Nach tödlichem Brand in Mölln: Verwalterin soll mit 70 000 Euro verschwunden sein

Das Feuer in einem Mehrfamilienhaus erschütterte im Mai 2016 ganz Mölln. Bei dem Brand an der Posener Straße 32 d starb ein 72-jähriger Möllner in den Flammen. Es habe immer wieder laut geknallt, als die Scheiben von der Hitze platzten, berichteten damals Nachbarn. 150 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Fremdverschulden wurde damals ausgeschlossen. Sieben Mietparteien wurden vorübergehend obdachlos. Kaum vorstellbar, dass jemand diese schlimmen Ereignisse ausnutzte, um anderen Menschen viele zehntausend Euro zu stehlen. Diese Straftat ist bislang nicht öffentlich geworden. Nach dem Brand verschwand Geld von der Versicherung: Doch das möchte Günther Kolbe, der das Mehrfamilienhaus bis heute bewohnt, nun ändern. Denn seine frühere Hausverwalterin aus Stockelsdorf soll die Versicherungssumme, die der Wohnungseigentümergemeinschaft aus dem Brandschaden zustand, veruntreut haben. 70 000 Euro aus der Kasse seien zusammen mit ihr verschwunden. Nach Berlin, wie sich jetzt herausstellte. In der Metropole soll sie die Masche mit einer betrügerischen Hausverwaltung jahrelang unbehelligt fortgesetzt haben. Was Kolbe unter anderem maßlos enttäuscht: Ein Prozess gegen die Frau findet nicht in Lübeck, sondern in Berlin statt. Aus Prozessökonomie wurde das Verfahren in der Hansestadt eingestellt. Es ist gemäß Paragraf 154 der Strafprozessordnung vorgesehen, dass Justizbehörden so handeln. Damit kann unter dem Strich Arbeit gespart werden, weil eventuell nur ein Prozess geführt wird. Lesen Sie auch Mölln - Sieben Möllner Familien verloren nach Feuer ihr Zuhause Mölln - Toter bei Brand in Mehrfamilienhaus in Mölln „Sie hat das Geld aus der Gemeinschaftskasse genommen“, sagt Kolbe. In der Kasse fehlten nach ihrem Verschwinden 70 000 Euro. Etwa 40 000 Euro davon soll die Versicherung für entstandene Schäden nach dem Brand gezahlt haben. Damit wollten die Eigentümer der knapp 20 Wohnungen Handwerkerrechnungen bezahlen. Kolbe selbst, einem der gewählten Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft, sei ein Betrag von etwa 3000 Euro verloren gegangen. Ende 2017, ein Jahr nach dem Brand, als die Sanierung schon fast fertig war, hat die heute 58-Jährige noch eine Eigentümerversammlung geleitet. Doch danach ist sie verschwunden und war bei ihrer Firmenadresse in Stockelsdorf in Ostholstein nicht mehr erreichbar. Möllner erstattete Anzeige gegen die Stockelsdorferin: Kolbe erstattete daraufhin Anzeige. Laut Staatsanwaltschaft Lübeck seien zwar umfassende Ermittlungen zu den finanziellen Verhältnissen der Beschuldigten und dem Verbleib des Geldes aufgenommen worden. Doch das Verfahren wurde eingestellt, weil der Aufenthaltsort der Hausverwalterin unbekannt gewesen sei. Die Hausverwalterin sei auch zur Fahndung ausgeschrieben worden, sagt Oberstaatsanwältin Dr. Ulla Hingst. Doch erst im Mai 2020 wurde sie dann in Berlin gefunden. Warum erst so spät, fragt Kolbe? Schließlich seien ihr Klarname, Foto, Kontonummer, Mobilfunknummer, Fahrzeugtyp und Kennzeichen der Staatsanwaltschaft doch bekannt gewesen. Kolbe zeigt beim Interview sogar einen Screenshot der Homepage der dubiosen Hausverwaltung