75 Prozent Zustimmung: Schwarzenbeks neuer Bürgermeister demütig

Fast ein wenig ungläubig schaut Norbert Lütjens auf die Leinwand im Festsaal des Rathauses. Und mit jedem Ergebnis, das aus den Wahllokalen angezeigt wird, wird weicht die Nervosität augenscheinlich einem Glücksgefühl. Die Last einer monatelangen, vielleicht auch jahrelangen Anspannung scheint von dem 50-Jährigen abzufallen. Am Ende entfallen fast 75 Prozent der Stimmen auf den ehemals städtischen Jugendpfleger. „Ich bin sehr demütig. Mit so einem deutlichen Ergebnis hätte ich nie gerechnet“, sagt Lütjens. Gemeinsam mit seiner Frau Nadine und seinen zwei Töchtern und seinem Sohn ist er im Festsaal. Alle vier haben ihren Vater und Ehemann in den vergangenen Monaten kaum gesehen. Ursprünglich für den Mai angesetzt, sorgte die Corona-Pandemie für eine Verschiebung der Wahl und damit für einen unerwartet langen Wahlkampf. „Der Wahlkampf hat funktioniert“, sagt Lütjens, der in den vergangenen Monaten nach eigenen Angaben an etwa 4000 Haustüren in Schwarzenbek geklingelt und dabei etwa 3000 persönliche Gespräche geführt hat. „Ich habe nichts versprochen, was ich nicht auch einhalten kann. Mein Ziel war immer, realistisch zu bleiben“, sagt Lütjens. Er habe nicht für sich „getrommelt“, sondern sei immer über die Themen mit den Bürgern ins Gespräch gekommen. Lütjens: „Habe nicht nach dem Mund geredet“: „Natürlich bin ich in diesen Gesprächen von einigen auch manchmal richtig gegrillt worden“, sagt Lütjens später. Aber er habe den Bürger nicht nach dem Mund geredet, auch wenn man ihm das manchmal geraten habe. „Ich habe bei den Themen meinen Standpunkt erklärt und argumentiert“, so Lütjens. Dass er angetreten sei, sei eine gemeinsame Entscheidung der ganzen Familie gewesen. Bei einem Spaziergang am Strand in Dänemark hätten sie das besprochen. „Ich freue mich einfach für meinen Mann, dass es geklappt hat“, sagt Nadine Lütjens mit einem stolzen Blick auf den Wahlsieger. Unterstützung von kleinem Wahlkampfteam: Lütjens selbst war offiziell von keiner Partei unterstützt worden. Er habe ein kleines Wahlkampfteam um sich gehabt, das er zu jeder Zeit habe anrufen und etwas besprechen können. Hinzu kam eine Vielzahl von Helfern. Und so zieht sich Lütjens, nachdem sich der Festsaal im Rathaus langsam gelichtet hat, mit einem Kreis, darunter Schwarzenbeks ehemaliger büroleitender Beamter und jetziger Reinbeker Bürgermeister Björn Warmer und der Dassendorfer Kommunalpolitiker und ehemalige Kreistagsabgeordnete Lennard Fey, zum Luftholen auf die Außentreppe des Rathaus-Festsaales zurück. Rund zwei Monate bleiben ihm und der scheidenden Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig nun, um die Übergabe zu regeln. Unter anderem benötigt die Stadt mit dem Wechsel von Verwaltungsmitarbeiter Lütjens nun einen neuen stellvertretenden Fachbereichsleiter für den Bereich Schule, Sport und Jugend. Gegenkandidat Schirmacher will über seine politische Zukunft entscheiden: Und auf Lütjens warten gerade in der Zusammenarbeit mit der Politik in Schwarzenbek große Herausforderungen. Allerdings weiß Lütjens auch das Vertrauen von fast drei Viertel der Schwarzenbeker Wähler hinter sich. „Wir müssen ihm jetzt auch wirklich eine Chance geben, zumindest einige seiner Ideen kurzfristig umzusetzen“, sagt Stadtverordneter Bernhard Böttel (FWS) mit Verweis auf den Vertrauensvorschuss der Schwarzenbeker. Das Thema von Lütjens Masterarbeit in seinem Masterstudium Public Administration war übrigens „Veränderung der Organisationskultur in der Öffentlichen Verwaltung: Von der kommunalen Erfüllungsbehörde zum modernen Dienstleister“. Völlig offen scheint hingegen die politische Zukunft von Lütjens Gegenkandidat und Bürgervorsteher Matthias Schirmacher von den Grünen zu sein. Schirmacher zeigte sich am Wahlabend von dem Ergebnis tief enttäuscht, verwies darauf, dass eine Bürgermeisterwahl auch eine Personenwahl sei und kündigte für die nächsten Tage eine Erklärung an. Lesen Sie auch Erdrutschsieg für Lütjens bei Bürgermeisterwahl in Schwarzenbek Vorstellungs-Talk der Kandidaten in Schwarzenbek ohne zündende Ideen Von Holger Marohn