Lauenburg: Schlechte Noten beim ADFC-Fahrradklimatest

Hannes Häufle und Mika Rutkowski aus Hamburg wollen eine Tour auf dem Elberadweg machen. Der Ausflug ist perfekt vorbereitet, die Satteltaschen sind mit allen wichtigen Dingen gefüllt, alles läuft nach Plan – und dann kommen sie in Lauenburg an der Elbe an, und es gibt im Prinzip keine Radwege mehr. So wie Hannes Häufle und Mika Rutkowski erleben es viele Fahrrad-Touristen, die entlang des Elberadwegs durch Lauenburg fahren, aber auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Der aktuelle Fahrradklima-Test des ADFC hat gezeigt, dass sich die Radfahrer hier nicht sicher fühlen: Gesamtnote 4,46 und damit vorletzter Platz unter den Städten in Schleswig-Holstein mit weniger als 20 000 Einwohnern, nur Bad Segeberg kommt noch schlechter weg. Bundesweit ist es in dieser Kategorie Platz 402 von 418. Zum Vergleich: Ratzeburg kommt mit einer Note von 3,79 immerhin auf Platz 173, Mölln dagegen ist mit einer 4,45 und Platz 400 ähnlich schlecht aufgestellt. Sicherheitsgefühl: mangelhaft: Unter den Einzelaspekten wurden in Lauenburg etwa das Sicherheitsgefühl (4,9) besonders schlecht bewertet sowie die Breite der Radwege (5,4) – logisch, denn auf den meisten Strecken müssen die Radfahrer auf der Straße fahren. Frank Junge vom ADFC Lauenburg weiß, welche Probleme die fehlenden Radwege konkret mit sich bringen. Das beginnt mit den Straßen selbst: Der letzte Streifen neben dem Fußweg ist häufig mit Pflaster ausgelegt. Wer einem Auto oder den Lkw, die durch Lauenburg durchfahren müssen, Platz machen möchte, gerät an dieser Linie schnell ins Schlingern und läuft Gefahr zu stürzen. Bei den Städten mit weniger als 20 000 Einwohnern schneidet aus dem Herzogtum Lauenburg Schwarzenbek am „besten“ ab: Mit einer Note von 3,77 gab es bundesweit Platz 166 von 418. Kurz darauf folgen Ratzeburg und Büchen mit 3,79 beziehungsweise 3,8 auf den Plätzen 173 und 180. Mit einer Note von 4,12 folgt Wentorf auf Platz 314 von 418. Mölln ist nur wenig besser als Kreis-Schlusslicht Lauenburg: 4,45 und Platz 400. Die radfreundlichste Stadt im Herzogtum Lauenburg ist Geesthacht: Unter den Städten mit 20 000 bis 50 000 Einwohnern gab es bundesweit Platz 20 von 415. Note: 3,33. Damit liegt Geesthacht in dieser Kategorie in Schleswig-Holstein vorn. Gerade für Schülerinnen und Schüler gibt es, je nachdem, aus welchem Teil der Stadt sie kommen, kaum einen unkomplizierten Weg, mit dem Rad zur Schule zu fahren. Wer aus Unsicherheit doch auf den Fußweg ausweicht, gerät – auch logisch – in Konflikt mit den Fußgängern. Hinzu kommen fehlende Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in der Innenstadt. Diese Gemengelage führt zu Stress bei allen Beteiligten. Jana Basner von „Webers Fahrradshop“ weiß von ihrer Kundschaft um das ungute Gefühl der Radler auf den Straßen: „Die Nachfrage nach Helmen und starker Beleuchtung ist groß“, sagt die Fachhändlerin. Jana Basner hat selbst einen zwölfjährigen Sohn, „der fährt manchmal auch etwas riskant“. Fahrradfahren in Lauenburg ist also nichts für besorgte Eltern. Seit drei Jahren Pläne für Schutzstreifen an der B 5: Es gibt einzelne Projekte, mit denen die Stadt radfreundlicher werden soll. Seit fast drei Jahren gibt es Vorschläge von einem Projektbüro aus Hannover für einen Schutzstreifen entlang der B 5. Zwar nur auf der einen Seite, denn die B 5 ist gerade so breit wie eine Bundesstraße mindestens sein muss und hat eben keinen richtigen Radweg, sondern nur einen Schutzstreifen – aber immerhin. „Es wäre zumindest eine kleine Verbesserung“, sagt Frank Junge vom ADFC. Im Prinzip sei es auch kein Hexenwerk, solch einen Schutzstreifen aufzubringen, sagt Bauamtsleiter Reinhard Nieberg: Die Pläne liegen bei der Stadt. Auch von der Verkehrsaufsicht des Kreises, die den Schutzstreifen am Ende genehmigen muss, gibt es positive Signale. Noch davor müssten die Pläne aber vom Energie- und Umweltausschuss sowie gegebenenfalls noch vom Bauausschuss der Stadt genehmigt werden – und an dieser Stelle hakt es im Moment noch. Auch wegen Corona: Während der Pandemie sind einige Sitzungen dieser Ausschüsse ausgefallen. Lesen Sie auch Möllner und Ratzeburger Bootsverleih zu Ostern wieder geöffnet Schwarzenbek streitet weiter um Corona-Hilfen für Jugendliche Schwarzenbeks Bürgermeister Norbert Lütjens zieht nach 100 Tagen eine erste Bilanz Darum geben Bürger der Fahrradstadt Lübeck miese Noten Corona verzögert Bewilligung der Entwürfe: Es gibt außerdem Argumente gegen einen Schutzstreifen: „Sie sind besser als nichts, aber erwecken nur den Eindruck von mehr Sicherheit und Platz für das Fahrrad“, sagt André Peylo, der stellvertretende Bauausschussvorsitzende (SPD). „Außerdem gäbe es dann entlang dieser Strecke ein Halteverbot. Das wäre für die Geschäfte an dieser Straße ungünstig“, erklärt Bauamtsleiter Reinhard Nieberg. Gegenwehr komme unter anderem aus der CDU. Die Pläne aus Hannover wurden inzwischen zweimal überarbeitet: Sollte der dritte Vorschlag jetzt bewilligt werden, könne die konkrete Entwurfsplanung beginnen, zu der dann der Kreis noch seine Zustimmung geben muss. Die SPD sieht Handlungsbedarf: Es sei wichtig, „dass wir nicht nur an den innerstädtischen Verkehr denken, sondern auch zwischen den Städten und Gemeinden für leistungsfähige Radwege sorgen. Schade, dass Verkehrsminister Buchholz keinen Bedarf dafür sieht“, sagt der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Immo Braune. Aus touristischer Sicht könnte eine bessere Radinfrastruktur Lauenburg sicherlich für Gäste wie Hannes Häufle und Mika Rutkowski attraktiver machen – denn gerade während der Corona-Pandemie werden sie in diesem Frühjahr und Sommer sicherlich nicht die einzigen bleiben, die wenigstens mit einer Radtour dem Alltag entfliehen möchten. Von Sophie Schade