Herzogtum Lauenburg: Eltern wegen Kontaktbeschränkungen auf sich allein gestellt

Conny Schermann bringt die Probleme, die Eltern in Zeiten von Homeoffice, Kurzarbeit und geschlossenen Kitas und Schulen haben, knapp auf den Punkt: „Viele Familien sind am Rande ihrer nervlichen Kapazitäten.“ Seit fast einem Jahr haben Eltern eine Mammutaufgabe zu stemmen. Während sie die Arbeit erledigen, mit der sie das Geld verdienen, um ihre Familie zu versorgen, müssen sie die Kinderbetreuung organisieren, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind. Viele Eltern sind erfinderisch geworden, haben Verwandte, Freunde, Nachbarn eingespannt. Auch das Projekt „wellcome“, das Conny Schermann koordiniert, soll junge Familien entlasten. Das ist mit den neuen Kontaktbeschränkungen, mit denen sich ein Haushalt nur noch mit einer weiteren Person treffen darf, nahezu unmöglich geworden. Schleswig-Holstein will bei dieser verschärften Regel eine Ausnahme machen: Kinder unter 15 Jahren dürfen weiterhin von Familienangehörigen betreut werden. Gäbe es diese Ausnahme nicht, dürften zum Beispiel Großeltern, die zwei Enkelkinder haben, diese nicht zeitgleich betreuen. Doch nicht immer gehören die Menschen, die bei der Organisation der Kinderbetreuung eine entscheidende Rolle spielen, direkt zur Familie. Ehrenamtliche Hilfe für Familien eingeschränkt: Für das Projekt „wellcome“ der evangelisch-lutherischen Gemeinde Schwarzenbek bedeutet die neue Regelung: Die ehrenamtlichen Helfer können Eltern eines Neugeborenen nur telefonisch oder online mit Ratschlägen zur Seite stehen. Unter normalen Umständen würden sie die jungen Familien ein- bis zweimal wöchentlich für bis zu drei Stunden besuchen. Bei diesen Besuchen geht es dann nicht in erster Linie um die Versorgung des Babys, die kompetenteste Hilfe dafür gibt es immer noch von der Hebamme. Es geht um eine Entlastung bei anderen alltäglichen Aufgaben, erklärt Koordinatorin Conny Schermann: Sei es, dass sich die Geschwisterkinder für ein paar Stunden auf dem Spielplatz austoben können, oder eine Begleitung zu einem wichtigen Termin beim Kinderarzt. Für Familien mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren gibt es die Familienpaten, die im Prinzip dieselben Aufgaben übernehmen: Ausflüge mit den Kleinen zum Spielplatz, vorlesen, und dabei den Eltern freie Zeit verschaffen. Kontakt zu Familien nur per E-Mail und Telefon: Regelmäßigen Kontakt zu den Familien gibt es zurzeit nur per Telefon oder E-Mail. Die Eltern würden viel Verständnis für die Kontaktbeschränkungen zeigen, genauso die Ehrenamtlichen – wenngleich viele dafür offen wären, ihre Hilfe dennoch anzubieten, nach dem Motto: „Wir gehen ja nur mit dem Baby spazieren.“ Im Sommer wurden die Kinder an der frischen Luft betreut. Im Winter-Schmuddelwetter ist das keine Option mehr. Ein Ersatz für analoge Treffen sind Telefonate und E-Mails, bei allem Engagement, nicht. Koordinatorin Conny Schermann fasst es zusammen: „Wir können die Familien im Moment nicht so betreuen, wie wir es gern würden.“ Dabei wäre es gerade in diesen Zeiten notwendig, die für alle eine enorme psychische Belastung darstellen – erst recht für junge Eltern, die sich ohnehin in einer Ausnahmesituation befinden. Doppelaufgabe für Eltern „zermürbend“: Das bestätigt auch Michael Willrodt, Vorsitzender der Kreiselternvertretung der Kitas im Herzogtum Lauenburg. Einerseits würde durch die fehlenden sozialen Kontakte die Entwicklung der Kinder im Kitaalter massiv beeinträchtigt. Zum anderen sei die Doppelaufgabe aus Homeoffice und Kinderbetreuung „zermürbend“. Es sei kaum möglich, beidem gleichzeitig gerecht zu werden. Dazu kämen Existenzängste, wenn ein oder sogar beide Elternteile wegen Kurzarbeit weniger verdienen oder ihren Job verloren haben. Lesen Sie auch Herzogtum Lauenburg: Einzelhandel weiter in der Corona-Krise Lockdown: Lauenburgische Schulen fürs Homeschooling gut vorbereitet Herzogtum Lauenburg: So kommen die Senioren zur Corona-Impfung Gerade jetzt bräuchten Familien also dringend Unterstützung. Franz Albracht, Vorsitzender des Kinderschutzbundes im Herzogtum Lauenburg, warnt davor, dass es gerade durch die Doppelbelastung häufiger zu familiären Konflikten kommen kann. Verstärkt würde das Ganze durch die häusliche Enge, die durch die Kontaktbeschränkungen entsteht. Dabei seien es gerade die Kinder und Jugendlichen, die besonders motiviert sind, die Corona-Regeln einzuhalten. Umso wichtiger findet es Albracht, sicherzustellen, dass sie nicht noch mehr unter den aktuellen Einschränkungen leiden. Von Sophie Schade