Nach Corona: Melina Waliczek (21) aus Mölln noch immer geschwächt

Die Sonne lacht am Ufer des Möllner Schulsees. Und auch Melina Waliczek lacht beim Fotoshooting, obwohl die Fotografin diesmal – ganz ungewohnt – selbst vor der Kamera steht. Die 21-Jährige hat eine Corona-Erkrankung überstanden. Doch auch wenn man all die Strapazen und die tragischen Verluste in der Familie an einem frühlingshaften Tag im Februar vergessen kann: Corona bestimmt noch immer ihren Alltag. Spaziergänge sind harte Arbeit – auch wenn sie schon doppelt so lange laufen kann wie kurz nach Covid-19. Corona wirkt nach, auch neun Wochen nach der akuten Erkrankung. Und auch die Gedanken an ihre gestorbene Großmutter machen ihr das Herz schwer. Doch man müsse auch die guten Seiten sehen, sagt Melina. Endlich wieder riechen und schmecken: „Ich kann endlich wieder schmecken und riechen“, sagt sie. Das sei doch wirklich ein Stück Lebensqualität. Es sei schon echt blöd, wenn man aufwendig essen koche und es nicht schmecke oder rieche. Dann esse man wirklich nur, um satt zu werden. Mit ihrem Vater hat sie neulich diskutiert, ob man eher auf Schmecken oder Riechen verzichten kann. „Eindeutig Riechen. Dann kann man auch unangenehme Gerüche ertragen“, sagt sie. Melinas Vater infizierte sich im gleichen Zeitraum wie seine Tochter mit Corona, hat seinen Geruchs- und Geschmackssinn jedoch noch nicht zurückerlangt. Keine Umarmung auf Omas Beerdigung: Es sind viele Dinge, die die junge Frau nach ihrer Erkrankung beschäftigen. Mittlerweile ist ihre Oma beerdigt worden. Bei der Trauerfeier habe es sie am meisten bedrückt, dass man die Verwandten nicht umarmen durfte – Abstandswahrung, um die Pandemie in Schach zu halten. Sie will nicht falsch verstanden werden. Hinter den Hygieneregeln steht sie nach ihrer schweren Erkrankung wie kaum jemand anders. Doch es sei besonders schwer gewesen, die Liebsten nicht tröstend oder um Beistand bittend zu drücken, wie das eigentlich bei einer Beerdigung üblich und vor allem tröstlich ist. Die aktuelle Situation hat natürlich auch Auswirkungen auf ihren beruflichen Alltag. Für freiberufliche Hochzeitsfotografen ist die Auftragslage gerade eher überschaubar. Aber am Freitag hat sie nach dem Standesamt ein Paarshooting in Lübeck machen dürfen. Nach der Trauung, als diverse Verwandte sich dort tummelten, durfte sie wegen Kontaktbeschränkungen aber nicht dabei sein. Es geht für Melina nur langsam zurück in den Berufsalltag. Lesen Sie auch Corona trifft ganze Familie: Melina (21) verliert ihre Oma und erkrankt Kein Schmerzensgeld für gelähmte Ratzeburgerin Karlsruhe gibt gelähmter Rolli-Fahrerin aus Ratzeburg Recht Hilfe im Hospiz: Ute Wulf begleitet Sterbende Standesbeamter will lesbisches Paar nicht trauen „Ich kann jetzt wieder besser ganze Sätze bilden“: Bereits am 15. Dezember 2020 hörte die 21-Jährige vom Gesundheitsamt, dass sie wie ihr Vater, der zuerst erkrankte, Corona hatte. Sie merkt jetzt endlich, dass ihre Ausdauer zurückkommt. Und auch die Konzentrationsschwäche lässt nach. „Ich kann jetzt wieder besser ganze Sätze bilden, ohne lange darüber nachzudenken, welches Wort jetzt kommen sollte“, sagt sie und lacht dabei etwas verlegen. Sie konnte sich viele Dinge kurz nach Corona schlechter merken. „Das wird nun besser. Aber es ist schon langwierig.“ Sie hofft, dass alles wiederkommt. Zellen könnten sich ja schließlich erneuern. Die Ärzte hielten sich mit solchen Prognose insgesamt aber zurück, ist ihre Erfahrung. Denn Langzeitfolgen nach Corona sind Neuland. „Impfen – einfach weil ich weiß, wie grausam Corona ist“: Und würde sie sich impfen lassen, wenn das Angebot jetzt käme? „Ja, sofort. Einfach weil ich weiß, wie grauenvoll Corona ist. Ich weiß ja nicht, ob ich Antikörper gebildet habe und es noch einmal bekomme“, sagt sie. Auch an dieser Stelle lacht sie, obwohl ihr eigentlich ganz anders zumute ist. Denn die Angst, die sie auf dem Krankenbett gespürt hat, ist jetzt nach ihrer Genesung noch nicht ganz ausgestanden: „Nein, ich bin in Sorge, dass meine Mama auch noch erkrankt.“ Es gelte ja auch andere zu schützen. Die junge Frau vermisst momentan im Lockdown genau wie jeder andere die sozialen Kontakte im wirklichen Leben – außerhalb von Videochats. Doch die 21-Jährige bleibt eisern. Das Einzige, was sie sich dann und wann gönnt, ist ein Spaziergang mit einer Freundin. Aber sie treffe sich mit anderen Menschen nicht im Haus. Der Eindruck, die ältere Generation ist oft unvernünftig: „Am Anfang der Pandemie wurde immer die junge Generation beschuldigt, sich nicht an die Corona-Regeln zu halten. Wegen uns habe man den Salat. Doch mir fällt immer wieder das Gegenteil auf“, sagt Melina Waliczek. Es seien beim Einkaufen immer wieder ältere Menschen, die sich in engen Supermarktgängen nach Artikeln suchend dicht an andere drängten, anstatt einfach zu fragen, ob man mal zu Seite gehen könne. Kopfschmerzen, Enge in der Brust und totale Abgeschlagenheit: Sie hat den Eindruck, dass die ältere Generation, die man ja gerade mit den Abstands- und Hygieneregeln schützen wolle, unvernünftig sei. Denn ältere Menschen erkranken statistisch häufiger lebensbedrohlich an Corona. „Nach dem Motto, wir haben in unserem hohen Alter schon so viel erlebt, uns kann nichts mehr schaden.“ Das ärgert sie. Und das besorgt sie. Denn erstens ging es ihr in der Krankheit schier endlose Tage so schlecht, dass oft nicht einmal ans Essen zu denken war. Sie hatte Probleme zu atmen, Kopfschmerzen, fühlte eine Enge in der Brust und totale Abgeschlagenheit. Und zweitens hat sie ihre Großmutter, die bereits im April 2020 erkrankte und sich nie richtig erholte, an Corona verloren. Das geschah ausgerechnet, als sie und ihre Eltern im Dezember 2020 selbst in Quarantäne waren. Ein richtiger Abschied von der Großmutter war deshalb nicht möglich. Von Florian Grombein