Kreismuseen: Dr. Anke Mührenberg übernimmt die Leitung

Geschichte ist ihr Lebensthema, seit sie in der Schule vor der Wahl der Leistungsfächer stand. Doch nicht der Abfolge großer Männer und ihrer Taten gilt das Forscherinteresse von Dr. Anke Mührenberg, sondern mehr dem Alltag auf dem Lande, vornehmlich aus dem Blickwinkel der kleinen Leute, den sie schon bei den Großeltern in Grambek erlebt hatte. Über die Stationen Lübeck, wo sie 1971 geboren wurde, Kiel und Karlsruhe ist die Historikerin und Ethnologin 2012 ins Lauenburgische zurückgekehrt. Zunächst in der Archivgemeinschaft Schwarzenbek, seit 2018 dann als Leiterin des Kreisarchivs in Ratzeburg kümmerte sie sich um die Dokumentenschätze der Städte und Gemeinden. Nun steht sie vor der Aufgabe, die Regionalgeschichte noch einmal ganz anders in den Blick zu nehmen: Anfang kommenden Jahres wird Mührenberg ihr Büro vom Ratzeburger Marktplatz ein paar hundert Meter zum Domhof verlegen und die Leitung des Kreismuseums und des A. Paul-Weber-Hauses übernehmen. Sie folgt auf Dr. Klaus J. Dorsch, der zum Jahresende in den Ruhestand geht. Das Credo von Mührenberg: Geschichte erlebbar machen: Auch wenn Archive und Museen in der Außenwirkung unterschiedlich wahrgenommen werden, liegen sie von den Aufgaben her nah beieinander: Sie verwalten das historische Erbe und machen es der Öffentlichkeit zugänglich. „Geschichte erlebbar machen“, fasst Mührenberg heutige Anforderungen zusammen. „Dazu müssen sie sich aktiv der Öffentlichkeit zuwenden. Die Zeiten stiller, verstaubter Archive sind lange vorbei.“ Schon zu ihren Studienzeiten, in den 1990er-Jahren in Kiel, war der grundlegende Wandel spürbar. Das Interesse an Geschichte, zumal wenn sie soziale, kulturelle und politische Bezüge zur eigenen Lebenswirklichkeit aufweist, stieg sprunghaft an. Kreative Macher in den Museen verstärkten das durch neue Themen und Präsentationsformen, machten Geschichte zum multimedialen Ereignis. In Karlsruhe, Mührenbergs erster Station nach dem Studium, konnte sie die Projekte des Pioniers Harald Siebenmorgen am Badischen Landesmuseum aus nächster Nähe verfolgen, der etwa Schauspieler in Ausstellungen auftreten ließ. Für die Archive, andererseits, wuchs mit der Familienforschung ein neues Aufgabengebiet heran. Plötzlich interessierten sich immer mehr Menschen für ihre Wurzeln. „Das hat die Nachfrage nach historischen Quellen gewaltig verändert“, so erlebt es Mührenberg auch im Kreisarchiv. „Früher umfassten private Anfragen einen kleinen Teil des Tagesgeschäfts, inzwischen liegen sie bei 50 Prozent.“ Museen am Domhof im Lockdown: Dem Wechsel zum Domhof sieht die Historikerin mit Vorfreude entgegen, wenn auch nicht ganz ungetrübt. Immerhin steht ihr Einstieg noch im Zeichen des Lockdowns, der Programmplanung nur unter Vorbehalt zulässt. „Die Grußkartenausstellung im Herrenhaus konnte erst wenige Tage gezeigt werden, die wird nach der Wiederöffnung noch weiter laufen. Dann liegen noch zwei Ausstellungen sozusagen auf Halde.“ Auch im Weber-Haus wird die aktuelle Ausstellung „Endlich Freizeit!“ verlängert. Nach dem Abitur 1990 an der Ernestinenschule in Lübeck studierte Anke Mührenberg Mittlere und Neue Geschichte, Osteuropäische Geschichte sowie Europäische Ethnologie an der Universität Kiel. Zwar schälte sich das Museum schnell als Berufsziel heraus, für ihre Doktorarbeit jedoch wählte sie ein Thema aus der Ethnologie mit Lauenburg-Bezug: „Die kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse von Landarbeitern im Herzogtum Lauenburg.“ Erste Erfahrungen in der Archivarbeit gewann sie ab 2001 im Rahmen ihres Museumsvolontariats in Karlsruhe, wo sie in den Städtischen Museen, aber auch im Stadtarchiv eingesetzt wurde. Als sie 2005 die Leitung des Pfinzgaumuseums übernahm, absolvierte sie parallel noch ein berufsbegleitendes Studium zur Diplom-Archivarin (FH Potsdam). Die sechs Jahre als Leiterin der Archivgemeinschaft Schwarzenbek ab 2012 standen vor allem unter dem Stichwort Digitalisierung. Der Übergang von der Karteikarte zum Computer fällt in diese Zeit, außerdem auch der Ausbau der kommunalen Archive, wie die Erweiterung des Amtsarchivs Hohe Elbgeest. Im Jahr 2018 übernahm sie die Leitung des Kreisarchivs von Cordula Bornfeld. Eigene Ideen müssen noch zurückstehen. Das bietet die Chance, völlig unvorbelastet an die weitere Planung zu gehen. Zunächst geht es an die Koordinierung der verschiedenen Veranstaltungsangebote im Herrenhaus, 2022 soll es dann ein erstes eigenes Ausstellungsprogramm geben. Die spezielle Herausforderung in Ratzeburg ist ihr dabei bewusst: „Wir müssen Angebote sowohl für die einheimische Bevölkerung als auch für Touristen entwickeln. Das macht die Aufgabe so reizvoll.“ Von Matthias Schütt