aus Stockelsdorf – mit Foto der Beschuldigten. Am Amtsgericht Tiergarten in Berlin würden in der Regel Fälle verhandelt, bei denen mit Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren zu rechnen ist, erklärte dessen Sprecherin am Montag. Das Landgericht hingegen beschäftige sich mit Fällen, bei denen mit Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren zur rechnen ist. Am Donnerstag um 13 Uhr beginnt der Prozess wegen gewerbsmäßiger Untreue in dem Gericht an der Wilsnacker Straße. Es ist nur ein Verhandlungstag vorgesehen. Zum Bezirk des Landgerichts Berlin gehören elf Amtsgerichte. Die mutmaßliche Betrügerin wurde nicht verhaftet, doch die Ermittlungen in Berlin führten zur Anklage. In Lübeck wurde das Verfahren im vergangenen Jahr wieder aufgenommen und kurz danach erneut eingestellt. „Grund hierfür war die Prognose, dass neben der Strafe, die die Beschuldigte in dem Berliner Verfahren zu erwarten hat, die in dem hier geführten Verfahren zu erwartende Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde“, erklärt Hingst. Die Staatsanwaltschaft Lübeck habe von dem Recht Gebrauch gemacht, von der Erhebung der öffentlichen Klage vorläufig abzusehen und den Ausgang des Berliner Verfahrens abzuwarten. Das Vorgehen der Behörden wirkt rechtlich sauber. „Ich bin von der Justiz enttäuscht. Die Hausverwalterin darf unsere 70 000 Euro straffrei behalten. Denn nach fast drei Jahren dürfte von dem Geld kaum noch etwas übrig bleiben. Wer ersetzt unseren entstandenen Schaden?“, fragt Kolbe empört. Eine Zivilklage hält er für aussichtslos. Ihm ist nicht klar, warum ein Verfahren in Lübeck aus Prozessökonomie eingestellt werden kann, obwohl in Berlin sogar noch ein geringerer Betrag veruntreut worden sei. Warum soll die Frau für ihre Taten in Schleswig-Holstein nicht belangt werden, fragt er sich. Weitere Wohnungseigentümer in Berlin betrogen: In Berlin landen die Taten der heute 58-Jährigen, die laut Anklage über Jahre gewerbsmäßig und mit krimineller Energie Wohnungseigentümergemeinschaften um ihr Geld brachte, nur vor dem Amtsgericht Tiergarten – die ganz großen Fälle landen vor dem Landgericht. „Der Beschuldigten werden drei Taten der gewerbsmäßigen Untreue zur Last gelegt“, sagte eine Sprecherin. In Berlin sollen drei Wohnungseigentümergemeinschaften betrogen worden sein. Es gehe insgesamt wie in Mölln etwa um 70 000 Euro, die die Beschuldigte auf das Konto ihres Lebenspartners überwiesen habe. Sein Aufenthaltsort sei jedoch unbekannt. Kolbe befriedigen diese Aussagen nicht. Er wird nach Berlin fahren, um die Frau zu sehen, die ihn betrogen hat. Laut Hingst soll nach dem Berliner Urteil geprüft werden, ob das Lübecker Verfahren wieder aufzunehmen ist, wenn „die Beschuldigte entgegen der Prognose zu einer nur geringfügigen Strafe verurteilt oder freigesprochen“ wird. Kolbe fällt nur eine positive Sache ein, wenn er sich an den furchtbaren Brand vor fast fünf Jahren erinnert: „Ich habe Glück gehabt, dass das Feuer nicht zu uns durchgeschlagen ist“, sagt Kolbe. Er wohnte in der linken Hälfte des Mehrfamilienhauses (32 e). Andere Mieter wurden deutlich schlimmer geschädigt – von dem Mann, der bei dem Brand sein Leben verlor, einmal ganz abgesehen. Von Florian Grombein