Stockelsdorf: Bürgermeisterin will keine Steuererhöhungen

Bürgermeisterin Julia Samtleben blickt zurück auf das besondere Jahr 2020 und gibt einen Ausblick auf die Pläne für 2021. Wie würden Sie das Jahr 2020 beschreiben? Das war abwechslungsreich. Ich denke, keiner hat vor einem Jahr geahnt, wie sich das Jahr 2020 entwickeln wird. Anfang Februar war Corona das Thema in China, und da hat man hier gedacht, das ist weit weg. Die Familie meines Bruders kommt aus China, und was die da berichtet haben, das war schon Wahnsinn. Und trotzdem konnte man sich nicht vorstellen, dass es zwei Monate später hier bei uns auch so aussieht. Am 10. März habe ich noch den Bundespräsidenten getroffen bei einem Termin mit dem Netzwerk junger Bürgermeister*innen – und das war der letzte normale Tag in Deutschland. Dann saß ich im Zug zurück und hab den „Stern“ gelesen mit den Berichten aus Italien. Und am nächsten Tag haben wir hier in Stockelsdorf schon alles runtergefahren, alle Veranstaltungen abgesagt und für zwei Wochen lang das Rathaus erstmal nur mit der halben Besetzung ausgestattet, weil man überhaupt nicht wusste, ob man zwei, drei Wochen später hier bei uns die gleichen Todesfallzahlen hat wie in Norditalien. Aber wir haben das gut in den Griff gekriegt mit den Maßnahmen von Schließung der Schulen, Kitas, Homeoffice und so weiter. Es ist zwar gut gelaufen, aber es sind massive Einschränkungen. Wie ging und geht es Ihnen persönlich unter und mit diesen Einschränkungen? Also ich habe ab 10. März erstmal meine Eltern für acht Wochen nicht gesehen. Und wir sehen uns sonst ganz regelmäßig. Und so ging es ja ganz vielen Leuten. Und auch da wusste man noch nicht, wie sich das Jahr entwickelt. Man hat im März gedacht, man macht das mit den Einschränkungen für ein paar Wochen und dann ist das Virus und die Lage soweit unter Kontrolle. Über die Zeit gehe ich damit jetzt entspannter um. Aber es hat auch Auswirkungen auf meinen Beruf, denn es gibt in diesem Jahr sehr viel weniger Veranstaltungen, die auch Spaß machen, und die man Bürgermeisterin als Repräsentantin der Gemeinde besucht. Diese Veranstaltungen gab es einfach nicht. Zum Beispiel war 2020 nicht eine einzige Weihnachtsfeier. Was glauben Sie, wie das weitergeht? Ich denke, wir werden noch ein oder zwei Jahre mit Corona und den Einschränkungen leben. Ich denke, man kriegt auch keinen vernünftigen Fahrplan. Denn das, was nicht ausdrücklich verboten ist, das wird gemacht. Nur auf Eigenverantwortung zu setzen, das wird nicht reichen. Beim Thema Maske ja, aber beim Treffen mit anderen Leuten ist das schon schwierig. Fällt Ihnen selbst das auch schwer? Ja, natürlich. Ich bin 40 geworden im Sommer 2020 und ich habe eigentlich gar nicht gefeiert, weil ich mich gefragt habe, in welchem Rahmen man das überhaupt vernünftig machen kann. Es gibt auch bei mir viel weniger persönliche Kontakte. Ich habe mit Freunden schon Videokonferenzen gemacht. Meine beste Freundin zum Beispiel, die hat ihren Geburtstag online gefeiert: Wir haben eine Zoom-Konferenz gemacht und jeder hat vorm Computer auf sie angestoßen. Ist natürlich nicht das Gleiche wie ein richtiges Treffen. Und Sport, das ist auch ganz anders, das ging nur ganz eingeschränkt über das Jahr. Schlägt Ihnen das Leben mit den vielen Kontaktbeschränkungen manchmal auch aufs Gemüt? Nicht jeden Tag, aber es gibt schon solche Momente. Niemand weiß, wie sich alles künftig entwickelt. Wir haben jetzt den zweiten Lockdown bis zum 10. Januar. Aber ich glaube nicht, dass es am 10. Januar vorbei ist mit diesen Einschränkungen. Und ich glaube, Weihnachten wird noch mal eine Welle bringen, auch wenn wir vorher alle nicht einkaufen gehen. Welche Folgen hatte Corona bisher für die Gemeinde und welche Auswirkungen prognostizieren Sie? Wir sind da in 2020 als Gemeinde mit den wirtschaftlichen Folgen noch ganz gut davongekommen. Aber man weiß nicht, wie es weitergeht. Wir können ja leider nicht in die Glaskugel gucken. Unsere Einnahmen basieren hauptsächlich auf dem Anteil der Einkommenssteuerzuweisung. Und da hat man in den vergangenen Jahren gesehen, dass es uns hier ziemlich gut geht. Die Einnahmen sind immer größer geworden. Aber wenn das noch lange so geht mit den Corona-Maßnahmen, dann wird es anders, denn wir haben auch jetzt schon viele Stockelsdorfer, die in den besonders betroffenen Branchen – etwa dem Tourismus – arbeiten. Die aktuellen Prognosen deuten auf sinkende Einnahmen hin. Und man muss sehen, wie sich das