Diese Sportvereine haben seit Corona am meisten Kündigungen gezählt

Jetzt ist schwarz auf weiß sichtbar, was die lauenburgischen Sportvereine im ersten Lockdown 2020 nur befürchtet haben. Hunderte Mitglieder haben die Vereine laut einer bisher unveröffentlichten Statistik im Coronajahr 2020 verlassen. Die fehlenden Trainingsmöglichkeiten in der Pandemie haben den Effekt des Mitgliederschwunds der letzten Jahre verstärkt. Sport an der frischen Luft ist im andauernden und gerade verlängerten Lockdown nur für Individualsportler möglich. Somit entfällt das bezahlte Training in Vereinsräumen mit den Trainern überwiegend. Vor allem große Vereine mit vielen Sparten müssen herbe Verluste hinnehmen. Etwa die Hälfte aller kreisweiten Mitglieder-Verluste (-1624 Mitglieder) beklagen laut Kreissportverband Herzogtum Lauenburg (KSV) aber die Turner in verschiedenen Vereinen. Hunderte Kündigungen bei einzelnen Vereinen: Die meisten Verluste in absoluten Zahlen beklagt der größte Verein im Lauenburgischen, die Möllner Sportvereinigung (MSV). 389 Mitglieder hat der Verein nach Ein- und Abgängen seit Erhebung der vergangenen Statistik (Anfang 2020) unter dem Strich verloren. Damit schrumpft die MSV von 3141 Mitgliedern um 12,38 Prozent auf 2752 Mitglieder. Knapp dahinter liegt der Ratzeburger Sportverein, der 355 Kündigungen verzeichnet und von 2387 auf 2032 Mitglieder um 14,87 Prozent schrumpft. Rang Drei und Vier der traurigen Liste nehmen der Turn- und Sportverein Schwarzenbek (332 Kündigungen, -13,30 Prozent) und der VFL Geesthacht (233 Kündigungen, -11,06 Prozent) ein. Doch laut Landessportverband liegt der Kreis Herzogtum Lauenburg mit einem Minus der Mitglieder um 3,5 Prozent noch deutlich unter dem Landesdurschnitt von -4,7 Prozent. „Die Herausforderung für große Vereine mit vielen Sparten ist deutschlandweit groß“, sagt Nicole Rusch, Sprecherin des KSV. Viele Mitglieder hätten sich in Zeiten von Corona anders orientiert. Wer nicht mehr mit großen Gruppen in einer Sporthalle beim Spinning auf dem Fahrrad schwitzen könne, fahre jetzt draußen Rad. Nach der Pandemie müssten sie zurückgewonnen werden. Nicht so schlimm betroffen seien Individualsportarten. Sie wurden weniger von Kontaktbeschränkungen getroffen. Tennisvereine hatten sogar Zulauf. Seit dem 15. März sei das Spielen an der frischen Luft ja wieder zu zweit möglich. Mitgliederschwund um bis zu 66 Prozent: Nicole Rusch fällt seit Jahren auf, dass die Zahl der Austritte sich im Flächenkreis im Vergleich zu den Städten noch in Grenzen halte. Auf dem Lande, wo das Freizeitangebot überschaubar ist, entsteht schnell so etwas wie eine treue Vereinsfamilie. Obwohl die Mannschaftssportarten seit Beginn der Pandemie wohl am meisten eingeschränkt waren, beobachtet sie, dass die Sportfamilie in den Teams zusammenhält und es wenig Austritte gibt. Prozentual gesehen beklagen die meisten Kündigungen (-16) der Budo Sport Ratzeburg (-66,67 Prozent), die Rudergesellschaft Titania Mölln (10 Kündigungen, -50 Prozent) und der Kastorfer Sportverein (113 Mitglieder weniger, -39,2 Prozent). Doch die Gründe dafür sind vielschichtig und nicht immer auf Corona zurückzuführen. „Unsere Verluste kommen zu 100 Prozent durch Corona“, sagt jedoch Lukas Wirp, Vorsitzender des Vereins Budo Sport Ratzeburg, auf Nachfrage. Ausgetreten sind vor allem Kinder. Selbstverteidigung, Selbstbewusstsein