Pönitz: Hausfrauenbund löst sich nach 70 Jahren auf

Pönitz hat einen Verein weniger. Der Ortsverband Pönitz des Deutschen Hausfrauenbundes hat sich im 70. Jahr seines Bestehens zum 31. Dezember 2020 aufgelöst. Es fand sich niemand mehr für den Vorstand, und das Durchschnittsalter hatte sich auf weit über 70 Jahre erhöht. Damit ist ein Verein verschwunden, der einstmals so progressiv war, dass er viele junge Frauen anzog. Schriftführerin Gerda Petrich betreibt nun gemeinsam mit der bisherigen Vorsitzenden Hilde Strawe die Liquidation des Vereins. Zuvor hatten die verbliebenen Mitglieder schriftlich für die Auflösung gestimmt. Petrich ist es auch, die jetzt die alten Protokollbücher, Fotoalben und Unterlagen des Hausfrauenbunds sortiert und zunächst hütet. „Die Protokolle und Fotoalben kommen ins Museum für Regionalgeschichte. Alles andere bleibt zehn Jahre bei mir im Keller und wird dann vernichtet“, berichtet Petrich. Ein Verein für fast alle Frauen: Beim Blättern in Protokollen und Fotoalben kommt noch einmal die sehr muntere und das Leben in Pönitz bestimmende Geschichte des Hausfrauenbundes zum Vorschein. Gegründet 1951 fanden sich dort viele Frauen zusammen, die gemeinsam etwas unternehmen wollten. Die Bilder zeugen davon, wie rege sie waren. Da gab es Ausflüge etwa zu den Persil-Werken in Hamburg, zu Essig-Kühne in Lübeck oder zur Hansa-Meierei. Die Firmen luden die Damen gern ein. Denn damals, erzählt Petrich, war das eine der wenigen Möglichkeiten, Interesse für die eigenen Produkte zu wecken. Die heutige Werbeflut gab es noch gar nicht, Fernsehspots erst recht nicht. Die Mehrzahl der Frauen im Ort war Mitglied im Verein. Der war überall präsent. „Die Kaffeegärten mit den vielen selbst gebackenen Kuchen und Torten waren legendär. Man hörte Vorträge über Haushaltsführung, Ernährung, Kindererziehung, man wurde über Produkte und Entwicklungen informiert, machte mit dem Bus der Firma Härzer gemeinsame Tagesfahrten, Firmenbesichtigungen, Theater- und Konzertbesuche“, berichtet Gerda Petrich. Aus jungen Hausfrauen wurden Politikerinnen: In den 70er Jahren wurde der Hausfrauenbund Pönitz politisch. Gerda Petrich gründete den Club junger Hausfrauen, sozusagen die Jugendorganisation des Hausfrauenbundes, wie sie sagt. „Wir wollten berufstätig sein und saßen plötzlich mit unseren Kindern zuhause. Es gab ja so gut wie keine Kitas“, erklärt sie ihre Motivation. Folgerichtig gründete die Mütterinitiative, als die der Club junger Hausfrauen begonnen hatte, zunächst eine private Spielgruppe. Daraus entstand der private Kindergarten „Rappelkiste“ in der Pönitzer Bahnhofstraße. Lesen Sie auch Neue Oberstufe in Pönitz: So bereitet sich die GGS vor. Pönitzer Ausstellung über die Nachkriegsjahre in der Lübecker Bucht. Glückliches Ende in Eutin: Entlaufener Kater spaziert zur Polizei. Die Kindergarten-Bewegung machte Schule und wurde auch in anderen Orten sichtbar. Wie die Frauen aus Pönitz und Umgebung machte sich auch Bettina Hagedorn, die heutige SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzministerium im Kabinett von Angela Merkel, in Kasseedorf daran, eine Elterninitiative für Kindergärten ins Leben zu rufen. Das heutige CDU-Kreistagsmitglied Petra Kirner in Haffkrug folgte ebenfalls dem Beispiel. „Wir sind alle dadurch politisch geworden“, sagt Gerda Petrich. Angefeuert wurde diese Entwicklung noch durch das Buch „Lasst uns endlich mitregieren“ von Christa Randzio-Plath. Ein Verein überaltert immer mehr: Die jungen und aktiven Frauen zogen andere an. Der Hausfrauenbund Pönitz brachte es auf mehr als 70 Mitglieder. Doch irgendwann versäumten es die Frauen, neue Mitglieder zu werben und sich zu erneuern. 2019 betrug das Durchschnittsalter 77 Jahre. Damit war es immer schwerer geworden, Frauen für die Vorstandsarbeit zu gewinnen. Nach dem Wegzug der stellvertretenden Vorsitzenden Rita Kalis und der Absage der Vorsitzenden Hilde Strawe für eine weitere Amtszeit fand sich niemand, der den Vorsitz übernehmen wollte. Der Verein war nicht mehr geschäftsfähig und muss deshalb abgewickelt werden. Auch der Landesverband löst sich auf: Damit steht er nicht allein. Der Landesverband Schleswig-Holstein ist ebenfalls zum Ende des Jahres 2020 aufgelöst worden. Damit verlieren auch die Berliner Hausfrauenverbände ihren Landesverband. Weil es in Berlin bereits keinen mehr gibt, hatten sie sich dem Landesverband Schleswig-Holstein angeschlossen. Im Land existieren jetzt noch die Ortsverbände Schwarzenbek, Preetz, Plön, Geesthacht, Wahlstedt und Albersdorf. In Pönitz bleibt von dem Verein nichts weiter übrig als der Häkelbüdelklub im Museum. Der Hausfrauenbund hatte für diese lockeren Zusammenkünfte die Schirmherrschaft übernommen. Der Klub wird weiter existieren, wenn die Treffen zurzeit auch ausfallen. Wie es dazu kommen konnte, dass der Hausfrauenbund in Pönitz einfach verschwindet, weiß Gerda Petrich genau. Im Rückblick auf die großen Zeiten des Vereins sagt sie: „Und dann sind wir alle miteinander alt geworden.“ Von Susanne Peyronnet