Kählstorfer protestieren gegen Biogas und Hähnchenmast

Im kleinen Kählstorf, einer etwa 70 Einwohner fassenden Ortschaft zwischen Berkenthin und Klempau an der Kreisstraße 83 gelegen, macht sich Sorge breit. Grund sind die Planungen der ortsansässigen Landwirte Stefan Bartels und Hans-Christian Wulf. Bartels plant den Bau einer 75-kW-Biogasanlage gleich neben seinem Kuhstall mit zwei Behältern zur Gärung und zur Lagerung. Als Gärsubstanz will er die Gülle seiner 160 Milchkühe sowie Bullen und Nachzucht verwenden. Und sein Kollege Wulf möchte eine Hähnchenmastanlage mit 39 900 Plätzen bauen – „streng nach Tierwohlkriterien“ –, die soll allerdings auf der östlichen Seite der K 83 auf einer Koppel etwa 500 Meter Luftlinie vom Dorf entstehen. Sonja Holdschuh, Werner Rosche und Till Meyer sind Anwohner in Kählstorf, sprechen für eine Initiative von zehn betroffenen Haushalten in dem Ortsteil. „Wir wissen, dass wir in einem landwirtschaftlich geprägten Ort und Gebiet wohnen. Es ist schön hier, die idyllische Landschaft genießen wir. Wir möchten aber auch, dass es so bleibt“, sagt Sonja Holdschuh. Man sei nicht grundsätzlich gegen die Projekte der Landwirte und könne deren Ambitionen zu einer Erweiterung ihrer Betriebe verstehen. Allerdings befürchten sie „eine Zunahme der jetzt schon am Limit liegenden Emissionswerte“. Und zwar einmal durch die mit Gülle betriebene Biogasanlage, die damit einhergehenden An- und Abtransporte (Schwerlastverkehr) sowie die Lagerung des Hühnerkots der Hähnchenmastanlage, die nicht direkt am geplanten Stall vorgesehen sei, sondern möglicherweise im Dorf auf dem Hofgelände von Bauer Wulf. Lesen Sie auch Gülle soll in Siek umweltfreundlicher werden 60 Jahre: Berkenthiner Landjugend feiert (sich) doppelt Kählstorf: Zwei Brände halten Feuerwehr in der Silvesternacht in Atem „Die Biogasanlage soll mit Gülle ,gefüttert’ werden. Dafür braucht man aber mehr Substanz als bei mais-betriebenen Anlagen. Insofern müssen wir nicht nur mit Gestank, sondern auch mit höherem Transportverkehr rechnen“, sagt Meyer, der selbst Energiewirt mit Fachrichtung Biogas ist und auf der Anlage in Labenz arbeitet. Keine Transporte – es wird gepumpt: Der Hühnerkot kann oder soll nicht direkt an der Mastanlage gelagert werden, weil damit eine Infektionsgefahr mit Krankheiten für die Tiere entstünde. „Aber eine solche Gefahr bestünde auch für die Bewohner des Dorfes, wenn der Kot hier im Ort zwischengelagert würde“, sagt Rosche. „Wenn man richtig zugehört hätte, als wir im vergangenen September zu einem Infotag dazu die Berkenthiner Gemeindevertretung und auch alle Kählstorfer eingeladen haben“, sagt Stefan Bartels. „Dann wüsste man, dass keineswegs mehr Transporte drohen. Vielmehr wird die Gülle aus unserem Kuhstall unterirdisch zu den Biogas-/Güllebehältern gepumpt.“ Doppelte Nutzung der Gülle: Dies mache er schon seit Jahren so, nur bislang ohne den „Veredelungsschritt“ der Gaserzeugung. Zudem plane er auch kein Großprojekt. „Das ist eine 75 kW-Kleinstanlage, nicht zu vergleichen mit den Anlagen in Rondeshagen, Krummesse oder Klempau. Die sind mehr als fünfmal so groß. Diese aber ist maßgeschneidert für unseren Hof.