Museumsmacher Klaus J. Dorsch verlässt nach 35 Jahren Ratzeburg

Wenn im altehrwürdigen Herrenhaus auf der Ratzeburger Domhalbinsel gelegentlich der berühmte Schlager vom „Itsy-bitsy-Teenie-Weenie-Honululu-Strandbikini“ erschallt, könnte man eine Guerilla-Aktion vermuten. Es ist aber ein Kulturereignis – und Ausweis einer Museumsphilosophie, die sich unbeirrt an dem orientiert, was Besucher des Kreismuseums interessieren könnte. „Das Lebensgefühl der 50er-Jahre“, beispielsweise, das in manchen noch lebhafte Erinnerungen weckt. Die gleichnamige Sonderausstellung lockt denn auch zuverlässig seit 18 Jahren Besucher an, die hinter dem Portal des Barockbaus unversehens der eigenen Jugend gegenüber stehen. Zu verdanken haben sie die Zeitreise Dr. Klaus J. Dorsch, der seit 1996 für die Sammlungen des Kreismuseums zuständig ist. Damals war er bereits zehn Jahre Leiter des benachbarten A. Paul Weber-Museums, für das der dreißigjährige Franke einst in den Norden gekommen war. Ende des Jahres nun geht er in den Ruhestand, nachdem er in 35 Ratzeburger Jahren mit insgesamt 94 Ausstellungen dem Kulturleben immer wieder Glanzlichter aufgesetzt hat – ganz wortwörtlich mit einer langjährigen beliebten Weihnachtsschau. Hinzu kamen Ausstellungen in großer thematischer Spannbreite, etwa zum ersten deutschen Filmstar Henny Porten oder zu Grußpostkarten der Jahrhundertwende. Herr über zwei Häuser: Im Weber-Haus, das dem Werk des satirischen Malers und Zeichners A. Paul Weber (1893-1980) gewidmet ist, organisierte Dorsch Ausstellungen von Dürer bis Walt Disney, mit besonderer Neigung zu geistesverwandten Künstlern wie Zille, Busch, Grass und Ungerer. Die jüngste Schau gewährt dabei einen Einblick, wie der Museumsmacher seinen kuratorischen Auftrag versteht: als Einladung an den Betrachter, das Kunstwerk für die eigene Lebenswirklichkeit nutzbar zu machen: Weil im Frühjahr die Museen Corona-bedingt schließen mussten, stellte er kurzerhand „Mut-Mach-Bilder“ von A. Paul Weber in die Fenster am Domhof 5. „Wenn wir schon schließen müssen, sollte das Museum zumindest ein Stück weit den Menschen entgegenkommen“, umreißt Dorsch die Idee dahinter. Dass ein Museum keine Aufbewahranstalt sei, sondern ein möglichst lebendiges Forum, spiegelt sich auch in seiner Theatergruppe „Bühne im Museum“, die 1994 mit einer Inszenierung von Becketts „Endspiel“ viele Zuschauer anzog. Bevor er sich 1985 in Ratzeburg niederließ, hatte Dorsch in Erlangen Kunstgeschichte, Archäologie und Theologie studiert und erste Berufserfahrungen im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg gesammelt. Abschluss der wissenschaftlichen Ausbildung war 1983 die Promotion über ein Thema der mittelalterlichen Kunst. Kunstlehrer setzt Maßstäbe: Im Kreis Herzogtum Lauenburg erwarteten ihn neben den Museen noch weitere Aufgaben: als Lehrer an den Beruflichen Schulen in Mölln zum Beispiel, wo er 25 Jahre lang Abiturienten in Kunst und Kunstgeschichte unterrichtete – und mehrere Preise des Bundesbildungsministeriums für sein didaktisches Konzept gewann. In der „Lauenburgischen Heimat“, in der einige seiner über 50 Publikationen erschienen und die er mehrere Jahre als Redakteur betreute, hat er ebenfalls Spuren hinterlassen. Was darüber hinaus aus dem reichen Ertrag von 35 Museumsjahren bleibt, ist eine digitale Bildersammlung zur lauenburgischen Geschichte (BILG), für die Dorsch fast 30 000 Fotos zusammengetragen hat. Von Matthias Schütt