Einsatz bei extremer Hitze: Feuerwehrleute gehen bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit

Bei Außentemperaturen von mehr als 30 Grad einen Kellerbrand zu löschen, in dem bis zu 1000 Grad herrschen können, oder einen weitläufigen Flächenbrand zu bekämpfen, bei dem man dem Feuer hinterherjagen muss, das ist körperliche Schwerstarbeit. Von Einsätzen in luftdichten Chemikalienschutzanzügen ganz zu schweigen. „Die Führungskräfte sind jetzt besonders gefordert, bei solchen Temperaturen einen Blick auf die körperliche Verfassung ihrer Einsatzkräfte zu haben“, berichtet Kreiswehrführer Sven Stonies. Am Wochenende bei einem Gefahrguteinsatz auf der Autobahn 1 im Kreis Stormarn ebenso wie vergangenes Jahr bei einem Silobrand in Schwarzenbek mussten Feuerwehrleute wegen Kreislaufproblemen vom Rettungsdienst behandelt werden. Stonies: „Zum Eigenschutz der Kameraden ist bei größeren Einsätzen grundsätzlich ein Rettungswagen in Bereitstellung.“ Wenn Feuerwehrleute unter Atemschutz zum Einsatz gehen müssen, weil die Gefahr durch Brandgase hoch ist, wird es besonders anstrengend. „Die Ausrüstung wiegt knapp 20 Kilo, die ein Feuerwehrmann oder eine Feuerwehr dann trägt. Dazu kommt die Technik, die für den Einsatz benötigt wird“, erklärt Jan Piossek, Chef der Schwarzenbeker Wehr. Noch schwieriger wird es beim Einsatz von Chemikalienschutzanzügen. „Die Hitze des Körpers staut sich in der dichten Gummihaut, dazu kommt die Sonneneinstrahlung. Da sinkt dann die mögliche Einsatzzeit rapide“, weiß Marko Fischer, der Leiter des Löschzug Gefahrgut (LZG) des Kreises. „Egal, um was es sich dreht. Sobald die körperlichen Belastungen für Einsatzkräfte groß sind, muss man rechtzeitig daran denken, auch Austauschpersonal anzufordern“, sagt Sascha Tönnies, der Geesthachter Feuerwehrchef. „Bei unserem Kellerbrand am Sonntagabend war es zum Glück noch einigermaßen übersichtlich, aber so ein Feuer, bei dem die Hitze und der heiße Rauch nicht abziehen können, ist riskant“, sagt Tönnies. Lauenburgs Feuerwehrchef Lars Heuer empfiehlt „Marscherleichterung“, sofern es vertretbar erscheint. Heuer: „Wenn wir auf Teile unserer Schutzkleidung verzichten können, ohne uns in Gefahr zu begeben, dann machen wir das. Wir wollen ja bei der Brandbekämpfung, dass uns die Jacken schützen, aber bei heißen Außentemperaturen wird das dann auch schon zur Belastung.“ Verschiedene Bekleidungssätze – je nach Einsatzart und Wetterlage – gibt es aus Kostengründen bei den wenigsten Wehren. In Ratzeburg wie auch in vielen anderen Orten werden jetzt im Sommer extra viele gekühlte Getränke bereitgehalten. „Die nehmen wir dann im Einsatzfall mit. Nicht nur, um uns hinterher zu erfrischen, sondern auch, um vorsorglich viel Flüssigkeit aufzunehmen“, berichtet Wehrführer Christian Nimtz. „Dank des Feuerwehrsports sind die meisten Einsatzkräfte schon sehr fit, aber bei extremer Belastung, mit der wir es ja oft zu tun haben, ist das auch unbedingt nötig“, sagt er. Froh ist Nimtz, dass es gerade in Ratzeburg derzeit einsatzmäßig ungewöhnlich ruhig ist. Kommt es dennoch zu einer Erkrankung von Feuerwehrleuten, sind sie im Einsatz und bei der Ausbildung über die Feuerwehrunfallkasse abgesichert. Stonies: „Bisher sind wir ohne nennenswerte Ausfälle durch den Sommer gekommen. Hoffentlich bleibt das so.