mit den Insolvenzen entwickelt. Ist Ihnen da schon was bekannt? Ich weiß von ein, zwei kleineren Firmen, die schon den ersten Lockdown nicht geschafft haben. Es gibt im Moment eine Insolvenzsperre, aber das Geld für die staatliche Unterstützung wird nicht unendlich sein. Wie steht die Gemeinde finanziell Ende 2020 da – besser oder schlechter als erwartet? Ende 2020 werden wir wohl noch einen kleinen Überschuss haben. Für das 2021 haben wird ganz gute Konsolidierungsmaßnahmen beschlossen. Wir haben intensiv vorberaten und alle Fraktionen haben Sparvorschläge eingebracht. Für die kommenden Jahre zeigt der Trend in puncto Schuldenstand aber deutlich nach oben. Das ist seit Jahren so, weil es schwer ist, zu 100 Prozent zu planen. In der Haushaltsplanung sind immer gewisse Sicherheiten eingeplant, die wir in aller Regel nicht ausnutzen müssen. Was steht denn im nächsten Jahr an Investitionen an? Ein Riesenpaket ist der Digital-Pakt. Da gibt es zwar Zuschüsse, aber es bleiben erhebliche Beträge, die gemeindeseitig zu zahlen sind. Die Gemeinschaftsschule ist seit den Herbstferien mit WLan ausgestattet, die Verkabelung der Grundschulen kommt im Frühjahr, das ist nochmal ein großer Posten und die weitere Anschaffung von digitalen Endgeräten und Tafeln ebenfalls. Und das Thema Grundschulbetreuung wird in den nächsten Jahren auch ein großes Thema sein. Wir haben jetzt Container als Zwischenlösung, aber eine Architektin wird sich mit der Frage befassen: Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Auch da stehen erheblich Investitionen an. Der Feuerwehrbedarfsplan muss 2021 fortgeschrieben werden, Straßen müssen saniert und Fuß- und Radwege ausgebaut werden. Glauben Sie, dass das Thema Steuererhöhung in absehbarer Zeit ein Thema in Stockelsdorf sein wird? Bei den politischen Fraktionen herrscht einigermaßen Konsens, dass das Thema Steuererhöhungen nicht auf den Tisch kommt. Aber es gibt ja den Einnahmebeschaffungsgrundsatz, der besagt, dass wir Einnahmen erhöhen müssen, bevor wir Kredite aufnehmen. Wir müssen als Gemeinde letztlich gucken, dass wir das, was wir einnehmen können, auch einnehmen. Wir haben in Stockelsdorf relativ niedrige Hebesätze sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei der Grundsteuer B im Verhältnis zu anderen Kommunen. Da ist jetzt keine Anhebung geplant. Wie viel Geld wäre da zu holen? Wir haben das neulich tatsächlich mal ausgerechnet. Der Effekt war nicht so groß, wie man ihn sich erhofft hat. Also wenn man den Hebesatz um 20 Punkte hebt bei Gewerbe – und Grundsteuer A und B, dann wären es knapp 450 000 Euro Mehreinnahmen. Für mich ist das derzeit kein Option. Der Neujahrsempfang im Januar soll in den Sommer verschoben werden. Kann man den nicht auch wie ganz viele anderen Veranstaltungen komplett ausfallen lassen? Das ist noch gar nicht raus, ob er nicht auch komplett ausfällt. Wir können noch nicht wirklich sagen, wie es wirklich ist im Frühjahr und im Sommer. Es ist immer eine Gratwanderung, wir müssen immer sehen, wie Fallzahlen sich entwickeln und welchen Effekt die Impfungen haben werden. Ich habe da auch immer Gewissenskonflikte, denn einerseits will man die Wirtschaft unterstützen und sagen, „Komm’ wir gehen mal essen.“ Andererseits war es dann schon oft so, dass ich dachte: „Oh, das ist jetzt aber doch zu dicht.“ Wenn der Empfang nicht stattfindet, dann findet er eben nicht statt, dann ist es so. Die Situation muss sich erstmal erheblich beruhigen, bevor man an sowas denken kann. Mit welcher Botschaft machen Sie den Bürgern Mut, diesen Corona-Winter durchzuhalten und Hoffnung zu geben, dass es bald wieder besser wird? Für mich persönlich und – was ich sehe – auch für viele andere ist dieses Corona-Jahr eine gewissen Entschleunigung. Es sind weniger Veranstaltungen. Das ist einerseits schade, weil es Spaß macht, aber man hat andererseits auch weniger Stress. Die Menschen können sich viel mehr und besser auf die eigentliche Botschaft von Weihnachten berufen. Für diejenige, die ohnehin alleine sind, ist es natürlich hart. Aber auch hier sollte man altersunabhängig mit der modernen Technik auch Kontakte pflegen. Wir können nur versuchen, das Beste aus allem zu machen. Was anderes bleibt uns eigentlich nicht übrig. Haben Sie einen persönlichen Vorsatz für 2021? Ich habe mir vorgenommen, wieder mehr zu laufen. Ich will 2000 Kilometer laufen im nächsten Jahr. Das klingt ambitioniert. Wie viele Kilometer waren es 2020? Vielleicht 700. Von Doreen Dankert