DRK zu Coronavirus: Panik und Hysterie sind schlechte Ratgeber“

Am Röpersberg in Ratzeburg schlägt das Herz der Medizin im Lauenburgischen. Das DRK und auch die Ameos-Gruppe bedienen unterschiedliche Patienten. So viele Rehazentren, Pflegeheime und Kliniken findet man im Nordkreis sonst nirgendwo anders in dieser Fülle. Wer am Vormittag über den Hinterhof des optisch alles überragenden DRK-Krankenhauses mit dem roten Kreuz geht, merkt eigentlich wenig davon, dass Medizin und Rettungswesen sich in der Vorbereitung auf eine nie da gewesene Situation befinden. Denn noch ist die Situation dort nicht kritisch. Pflegepersonal in hellblauer Kleidung verbringt auf dem Hof die erste Verschnaufpause des Tages oder den Feierabend unter freiem Himmel. Die Stimmung wirkt zumindest gelassen und nicht hektisch. Doch die Profis wissen: Die Versorgung von Menschen, die eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus schlechter überstehen als der Großteil der Bevölkerung, wird eine Herausforderung. Hunderte Profis und Ehrenamtler des Deutschen Roten Kreuzes im Lauenburgischen haben jetzt den wohl wichtigsten Job. Doch sie können Menschen nur helfen, wenn alle sich mit Anstand ihren Mitmenschen gegenüber verhalten. Hysterie und Panik sind unangebracht. Deshalb müssen Notrufe und Klinikbesuche mit Sorgfalt behandelt werden. Leider ist es immer wieder anders. 2017/2018 meisterten Kliniken eine Influenza-Epidemie: „Hysterie und Panik sind nie gute Ratgeber“, erklärt Dr. med. Gregor Naths, Lungenfacharzt, Experte für Hygiene und Oberarzt in der inneren Abteilung des DRK-Krankenhauses in Ratzeburg. Der ehrenamtliche DRK-Kreisverbandsarzt erklärt, es sei im Augenblick eine Herausforderung, aus einer Vielzahl von Atemwegsinfekten, die in dieser Jahreszeit zu erwarten ist, diejenigen Menschen herauszufiltern, die womöglich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sind. Die Influenza sei im Augenblick nur eine Krankheit davon. „Ich erinnere daran, dass wir es von 2017 auf 2018 mit einer erheblichen Influenza-Epidemie zu tun hatten“, sagt Naths. Auch damals seien die Kliniken und Rettungsdienste an ihre Grenzen gekommen. Dass das „Covid“ keine spezifischen Symptome habe, die es von anderen Atemwegsinfekten unterscheide, sei problematisch. Wie Patienten angemessen reagieren: Aber wie reagiert denn ein Bürger angemessen darauf, wenn er Husten oder Schnupfen, Fieber oder andere klassische Symptome einer Erkältung oder eines grippalen Infektes feststellt? „Wenn es jemandem dabei nicht wirklich schlecht geht und er nur wissen will, ob er mit dem Coronavirus infiziert ist, soll er nicht in die Klinik kommen“, sagt Naths. Die Krankenhäuser seien nicht dafür da, grippale Infekte – Husten, Schnupfen, Heiserkeit – zu behandeln. Vielmehr sollen sie schwerstkranke Patienten bestmöglich behandeln können. „Und das gilt eigentlich zu allen Zeiten, nicht nur in einer Lage wie dieser“, sagt Naths mit Nachdruck. Er weiß aus Erfahrung: Auch wenn man bereits jetzt so viele Kapazitäten wie möglich in Form von Krankenbetten auch außerhalb der Kliniken schafft – es kommt letztlich darauf an, dass die Menschen möglichst nicht geballt mit schweren Symptomen auf die lauenburgischen Medizinprofis zukommen. Deshalb gilt es, Krankenhausbetten und medizinisches Personal nicht mit der Betreuung von Menschen zu blockieren, die nur unter einer Erkältung leiden. Situation nicht kleinreden: Der Lungenfacharzt will die aktuelle Situation auf keinen Fall kleinreden. „Wir wissen nicht, was kommt. Aber wir kennen die schlimmen Ereignisse aus Italien, wo die Lage aus dem Ruder gelaufen ist“, sagt Naths. Man rechne mit stationären Covid-Patienten und auch mit schweren Verläufen. Und dafür liefen die Vorbereitungen. Und wie fühlt sich das Personal damit? „Es ist ein gespanntes Abwarten. Durch die einschneidenden Maßnahmen und die Vorbereitungen, die auch greifen, hoffen wir auf eine abgeflachte Epidemiewelle.“ Doch niemand könne sich sicher sein. „Wenn nun Menschen zusammensitzen und Corona-Partys feiern, kann jedes Krankenhaus schnell an seine Grenzen geraten“, sagt Naths. Situationen, in denen sich Patienten nicht angemessen verhalten: Gibt es Situationen, in denen sich Patienten nicht angemessen verhalten? Naths berichtet, dass ein Patient sich ohne Symptome und ohne Aufenthalt in einem Risikogebiet eine Stunde und 45 Minuten in die kassenärztliche Anlaufpraxis gesetzt und darauf bestanden habe, sich auf den Covid-Erreger testen zu lassen. „Das geht so nicht“, sagt Naths entschieden. Und Peter Timmermanns, DRK-Kreisgeschäftsführer, weist auf Erlebnisse im Rettungsdienst hin, die sich so im Augenblick abspielen. Ein Bürger verständigt den Notruf, und als die RTW-Besatzung ankommt, findet sie einen offensichtlich gleichzeitig an einem Infekt erkrankten Verletzten vor, der fiebrig aussieht. Taschentücher, Fieberthermometer und Medikamente liegen im Wohnzimmer griffbereit. Die Mitarbeiter kommen zu einem vermeintlich „normalen“ Notfall, doch werden gefährdet, weil sie sich nicht mit entsprechender Schutzausrüstung (im Hinblick auf die Infektionen mit dem Coronavirus) ausgerüstet sind. „Das gefährdet unnötig unser Personal, das wir im Augenblick dringend brauchen“, sagt Timmermanns. Behördenempfehlungen einhalten und gelassen bleiben: Der Geschäftsführer und ärztliche Direktor des DRK-Krankenhauses Andreas Schmid, der Tirol sehr gut kennt, hat Timmermanns ebenfalls seine Einschätzungen übermittelt. Die Rahmenbedingungen seien hierzulande ganz andere als in Italien. Deutschland habe höhere medizinische Kapazitäten als Italien. „Das System wird in Deutschland zumindest nicht so schnell zusammenbrechen, weil wir fünfmal höhere Kapazitäten bei den Beatmungsgeräten haben“, erklärt Timmermanns. Trotz der aktuell guten und hohen Kapazitätslage in der Region würden derzeit die Beatmungskapazitäten weiter ausgebaut. Auch das Labornetzwerk hierzulande sei wesentlich dichter. Dadurch sei die Faktenlage viel besser als in anderen Ländern und damit könnten auch die zu planenden Maßnahmen besser eingeschätzt werden. „Etwa in den USA sind die Zahlen, die uns bekannt werden, eher nur Schätzwerte, weil dort bislang viel weniger getestet wurde“, erklärt Timmermanns. „Aktuell haben wir keine angespannte Intensivlage“, sagt Dr. Naths abschließend. Man profitiere davon, dass nicht dringend notwendige Operationen und Behandlungen auf Anraten der Behörden vorerst verschoben worden sind. Das Motto sollte im Augenblick also lauten: Sich an die Verhaltensregeln von Behörden und Medizinern halten, aber ansonsten möglichst gelassen bleiben. 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