“ Früher sei er gegen Biogasanlagen gewesen, weil sie für ihn gleichbedeutend mit Mais-Monokulturen waren. „Mit dieser Anlage kann ich aber die in unserem Kuhstall anfallende Gülle noch mal veredeln, indem ihr das Methangas zur Strom- und Wärmeerzeugung entzogen wird, bevor sie anschließend als Gärrest zur Düngung aufs Feld gebracht wird.“ Das sei noch nachhaltiger. Geräuschneutral durch kleinen Motor: Lärmbelästigung sei auch nicht zu erwarten, „das kriegen wir geräuschneutral hin, es ist nur ein kleiner Motor im BHKW. Schließlich wollen wir selbst weiter in Ruhe auf unserer Terrasse sitzen und gemütlich grillen“, so Bartels. Auch Hans-Christian Wulf versteht die Aufregung im Dorf nicht. Seine geplante Mastanlage stehe ohnehin auf der anderen Seite der K 83. Und bezüglich des Hühnermists sei noch gar nichts entschieden. „Wir sind mit verschiedenen Abnehmern in Verhandlung. Ich kann aber in der Planung noch keinen Vertrag abschließen, wenn ich nicht weiß, was wird. Insofern steht im Bauantrag erst einmal die Zwischenlagerung auf dem Hof.“ Landwirte halten sich an Vorgaben: Man sei ja nicht grundsätzlich dagegen, sagen die Anwohner, sondern „durchaus gesprächsbereit“. Aber man möchte in die Planungen einbezogen werden. „Ansonsten haben wir – wie es in anderen Dörfern in der Umgebung vorgekommen ist – hinterher Probleme, die wir nachträglich nicht mehr lösen können.“ Warum könne beispielsweise die Biogasanlage nicht auch auf der östlichen Seite der Kreisstraße gebaut werden, fragt er. „Wir haben bereits alle möglichen Standorte durchgespielt“, erklären Bartels und Wulf. Aber sie müssten sich eben an die behördlichen Vorgaben halten. Am Montagabend sind die beiden Bauanträge Thema von Beratungen im nicht-öffentlichen Teil der Berkenthiner Gemeindevertretersitzung. Das Gremium soll eine Stellungnahme gegenüber den Genehmigungsbehörden vom Kreis (Ratzeburg) und vom Amt für ländliche Räume (LLUR in Lübeck) abgeben. Dass es ausgerechnet zwei Genehmigungsbehörden gibt, verstehen die Kählstorfer Anwohner auch nicht. „Man muss das doch als Gesamtpaket sehen. Beide Anlagen erhöhen die Emissionswerte. Wieso sollen dann unterschiedliche Behörden dafür zuständig sein?“, fragt Werner Rosche. Je Projekt andere Zuständigkeiten: Darauf hat Kreissprecher Tobias Frohnert eine Antwort: „Es gibt im Bundesimissionsschutzgesetz für emittierende Anlagen, wie Mastbetriebe und Biogasanlagen, Grenzwerte, die die Zuständigkeit regeln. Für die Biogasanlage ist die untere Bauaufsicht zuständig, weil der entsprechende Grenzwert für die Menge an produziertem Biogas unterschritten wird. Für die Mastanlage ist das LLUR zuständig, weil der Grenzwert für die Anzahl der Mastplätze überschritten wird.“ Für beide Anlagen lägen bereits entsprechende Anträge vor, für die Biogasanlage ein Bauantrag, für die Mastanlage eine Aufforderung zur Stellungnahme durch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Über ein mögliches „Gesamtpaket“ habe der Kreis bereits im Vorfeld mit Amt und Gemeinde beraten, diese Idee schied aber aus verschiedenen Gründen aus. Frohnert: „Ein Grund ist zum Beispiel, dass die Biomasse für das Kraftwerk auf dem Hof entsteht und aus logistischen Gründen daher die Anlage möglichst auch dort stehen soll. Der Bau auf der Hofanlage ist auch baurechtlich zu bevorzugen, da ein Abrücken vom Hof nicht ohne Weiteres genehmigungsfähig wäre.“ Von Joachim Strunk