“ Erschwerend kommt in diesem Jahr seiner Einschätzung nach noch der Corona-bedingte zusätzliche Schutz hinzu. „Das ist natürlich auch eine Belastung, denn nicht immer können wir die Mindestabstände einhalten“, berichtet der Kreiswehrführer. Bedingt durch die Corona-Pandemie sind die Ausbildungsdienste innerhalb der Feuerwehren derzeit kreisweit nur eingeschränkt möglich. Eigentlich hätte der Dienstbetrieb schon wieder normal laufen sollen, doch die jüngste Entwicklung verhinderte diesen Schritt. Nur in Gruppen- oder Zugstärke treffen sich die Wehren derzeit, um die Mannschaften zu trennen. Sollte es in einem Abschnitt zu einem Corona-Verdacht kommen, wäre damit nicht gleich die ganze Mannschaft unter Quarantäne zu stellen und weiterhin eine Einsatzbereitschaft gewährleistet. Es brennt lichterloh, die Feuerwehr kommt, aber das Einsatzfahrzeug ist nur zur Hälfte besetzt – diesem Szenario will der Landtag eigentlich vorbeugen mit einem Gesetz zur Verbesserung der Besoldungsstruktur, das am Donnerstag in zweiter Lesung im Finanzausschuss diskutiert wird. Die vier Berufsfeuerwehren in Schleswig-Holstein haben große Probleme, Nachwuchs zu finden, viele Stellen sind unbesetzt. Die Anforderungen an Feuerwehrleute sind hoch, sie brauchen vorab einen handwerklichen Beruf und werden dann noch Mal als Einsatzkraft im Brandschutz und Rettungsdienst über vier Jahre lang ausgebildet und der Beruf erfordert sowohl körperlich wie auch seelisch eine herausragende Konstitution. Ausreichend Nachwuchs, um das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge zu kompensieren, ist derzeit nicht in Sicht. Der Gesetzesentwurf, der nun allerdings im Finanzausschuss diskutiert wird, stellt keine erwähnenswerte Verbesserung für die Vielzahl der Frauen und Männer dar, die jeden Tag Bürger oder deren Habe aus dem Feuer holen. Deshalb wird sich am Donnerstag, den hohen Temperaturen zum Trotz, eine Abordnung von Feuerwehrleuten aus Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster vor dem Finanzministerium postieren, um mit Abgeordneten und Bürgern ins Gespräch zu kommen über ihre Arbeitssituation und die dieser nicht entsprechenden Besoldung- natürlich coronagerecht mit Mundschutz und Abstand. Christian Muhs, selbst Feuerwehrmann im aktiven Dienst und Vorsitzender der ver.di- Landesfachgruppe Feuerwehr fordert strukturelle Verbesserungen bei Sonderzahlungen, Beihilfe, Feuerwehr- und Notfallsanitäterzulage und Ruhegehalt: „Die Extremsituationen, z.B. wenn es Feuerwehrleuten nicht mehr gelingt, jemanden zu retten oder wenn sie selbst schwer verletzt werden, brauchen oft mehr medizinische bzw. psychische Versorgung. Es kann nicht sein, dass die Betroffenen das dann selbst bezahlen müssen. Und die Tatsache, dass ein nicht unwesentlicher Teil unseres Gehaltes beim Ruhegehalt nicht mitberechnet wird, das motiviert Menschen nicht, zur Feuerwehr zu wechseln oder dort zu bleiben. Wenn wir auch zukünftig mit voller Besetzung zu jeder Tages- und Nachtzeit einsatzfähig sein sollen, dann muss bei der Besoldungsstruktur mehr passieren als nur die Abschaffung unterster Besoldungsstufen, die ohnehin im Stellenplan nicht mehr vorhanden sind.“ Die Feuerwehrleute werden mit ihren Transparenten von 9.30 Uhr bis 12.00 Uhr vor dem Finanzministerium das Gespräch mit den Abgeordneten suchen. Von Timo Jann