Corona: Tafeln im Kreis Herzogtum Lauenburg arbeiten am Limit

Bevor es um 10 Uhr losgeht mit der Lebensmittelausgabe der Tafel, hält Manfred Fichte noch eine Ansprache an seine Helfer: „Denkt dran“, sagt er im ehemaligen Café des Ratzeburger Hallenbades Aqua Siwa, „die Leute müssen Abstand einhalten, die grünen Körbe vor den Tischen dienen dazu und nicht als Ablageflächen für ihre Tüten. Holt euch was zu trinken, macht zwischendurch ’ne Pause – und vergesst nicht, eine Parkscheibe ins Auto zu legen. Die Ratzeburger Politessen kontrollieren streng!“ Fichte organisiert gemeinsam mit Heidrun Thuns und Hans-Jürgen Plath die Abläufe der Ratzeburger Tafel. Deren Arbeit – und damit die von 30 Ehrenamtlern – ist angesichts des Teil-Lockdowns noch schwieriger geworden. Zur Sorge um ausreichend Nachschub an Lebensmitteln und Hygieneartikeln für bedürftige Menschen ist diejenige um die eigene Gesundheit und Sicherheit sowie die der Kunden angesichts von Corona gekommen. In Ratzeburg hat sich schon ein Viertel der älteren Helferschaft vorsichtshalber abgemeldet. Miteinander verschweißte Teams: Aber dank einiger jüngerer Freiwilliger wie etwa Gustav, Victor oder Julia läuft alles noch rund. Das Team ist – wie übrigens jedes in den Tafelstandorten im Kreis: in Mölln, Lauenburg oder Schwarzenbek – fest miteinander verschweißt, die Abläufe sind nahezu perfektioniert, alle können sich aufeinander verlassen. Notwendigerweise, denn die Arbeit ist im zweiten (Teil-)Lockdown nicht leichter geworden. „Wir profitieren schon von den Erfahrungen aus dem Frühjahr“, sagt Kathrin Schlie, Geschäftsführerin der Möllner Tafel. Auch die Kunden hätten dazugelernt. Gab es damals noch Nörgeleien, warum bestimmte Produkte nicht mehr im Angebot waren, habe sich das geändert. „Die Leute haben jetzt verstanden, dass wir selbst nicht bei Händlern oder Produzenten ordern können, sondern darauf angewiesen sind, was diese für uns übrig haben. Das ist gewissermaßen ein ,on top’-Angebot für unsere Kunden!“ Parcours-Premiere in Ratzeburg: Auch anderes hat sich geändert. So habe man bei der Ausgabe vollständig umstellen müssen, sagt Hans-Jürgen Plath von der Ratzeburger Tafel. Drängelten sich vor einem Jahr noch die Leute dicht vor den Ausgabeständen, müssen sie nun vor dem Hallenbad im Freien ausharren, bis sie in Fünfergruppen eingelassen würden. Dort hat Plath mittels Flatterband einen Gang installiert, wie man ihn vom Flughafen kennt. Als alle etwa 50 Tafel-Berechtigten am Freitagmittag gut versorgt von dannen gezogen sind, zieht er Bilanz: „Das war heute unsere Premiere mit diesem Parcours. Es hat gut geklappt!“ Mölln setzt auf vorgepackte Waren: Nach Aufruf ihrer jeweiligen Nummer kommen die Kunden herein, desinfizieren ihre Hände, weisen sich bei Heidrun Thuns, die hinter einer Glaswand sitzt, aus und entrichten ihren Obolus von zwei Euro. Dann geht es auf Rundtour vorbei an den Ständen mit Obst und Gemüse, Brot und Gebäck, Molkereiprodukten, „Tante-Emma-Artikeln“ wie Dosen, Tüten, Kaffee, Tee, Nudeln oder Naschkram bis zur Tiefkühlausgabe (Speiseeis, Pizza oder Ähnlichem). „Bislang hatten wir auch immer einen Parcours“, sagt Kathrin Schlie im Gemeindezentrum der evangelischen Kirche in der Gadebuscher Straße in Mölln. Doch mit Beginn des Teil-Lockdowns hat ihr Team umgestellt auf die Ausgabe vorgepackter Kartons. Je nach Größe des Haushalts, religiösem Hintergrund oder einfach auch besonderen Wünschen würden diese Kartons individuell ergänzt. „Das hat bisher gut geklappt“, so Schlie. Ein großer Andrang ist nicht festzustellen. „Das war bezweckt, wir wollten eine zügige Bedienung, sodass sich die Leute nicht unnötig lange aufhalten.“ Lauenburg hat Team verkleinert: Die Lauenburger Tafel muss im November noch drastischere Maßnahmen ergreifen: „Aufgrund der aktuell angespannten Lage ist es notwendig, mit einem verkleinerten Team die Tafelausgabe zu gestalten, um die Hygienebestimmungen einzuhalten“, sagt Bärbel Zeitz. „Wir können Obst, Gemüse und Backwaren nicht mehr sortieren. Bei uns werden nur noch verpackte Waren ausgegeben.“ Dafür verzichte man vorerst auf die Zuzahlung der üblichen zwei Euro. „Da zurzeit wenig Waren bei uns ankommen, sehen wir uns sogar gezwungen, Lebensmittel zuzukaufen. Das gelingt uns dank finanzieller Unterstützung durch den Kreis. Unsere Helfer geben Lebensmitteltüten durch eine geöffnete Tür heraus, um die Infektionsgefahr so gering wie möglich zu halten.“ Wer sich neu bei den Tafeln anmelden möchte, kann dies in der Regel eine halbe Stunde vor den üblichen Ausgabeterminen, meist dienstags und freitags ab 10 oder 11 Uhr, tun und bringt Nachweise über seine Einkünfte mit zur Anmeldung. Manfred Fichte appelliert besonders an ältere Mitbürger: „Es gibt zu oft unnötige Scham, zur Tafel zu kommen. Das ist falscher Stolz. Wir freuen uns, diesen Leuten zu helfen.“ Lesen Sie auch: Oldesloer Tafel sucht Freiwillige und braucht Spenden Lauenburg - Vom Pastor zum Tafelkunden – Altersarmut kann jeden treffen – LN - Lübecker Nachrichten Lauenburg - Möllner Tafel nimmt wieder Kunden auf – LN - Lübecker Nachrichten Von Joachim Strunk