Corona: Ein Altenheim in Lübeck zwischen Sorgen und Zuversicht

Seit Wochen gibt es in der Seniorenresidenz Mühlentor striktes Besuchsverbot. So wie in allen Alten- und Pflegeheimen in der Corona-Krise. Trotzdem mussten aufgrund von nachgewiesenen Infektionen schon ganze Einrichtungen unter Quarantäne gestellt werden. Doch was bedeutet das Besuchsverbot für den Alltag in den Einrichtungen? Ein kontaktfreier Besuch in der Seniorenresidenz Mühlentor. Covid-19: Gespräche und Geselligkeit sind rar: Alles, was Hannelore Malinowski (82) liebt, ist seit Wochen rar: Gespräche, Geselligkeit und der Kontakt zu ihrer Familie. In ihrem Zimmer in der Seniorenresidenz Mühlentor sitzt sie neben ihrer großen Handpuppe, lächelt und sagt: „Die habe ich Ostern von meiner Tochter bekommen, damit ich nicht so alleine bin.“ So verbringt sie ihre Vormittage mit der Therapiepuppe vor dem Fernseher. Ständiges Desinfizieren ist im Haus Pflicht: In der Einrichtung leben 55 Bewohner im Alter von 57 bis 101 Jahren. Die Betreuungsfachkräfte und das Pflegepersonal geben sich die größte Mühe, um für die Menschen da zu sein. Und das angesichts der vielen Regeln und Maßnahmen, die jetzt einzuhalten sind. „Keine Gruppenaktivitäten, Abstandsregeln im ganzen Haus, die Bewohner sollen möglichst in ihren Stockwerken bleiben und ständig müssen wir alles desinfizieren“, sagt Betreuungsfachkraft Suzan Warnke-Fischer (53). Weniger Menschen, mehr Abstand in den Speisesälen: Weil in den drei Speisesälen nur noch mit zwei Metern Abstand gegessen werden darf, musste umgeräumt und alles neu organisiert werden. Alle, die Unterstützung beim Essen benötigen, werden noch in den Sälen versorgt. Die anderen Bewohner essen alleine in ihren Zimmern. Da Hannelore Malinowski eine beginnende Alzheimer-Erkrankung hat, sitzt sie mit im Speisesaal. Aber auch hier ist die Isolation spürbar. Auf die Distanz sind Gespräche für die alten Menschen schwierig, Berührungen untereinander unmöglich. Das Singen und Basteln in Gruppen muss ausfallen: Suzan Warnke-Fischer lässt sich nicht entmutigen. „Es ist sehr traurig, dass wir von der Sozialbetreuung jetzt nicht mehr mit den Senioren in Gruppen singen, basteln oder backen können“, sagt sie im Garten, „aber wir versuchen ganz viel Einzelbetreuung zu leisten.“ Dazu gehört auch, einzelne Bewohner ins Außengelände zu bringen. Nach Anmeldung ist dort sogar Besuch möglich – mit Abstand. So kann Ines Malinowski (52) an diesem Tag sogar kurz ihre Mutter sehen. „Als Angehörige fühlt man sich in dieser Krise wie auf einem Pulverfass“, sagt sie. Zwei Meter Abstand sind Minimum: Außerdem liest Hannelore Malinowski Fachkraft Warnke-Fischer jeden Tag aus der Zeitung vor. „Das schafft nicht nur Nähe, sondern auch ein Bewusstsein dafür, worauf die Senioren selber achten müssen“, sagt die 53-Jährige. In diesem Sinne ermahnt das Personal die Bewohner auch täglich, nicht einkaufen zu gehen und keine Kontakte nach außen zu haben. Das Besuchsverbot in Alten- und Pflegeheimen gilt selbstverständlich auch für Journalisten. Daher ist Betreuungsfachkraft Suzan Warnke-Fischer (53) für die LN durch die Seniorenresidenz Mühlentor gegangen. Sie hat mit dem iPhone gefilmt und fotografiert und so einen Eindruck aus dem Haus vermittelt. Dabei hat sie viel Geduld bewiesen. Denn mehr als einmal haben wir sie zum Nachfotografieren oder Nachfragen wieder in Speisesäle, Zimmer oder Aufenthaltsräume zurückgeschickt. Vielen Dank! Die LN-Fotos im Garten sind natürlich auch mit ausreichendem Sicherheitsabstand entstanden. „Wir sind ja keine geschlossene Einrichtung“, sagt Warnke-Fischer, „wir wollen und dürfen unsere Senioren nicht einsperren. Wir müssen auf Einsicht setzen.“ Die meisten Bewohner gehen ohnehin nicht alleine raus. Sie haben normalerweise Spaziergänge mit ihren Angehörigen gemacht. In Corona-Zeiten übernimmt auch dies das Personal, das in Zeiten der Pandemie nicht mehr geworden ist. Lange können die Teams die Belastung nicht tragen: Das zusätzliche Arbeitsaufkommen wird so gestemmt, indem die Teams von Betreuung und Pflege viel mehr Hand in Hand arbeiten. „Das klappt sehr gut“, sagt Pflegefachkraft-Azubi Marcel Bengsch, „aber lange kann man so eine Arbeitsbelastung nicht tragen.“ Das gelte ja für alle Bereiche im Haus, ergänzt Kollegin Vivian Roscher (23). „Ins Dienstzimmer dürfen wir für Besprechungen nur noch zu zweit, am Eingang müssen sich alle Lieferanten, Mediziner oder Handwerker in Listen eintragen und vieles mehr.“ Beim Spaziergang fließen Tränen: Doch das Schwierigste sind nicht die Regeln und Vorgaben. „Das Schwierigste ist, den alten Menschen die Familien zu ersetzen“, sagt Bengsch, „das können wir nicht.“ Und wird die Not zu groß, entscheidet Warnke-Fischer auch mal spontan: „Wenn beim Spaziergang plötzlich die Tränen fließen, dann nehme ich die alten Leute auch mal in den Arm. Dann muss das sein.“ Lesen Sie auch: Besuchsverbot in Altenheimen Nach Corona-Fällen in Rümpel Frühlingspost macht Senioren glücklich Kirmesorgel erfreut Senioren Zum Schutz vor Corona: Altenpfleger in St. Jürgen gehen freiwillig in Quarantäne Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Weitere Lockerungen: Schleswig-Holstein öffnet Tierparks und Einkaufscenter Diese Großveranstaltungen fallen im Norden aus So fährt Schleswig-Holstein ab 4. 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