Lauenburgs Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ wieder unter Dampf

Um 9.09 Uhr ertönte am Sonnabend die Signalpfeife des Raddampfers „Kaiser Wilhelm“ – Start in die 120. Saison für das schwimmende Denkmal mit Heimathafen Lauenburg. Zunächst elbaufwärts bis Bleckede, dann runter bis Geesthacht und zurück nach Lauenburg waren Kapitän Markus Reich und seine Crew des Vereins zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums sieben Stunden lang mit dem 1900 in der Dresdener Schiffswerft und Maschinenfabrik gebauten Raddampfer auf der Elbe unterwegs. Für gut eine Million Euro war der Dampfer in den vergangenen Monaten aufwendig saniert worden. Einbahnstraßenregelung an Bord: Statt sonst 270 können derzeit nur 150 Fahrgäste mitreisen – wegen der Corona-Beschränkungen. An Bord herrscht eine Einbahnstraßenregelung, um Abstände gewährleisten zu können. In Bleckede kamen auf einen Schwung 60 Passagiere dazu. Reich: „Die sind aus Hannover mit einem Bus angereist und waren bei uns bis Geesthacht runter zu Gast. Seit Januar hatten wir sie immer wieder vertrösten müssen.“ Erst dauerte es länger als gedacht, die Rudermaschine zu sanieren, dann war ungewiss, was vor dem Hintergrund von Corona geht. „Wir freuen uns riesig, endlich fahren zu können. Und wir können so die Tradition bewahren, denn seit 1900 fuhr der ‚Kaiser’ jede Saison. Damit wollten wir wegen Corona nicht brechen“, erklärt Reich. Elektrische Vorheizung für den Umweltschutz: Unter Deck schaufelt derweil Wolfgang Schneider Kohlen in die Feuerlöcher des Kessels. „15 Kilo die Stunde“, erzählt er. Gut, dass die Außentemperaturen nicht mehr so hoch wie vor zwei Wochen sind. Der Kessel wurde im Frühjahr neu eingebaut. Er ist das Herzstück des Raddampfers. „Wir waren erst unsicher, wie gut er funktioniert, aber der Dampf kommt genauso gut raus wie beim alten Kessel“, berichtet der Heizer. Experten des Anlagenbauers Wulff & Umag in Husum hatten das gute Stück nahezu originalgetreu nachgebaut. „Eine Neuerung haben wir aus Umweltschutzgründen an Bord. Eine elektrische Vorheizung. Die schalten wir 48 Stunden vor der Fahrt an, sie heizt das Wasser im Kessel dann auf 90 Grad vor“, berichtet Reich. Das reduziert den Kohleverbrauch. Es gibt in diesem Jahr noch Gelegenheit, mit dem historischen Raddampfer zu fahren. Diesen Sonntag ab 11 Uhr in die Elbtalaue sowie am 19. September (9 bis 19.15 Uhr) nach Hamburg und am 20. September (11 bis 16.30 Uhr) nach Bleckede stehen die nächsten Fahrten des Raddampfers an. Direkt neben dem Kessel betreut Martin Bülow die Maschine. „Sie funktioniert wie geschmiert“, sagt der Maschinist zufrieden und greift zur Ölkanne, um etwas nachzuschmieren. Darüber hat Gerald Seidel aus Heinichen in Sachsen die erneuerte Rudermaschine im Blick. Ein dreiviertel Jahr hatte der Maschinenbaumeister an ihr gearbeitet und alles auf Vordermann gebracht. „Die Herausforderung war, die Unwägbarkeiten zu erforschen und zu beseitigen“, berichtet er. So lag die Kurbelwelle schief, jedes Lager musste angepasst werden. „Mein bisher spannendstes Projekt“, sagt er. Mehr Gäste und finanzielle Mittel benötigt: Zur ersten Fahrt mussten sich Crew und Passagiere erst an die neuen Corona-Regeln an Bord gewöhnen, aber der Ablauf war reibungslos. Reich: „Wir hoffen, bei den nächsten Fahrten noch einige Gäste begrüßen zu können. Wir brauchen die Einnahmen, denn während der Sanierung konnten wir die Arbeiten nur in abgespeckter Form realisieren. Für mehr hatte das Geld nicht gereicht.“ Nun soll geguckt werden, was bis zur Saison 2021 noch nachgeholt werden kann. 2022 geht es dann zur Reise auf die Weser – dort hatte der „Kaiser Wilhelm“ von 1900 bis 1970 sein erstes leben. Seitdem wird er von Raddampfer-Enthusiasten in Lauenburg gehegt und gepflegt. Von Timo Jann