Post. „Ansonsten machen wir einen kompletten Schnitt“, sagt Carola Conradt, „wir lassen unser altes Leben ganz zurück.“ So weit, so gut. Auf der Homepage www.king-of-lions.com wollen Carola Conradt und Jan Mohr von ihren Erlebnissen bei ihrer Weltreise berichten ebenso wie in der vor wenigen Wochen gegründeten Facebookgruppe „Segeln Barfußroute“. Was aber noch viel mehr Menschen mit Blick auf die Reisepläne des Scharbeutzer Paares nicht nur nicht verstehen, sondern fast schon die Sprache verschlägt, ist das: Die Weltreise von Carola Conradt und Jan Mohr hat kein zeitliches Limit. „Diese Reise ist für immer, wir kommen nicht zurück“, erklärt Carola Conradt. Vor zwei Jahren haben beide beschlossen, jetzt mit 51 und 57 Jahren, das Berufsleben an den Nagel zu hängen „und uns unseren großen Traum zu erfüllen“, sagen beide. Dann kam die Corona-Pandemie und drohte kurzzeitig, die Reisepläne ins Wanken zu bringen. „Aber Corona hat uns letztendlich nur darin bestärkt, unseren Traum jetzt zu verwirklichen“, betont Jan Mohr. „Jetzt hätten wir entweder noch einmal richtig viel Geld investieren müssen in die Firma und für 10 bis 15 Jahre weiterarbeiten müssen“, erklärt Mohr, „oder sagen, jetzt ist Schluss. Das haben wir getan, weil wir unsere Nasen nicht weiter plattdrücken wollten am Schaufenster des Lebens, wir wollen jetzt leben.“ Firma vor ein paar Tagen verkauft: Zwar dauert es noch ein paar Monate, bis die Segeljacht ihr komplettes Upgrade hat. Und noch sind Carola Conradt und Jan Mohr, die einen erwachsenen Sohn haben, der selbst schon eine Familie gegründet hat, in ihrer Heimat Ostholstein. Doch den „Point of No-Return“ haben sie vor wenigen Tagen gerade überschritten mit dem Verkauf ihrer vier Sonnenstudios in Lübeck, Stockelsdorf und Scharbeutz. Sogar ihre Golfschläger hat Carola Conradt inzwischen schon verkauft. Zum Spielen habe sie keine Zeit mehr. Auch wenn beide mit dem Verkauf der Sonnenstudios ab sofort quasi Privatiers sind, „ist der Zeitplan für die Vorbereitungen bis zum Start so eng, dass wir bis dahin alle Hände voll zu tun haben“, sagt Carola Conradt, „wir hoffen, dass wir uns nicht mit dem Corona-Virus anstecken und zwischendurch noch zwei Wochen in Quarantäne müssen, denn so viel Luft hat unser Zeitplan nicht.“ Bis dahin wird sich die passionierte Seglerin und leidenschaftliche Köchin damit beschäftigen, wie man Sauerteig selbst herstellt und Sprossen züchtet – nicht als Zeitvertreib, sondern als Testlauf für das künftige Leben an Bord. Dort wird es neben einer üppig ausgestatteten Bordapotheke auch eine kleine Bibliothek geben mit Fachbüchern zu Bootstechnik und Segelrevieren in aller Welt. Wie man als Nichtmediziner im Notfall fachgerecht größere Wunden versorgt und gegebenenfalls auch näht, „dazu haben wir schon Lehrgänge besucht und das Nähen von Wunden an Schweinehälften geübt“, berichtet Jan Mohr. Wie ein Leben ohne Plastik aussehen kann, wie ein guter Haarschnitt ohne Friseur gelingt oder was auf dem Speiseplan steht, wenn außerplanmäßig die Vorräte knapp werden – all das sind Fragen, mit denen sich die beiden Weltenbummler aktuell beschäftigen. Drei Jahre Zeit für die Karibik: Am 1. April 2021 soll die „King of Lions“ in See stechen, aber zunächst nur zu einem mehrwöchigen Testtörn auf der Ostsee. Bevor es nach Übersee geht, wollen Carola Conradt und Jan Mohr die neue Hightech-Ausstattung an Bord testen. Falls irgendwas nicht rund läuft, soll auf der Bootswerft noch einmal nachjustiert werden. Im Sommer dann wollen die Ostholsteiner endgültig die Segel setzen Richtung Karibik – vielleicht mit einer Ehrenrunde zum Abschied vor Scharbeutz. Nach der Karibik steht die Südsee auf dem Plan. Doch wann sie da ankommen, wissen sie noch nicht. Vielleicht in drei Jahren, vielleicht erst in fünf. „Wir haben dann alle Zeit der Welt und bleiben so lange an einem Ort, wie es uns gefällt“, sagt Carola Conradt. Für die Karibik sind erst mal drei Jahre vorgesehen, sagt sie. „Wenn wir das jetzt nicht machen, wann dann?!“ Lesen Sie auch Stockelsdorf: Ehepaar mit Wohnwagen erhält Kündigung vom Campingplatz Startschuss für die Renaturierung der Schwartau Stockelsdorf trotzt mit „Kultur trotz Corona“ und hilft Künstlern Von Doreen Dankert