aufbauen und Aggressionen abbauen geht in Räumen der Bundespolizei während der Pandemie nicht. „Wer in Kurzarbeit ist, zahlt natürlich nicht für einen Verein, der keinen Sport anbieten kann“, sagt Wirp. Der begeisterte Kampfsportler ist finanziell nicht darauf angewiesen. Doch die laufenden Kosten eines Vereins führten zwischenzeitlich zur Überlegung, den Verein ganz aufzugeben. Jetzt sind nun noch 8 von vormals 24 Mitgliedern übrig. Ende April werden zur Unterstützung vom Kreissportverband (KSV) kostenlose Fortbildungen für Sportler angeboten. Sportmarketing, Finanzen, Spenden und Sponsoring, Vereinsrecht und noch viele weitere kostenlose Online-Fortbildungen (je 2 LE) hat der Verband organisiert. Es handelt sich zum Teil um Lerneinheiten zur Lizenzverlängerungen für Trainer, Übungsleiter und Vereinsmanager. Anmeldungen sind seit Donnerstag unter www.ksv-lbg.de möglich. Wenn Vereine hunderte Mitglieder verlieren, gehen den Vereinskassen auch viele Tausend Euro verloren. „Die Auswirkungen von Corona treffen uns stark. Das ist auf Dauer ein katastrophaler Zustand“, sagt Florian Leibold, Geschäftsführer des Turn- und Sportvereins Schwarzenbek. Ein Trend sei seit Jahren, dass Mitglieder den Vereinen im Prinzip treu seien, dass aber kaum neue Mitglieder hinzugewonnen werden. Das heißt, es treten im Grunde so viele Mitglieder ein, wie auch austreten. Doch mit fortschreitendem Alter hören Mitglieder auf, was den Abwärtstrend verursache. Den Verlust durch Corona schätzt Leibold 2020 auf etwa 10 Prozent der Austritte. Doch ein weiteres Quartal fast ohne Sportbetrieb wie Anfang 2021 könne verheerend sein. Schließlich gäbe es laufende Kosten: Hauptamtliche Mitarbeiter, Sportstättengebühren oder etwa Übungsleiter müssten bezahlt werden. Lesen Sie auch Das sind die Corona-Zahlen im Kreis Herzogtum Lauenburg am 23.03.2021 Neue Grundschule in Mölln soll auf dem Friedhof gebaut werden Naschen in der Pandemie: 2020 ist der Konsum von Süßigkeiten im Herzogtum angestiegen Kreis und Kommunen geben gleiche Zuschüsse trotz Kündigungen: Etwa der Sachsenwaldlauf im August werde zum zweiten Mal abgesagt. „Finden sie jetzt mal einen Ehrenamtler, der bereit ist, seine Freizeit zu opfern, wenn der Lauf zwei Wochen vorher doch wieder abgesagt wird, wie im letzten Jahr“, sagt Leibold. Der KSV hat sich in der Kreispolitik dafür stark gemacht, dass die Zuschüsse der Kreisverwaltung für Vereine, die an die Zahl der Mitglieder gekoppelt ist, durch die Austritte nicht gekürzt werden. Mit Erfolg. Laut Nicole Rusch stehen den 167 Vereinen im Lauenburgischen 340 000 Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Damit werden unter anderem Aus- und Fortbildungen von Übungsleitern finanziert. Auch die Stadt Mölln zeigt sich in dieser Hinsicht kulant. Beschlossen wurde Anfang der Woche, dass die städtischen Sportvereine weiterhin in gleicher Höhe von der Stadt Zuschüsse erhalten wie im vergangenen Jahr. Zum Beispiel die MSV muss durch die Austritte in 2021 mit 50 000 Euro weniger aus Mitgliedsbeiträgen auskommen. Ein paar tausend Euro aus der Möllner Stadtkasse sind wichtig, können dieses Loch aber nicht stopfen. Laut Nicole Rusch leiden vor allem Kinder- und Jugendliche unter dem Sportentzug. Das habe gesundheitliche und soziale Folgen: „Ich habe die Hoffnung, dass Sport nach dem 19. April wieder möglich sein wird.“ Von Florian Grombein