Mölln: Trainerin gibt Tipps für Familien in der Corona-Krise

Claudia Hannemann hat vier Söhne. Sie sind zwischen acht und 15 Jahren alt, und ja: Manchmal gibt es Streit, weil die Hausaufgaben immer noch nicht erledigt sind, weil die Jungs untereinander Zoff haben oder weil die Gesamtsituation mit Homeschooling, Homeoffice und Kontaktbeschränkungen einfach zu viel wird. Inzwischen waren zumindest die jüngsten drei Söhne wieder zurück in der Schule. Trotzdem schlaucht es Eltern und Kinder, wenn sie ein Jahr lang so außergewöhnlich viel Zeit miteinander verbringen, den Großteil davon auch noch in den eigenen vier Wänden. Das ist bei Familie Hannemann aus Mölln nicht anders – mit dem Unterschied, dass Claudia Hannemann Resilienztrainerin und Kinder- und Jugendcoach ist. Sie weiß, wie Familien stark durch die Coronakrise kommen und dass es auch in Ordnung ist, sich zu streiten, wenn auch die Eltern ehrlich Verantwortung übernehmen, wenn sie überreagiert haben und unfair geworden sind. Weniger Druck beim Homeschooling: Der wichtigste Punkt, damit Kinder diese außergewöhnliche Zeit mental gesund überstehen: Das Zuhause muss ein sicherer Hafen sein, an dem sie sein können, wie sie sind. Dazu gehört für Claudia Hannemann auch, dem Nachwuchs auch negativ behaftete Gefühle wie Trauer oder Wut nicht abzusprechen. „Die Eltern meinen es in dem Fall ja nur gut, weil sie ihrem Kind Schmerzen ersparen möchten“, sagt die Trainerin. Aber gerade in so einer belastenden Zeit sei es umso wichtiger, Kindern zu vermitteln, dass sie trotzdem geliebt werden und dass alle Gefühle ihre Berechtigung haben – mit der Unterscheidung, dass nicht alles in Ordnung ist, was sie aus diesem Gefühl heraus tun. Als Beispiele nennt Claudia Hannemann Momente, in denen vor lauter Wut die Türen fliegen oder die Aggressionen an den Geschwistern ausgelassen werden. Einige Lehrerinnen werden vermutlich den Kopf schütteln, wenn sie diese Zeilen lesen, aber: Um Frust beim Homeschooling zu vermeiden, kann es helfen, die Prioritäten in dieser Ausnahmezeit anders zu setzen. „In fünf Jahren interessiert sich niemand mehr dafür, ob ein Kind das Einmaleins in der zweiten oder in der dritten Klasse gelernt hat. Wichtig ist, dass die Kinder es irgendwann können“, sagt Claudia Hannemann. So würde Druck rausgenommen, wenn mal etwas nicht funktioniert und das Kind kann sich besser auf die eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Der Duden beschreibt Resilienz als psychische Widerstandskraft, also: Die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen (zum Beispiel eine Pandemie) ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Claudia Hannemann arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Kindern und deren Eltern in den von ihr gegründeten Montessori-Kinderhäusern. Seit 2019 betreibt sie gemeinsam mit einem Team aus Lehrern und Pädagogen die Montessorischule Gudow. Klare Absprache und jede Menge Zettelchen: Wichtig für eine Homeschooling-Routine seien außerdem klare Absprachen: Bevor es losgeht, verschaffen sich Eltern und Kinder einen Überblick, welche Aufgaben anstehen. Danach arbeitet das Kind selbstständig an seinen Schulaufgaben, während die Eltern arbeiten. Für Fragen, die in dieser Zeit auftreten, empfiehlt Claudia Hannemann die Post-It-Methode, also: An die Aufgaben, mit denen es Probleme gab, wird ein Zettelchen ’rangeklebt. Das Kind kann dann erst einmal mit den anderen Aufgaben weitermachen und alle offenen Fragen klären sich, wenn sie mit den Eltern zusammen drüberschauen. Insgesamt empfiehlt Claudia Hannemann den Eltern, mehr Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Kinder zu haben und sie selbstständiger lernen und auch im Haushalt mithelfen zu lassen – was einerseits ihre Eigenständigkeit stärkt und andererseits den Eltern Freiräume verschafft. Der fehlende analoge Schulunterricht ist das eine – wie sieht es mit der Freizeit aus? Den Freunden oder den Großeltern, die Kinder in dieser Zeit so vermissen? „Wir nutzen jede Gelegenheit, in die Natur zu gehen und frische Luft zu schnappen“, erzählt Claudia Hannemann aus ihrem Alltag. Sie rät außerdem dazu, die Dinge zu nutzen, die noch erlaubt sind – zum Beispiel die Spielplätze, die im aktuellen Lockdown nicht geschlossen sind. Und, auch wenn das vergangene Jahr viel zu viel in Zoom-Konferenzen stattgefunden hat: Ein Videoanruf bei den Großeltern sei immer noch besser als gar nichts. Lesen Sie auch Innenministerium eröffnet Disziplinarverfahren gegen Landrat Mager „Omas gegen rechts“ im Herzogtum Lauenburg werben für die Corona-Impfung Warum die Wohnungsmieten im Herzogtum gegen den Landetrend steigen Auch Eltern machen Fehler: Letztendlich gilt natürlich: Auch Eltern sind nicht perfekt. Auch Eltern brauchen mal eine Auszeit oder reagieren überzogen, wenn die Kinder Mist gebaut haben. Wichtig sei in solchen Momenten klare Kommunikation: „Wenn ich zum Beispiel Migräne habe, sage ich ganz klar, dass es mir nicht gut geht und ich jetzt eine Schmerztablette nehme, die aber eine halbe Stunde braucht, bis sie wirkt. Und dann geben die Kinder in dieser halben Stunde alles, um nicht zu laut zu sein“, schildert Claudia Hannemann ihre eigenen Erfahrungen. Auch nach Konflikten sei Authentizität der Schlüssel, um die Wogen wieder zu glätten, also: Ehrlich die Verantwortung übernehmen, wenn man unfair geworden ist. Das ist einer von vielen kleinen Bausteinen dafür, dass das Zuhause für Kinder ein sicherer Hafen wird. Von Sophie Schade