175 Jahre Lauenburgische Gelehrtenschule in Ratzeburg

Blickt man ganz auf die Anfänge der Lauenburgischen Gelehrtenschule zurück, muss man eine mittlerweile 860-jährige Geschichte konstatieren. Damit wäre die Ratzeburger eine der ältesten Schulen im deutschsprachigen Raum – und rangiert im Internet-Lexikon Wikipedia dabei an 20. Stelle. Sie wurde um 1160 im Benediktinerkloster auf dem St. Georgsberg gegründet, siedelte um 1220 nach dem Bau des Doms auf die Ratzeburger Insel über. In der Domschule wurden sieben Jahrhunderte lang junge Kleriker und Söhne vornehmer Familien unterrichtet: in den sieben „freien Künsten“ Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik sowie in den Fächern der „niederen Ausbildung“ Lesen, Schreiben, Rechnen, Gesang und Religion. Keine Schule für „Ausländer“: 1701 wurde das Fürstentum Ratzeburg Bestandteil des neu gegründeten Herzogtums Mecklenburg-Strelitz. Damals begann der Kampf um den Fortbestand der Domschule. Denn die neuen Landesherren im Osten fanden es unpraktisch, an der Landesgrenze eine Schule zu unterhalten, in der weniger die eigenen Landeskinder als vielmehr „Ausländer“, also Lauenburger, Ratzeburger, unterrichtet wurden. Großherzog Georg beendete das Ringen und löste die Domschule am 27. September 1845 auf. Damit wollten sich 134 angesehene Bürger Ratzeburgs nicht abfinden und richteten eine Petition an den dänischen König Christian VIII., der damals Landesherr von Schleswig-Holstein und zugleich Herzog von Lauenburg war. Sie baten um eine Neugründung einer Schule auf Ratzeburger Stadtgebiet. Christian genehmigte dies – auch auf Fürsprache des Hauptpastors an St. Petri (Ratzeburg) und gleichzeitig Superintendent der Landeskirche, Carl Friedrich Wilhelm Catenhusen – und übernahm einen Großteil der Kosten in Höhe von 15 000 Talern (die Stadt Ratzeburg musste nur 2000 beisteuern) für den Neubau an der nördlichen Demolierung. Es handelt sich heute um das prägnant gelb angestrichene Rathaus-Gebäude. „Gelehrtenschule“ wegen alter Sprachen: Der Name „Lauenburgische Gelehrtenschule“ hört sich vielleicht etwas hochtrabend an. Allerdings lag es an den Inhalten, die damals an der Schule vermittelt wurden. Tatsächlich wurden hier Geistliche für die Kirche und Gelehrte für die Juristerei, also für Verwaltungsaufgaben, ausgebildet. Wäre das Herzogtum Lauenburg im 19. Jahrhundert länger bei Dänemark geblieben, hätte die Gelehrtenschule möglicherweise in Anlehnung an den damaligen Dänen-König „Christianeum“ geheißen. Auch eine Umbenennung in „Gymnasium“ stand zur Debatte. Doch aufgrund der Ausrichtung des Unterrichtes auf die alten Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch behielt man die Bezeichnung „Gelehrtenschule“ bei (auch in Kiel gibt es noch eine „Gelehrtenschule“). Geplant ist der Festakt zum 175. Jubiläum schon seit einem Jahr. Ursprünglich war eine ganze Jubiläumswoche vorgesehen: als Auftakt der Festakt am Dienstag, 20. Oktober, danach drei Projekttage, um auch die Schüler ins Jubiläum einzubinden. Den Abschluss sollte ein Festball bilden, an dem ehemalige Schüler und Lehrende sowie Eltern und Schüler der jetzigen Oberstufe hätten teilnehmen können. Wegen Corona werden laut Organisator Michael Grützner am Dienstag nur 60 Gäste an der Feier in der Schul-Aula teilnehmen können: je zehn Eltern, Lehrer und Schüler, darüber hinaus Vertreter der Stadt (Bürgermeister), des Kreises (Landrat Mager, Kreistagspräsident Füllner) und des Ehemaligenvereins. Die Festrede hält der ehemalige Geschichts- und Deutschlehrer an der LG, Bruno Geßner-Tonner. Während des Naziregimes – 1937 erfolgte eine nationalsozialistische Schulreform – wurde der Name bis 1945 in „Lauenburgische Landesschule“ umgeändert. Das wurde aber nach dem Krieg am 20. Februar 1946 rückgängig gemacht. Übrigens ergab eine interne Projektarbeit unter Wolfgang Meyer-Borghardt, dass die LG keineswegs von den Nazis vollständig infiltriert oder übernommen wurde. Man sei zwar in den Ansichten recht deutsch-national-konservativ gewesen, erklärt auch Festredner und Historiker Bruno Geßner-Tonner. Doch habe es sich bei der LG eher um eine Schule „im“ und nicht „des“ Nationalsozialismus“ gehandelt. Um zum Schluss auf den Anfang zurückzukommen, sei hier erwähnt: Erster Direktor der Lauenburgischen Gelehrtenschule wurde Professor Christian Ludwig Enoch Zander, der zuvor bereits 16 Jahre lang an der Domschule unterrichtet hatte. Er brachte seine wertvolle, 8000 Bände umfassende Privatbibliothek mit ein, die den Grundstock der heutigen „Zander-Bibliothek“ der Schule bildet. Lesen Sie auch Feierliche Entlassfeier der Ratzeburger Abiturienten an der LG Schülersprecherin Lina Hansen mit Preis ausgezeichnet Lauenburgische Gelehrtenschule in Ratzeburg ist jetzt „Schule ohne Rassismus“ Von Joachim Strunk