Die Lange Nacht des Friedhofs in Mölln

Des Nachts auf den Friedhof? Das überlegt sich mancher zweimal. Und doch zog „Die Lange Nacht des Friedhofs“, zu der die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Mölln am Freitag eingeladen hatte, wieder Hunderte kulturinteressierte Besucher auf den Alten Friedhof an der Hindenburgstraße. „Um die 500“, schätzt Pastorin Hilke Lage, haben im Laufe des Abends den Friedhof besucht. Das sind rund doppelt so viele wie beim letzten Mal. „Auch wenn die Lange Nacht nur alle drei Jahre stattfindet, der Friedhof und das Programm finden immer mehr Freunde“, freut sich die Initiatorin. Der Auftakt mit Posaunenchor erschallt noch im Abendlicht. Dann senkt sich allmählich die Nacht über den Friedhof, der mit seinen hohen Bäumen eine heimelige Atmosphäre ausstrahlt. Dazu tragen auch die vielen Kerzen bei, die die Wege zu den acht Stationen säumen, an denen zu festen Zeiten das Programm stattfindet. Jeweils 10 bis 15 Minuten dauern die Vorführungen, vom kleinen Vortrag über historische Begräbnisrituale, Lesungen, Musikeinlagen von Liedermachern, Ensembles, Chören, auch zum Mitsingen, bis zu Kurzfilmen und Theaterszenen. Und immer geht es um Leben und Tod, oder etwas weniger prosaisch, „um die Verbindung von Endlichkeit und Ewigkeit“, wie es in der Begrüßung heißt. Das Tabu Tod aufbrechen: Der Umgang damit fällt vielen schwer. Ute und Heike aber nicht, denn der Tod gehört zu ihrem Berufsalltag. Die beiden sind Kolleginnen in der Betreuung einer Möllner Seniorenwohnanlage. Dort ist das Thema allgegenwärtig und damit auch die eigene Vergänglichkeit. „Wo stehe ich, wo geht es für mich hin?“ Für Heike waren diese Gedanken ein Anstoß, das erste Mal zur Langen Nacht zu kommen. „In meiner Familie war der Tod ein Tabu“, berichtet Ute. „Das lag auch an den Kriegsereignissen, die meine Eltern noch erlebt haben. Ich bin auch in der Hospizarbeit tätig und habe mich dadurch dem Thema öffnen können.“ „Die Menschen fürchten das Sterben, aber nicht den Tod“, ist Heike überzeugt. Weil wir wissen, dass er unentrinnbar ist, schafft dieser Abend eine stille Verbindung unter den Besuchern. Der Friedhof wird zu einem Ort des Friedens und der Begegnung. „Mancher nimmt ein Glas Wein, steigt für einige Zeit aus dem Programm aus und geht zum Grab seiner Lieben“, beschreibt Pastorin Lage später, wie entspannt das heiter-nachdenkliche Angebot erlebt wird. Auch Lachen bringt Trost: Wie unsere Vorfahren damit umgingen, darüber erstattete Stadtarchivar Christian Lopau einen launigen Bericht über die Rituale in früheren Zeiten. Der Schrecken des Todes weicht anrührender Frömmigkeit, etwa am Beispiel der Brautkrone, die das Grab von jungen Unverheirateten schmückte, um ihnen im Tod zu gewähren, was das Leben versagt hatte. Andererseits wurde gerade im Angesicht des Todes hemmungslos geprasst, bis die Obrigkeit dem einen Riegel vorschob. Die aus Sandesneben überlieferten vier Leistungsklassen der Beerdigungen – von der einfachen Leiche bis zur freien Rede des Pastors am Grab – brachte ein Lächeln auf die Gesichter der Zuhörer. Und auch befreites Lachen ist zu hören, etwa aus der Kapelle, wo der Kurzfilm „Rien ne va plus“ einen Mann vorstellt, der vom Dach eines Hochhauses springen will. Durch Zufall erlebt er per Telefon die Geiselnahme in einem Casino mit und kann sie sogar lösen helfen. Die Geiseln werden befreit. Ob der Mann springt, bleibt offen. Doch immerhin: Auch ein Leben an seinem vermeintlichen Ende hat einen Sinn. Wenn das kein Trost ist. Von Matthias Schütt

Mölln - Lange Nacht des Friedhofs: So bunt wie das Leben