Herzogtum Lauenburg: Darum ist die Jagd auf Wildschweine so kompliziert

Einst in Mitteleuropa fast ausgerottet, sind die Wildschweine inzwischen vielerorts geradezu zu einer Plage geworden. Und obwohl im Herzogtum Lauenburg seit 2013 fast 31 000 Sauen von den Jägern geschossen worden sind, hat sich die geschätzte Zahl der Tiere mehr als verdoppelt. „Für die Schwarzwildjagd braucht man viel Geduld“, sagt Bernd Karsten, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Herzogtum Lauenburg. Denn die Tiere seien nicht nur scheu, sondern auch unheimlich schlau. „Für ein erlegtes Tier muss ein Jäger zwischen 20 und 30 Stunden ansitzen“, sagt Karsten. Und die Tiere könnten sich überall ansiedeln, wo sie Dickung zum Verstecken und Fressen sowie Wasser finden. Früher waren die sicheren Rückzugsgebiete für die Tiere vor allem Wälder. „Dort haben sich die Wildschweine von Früchten wie Eicheln und Engerlingen, also Käferlarven, ernährt“, sagt Karsten. Auch Bauern haben vor Jahrhunderten ihre Schweine zur Mast vor allem in Eichenwälder getrieben. Dabei war der Wald in einzelne Huten an die Bauern vergeben. Eine Art der Schweinehaltung, die die noch heute im Bereich des Sauparks vorhandenen Hutewälder entstehen ließ, aber den Schweinekrieg im Sachsenwald zwischen Bauern und Adel auslöste. Jagd in Wohngebieten verboten: Inzwischen verstecken sich die Wildschweinrotten längst auch in Mais- oder Rapsfeldern, hier teilweise mit dem Fressen gleich mit dabei. Von der Deckung aus ziehen die Tiere dann zu ihren vor allem nächtlichen Futtersuchen los. „Wenn auf den Straßen Salz gestreut worden und in die Bankette gelaufen ist und dort noch früchtetragende Bäume wie Eichen oder Obstbäume stehen, sind die Straßenränder ein Schlaraffenland für die Wildschweine“, erklärt Karsten. Doch die Fresszüge der Wildschweine enden nicht nur an Straßenrändern wie der von Eichen gesäumten Ernst-Scheefe-Allee, ehemals Zubringer Nord, in Schwarzenbek, sondern immer häufiger auch in Wohngebieten und Gärten. „Die Tiere dort im befriedeten Bereich zu jagen, ist verboten“, räumt Jäger Karsten eine gewisse Hilflosigkeit gegen die in Wohngebieten und auf Grünflächen wühlenden Schwarzkittel ein. Kirren nur zum Beobachten erlaubt: „Und selbst, wenn man eine Sondergenehmigung bekommen würde und das Gebiet dann absperren könnte, ist es schwer möglich sicherzustellen, dass nicht doch eine von einem Stein oder ähnlichem abprallende Kugel in einem Wohnzimmer landet und gefährlich werden könnte“, sagt Karsten. Lesen Sie auch Corona: Pflegeheim-Bewohner im Herzogtum Lauenburg haben Erstimpfung Lütauer Schüler haben Film über ihr Leben in Corona-Zeiten gedreht Wildschweine in Schwarzenbek sind Kulturfolger des Menschen Sachsenwald-Wildschweine verbreiten in Schwarzenbek Angst und Schrecken Auch die Schweine mit Futterstellen vor die Flinte zu locken, sei verboten. Erlaubt seien lediglich Kirrungen nach der Kirrverordnung mit einer festgeschriebenen Menge Mais oder ähnlichem Lockfutter, um die Tiere zu zählen oder zu beobachten. „Dabei ist dann aber auch nur eine Handvoll Mais auszustreuen erlaubt“, sagt Karsten. Denn es müsse sichergestellt sein, dass das Futter dann auch vollständig aufgenommen werde. Jäger wechseln sich beim Ansitzen ab: Somit bestehe eigentlich nur die Chance, die Tiere auf dem Anmarsch quasi zu stellen. „Und das ist ja nun nicht so, dass die Tiere immer zur selben Uhrzeit vorbeikommen“, sagt Karsten. Das hänge von Regen, Schnee und vielen anderen Einflüssen ab. „Mal kommen die Tiere um 19 Uhr, mal erst um 3 oder 4 Uhr nachts“, sagt Karsten. „Es gibt Kollegen, die wechseln sich nächtelang nachts ab, nur um mal eine Sau zu kriegen“, sagt Karsten. Und wenn die Wildschweine dann tatsächlich vor der Flinte stünden und der Mond so gut scheine, dass man sie entsprechend identifizieren könne, dürfe auch nicht jedes Tier geschossen werden. So seien führende Bachen genauso ausgenommen wie Bachen oder Überläufer mit Frischlingen. Bevor abgedrückt werde, müsse also erst einmal klar sein, dass der Bache oder dem Überläufer keine Frischlinge folgen. In Zweifelsfall bleibt der Finger gerade: Während früher die Bachen nur einmal im Jahr gefrischt hätten und das damit allein schon wegen der Jahreszeit relativ berechenbar gewesen sei, gebe es das Problem mit den Muttertieren durch das oftmals schon zweifache Frischen im Jahr inzwischen nicht nur im Frühjahr. Und weil dann anders als früher auch noch teilweise Überläufer Frischlinge hätten, bleibe der Finger am Abzug häufiger mal gerade, um keine Straftat nach dem Jagdgesetz zu begehen. Von Holger Marohn