Portwein-Dynastie „J. W. Burmester“ hat Möllner Wurzeln

Es gibt Fragen, die wird man nicht los. Und wenn sie niemand beantworten kann, versucht man mitunter selbst sein Glück. So wie Elisabeth Haack, Portwein-Liebhaberin aus Mechow bei Ratzeburg, die bei einer Reise in Portugal erfuhr, dass das Portweinhaus „J. W. Burmester“ aus Porto Wurzeln in Mölln haben soll. Dank Unterstützung von einem Journalisten aus Ratzeburg und Möllns Stadtarchivar Christian Lopau weiß sie jetzt: Nicht nur die Familie des Gründers Henry Burmester, der als Getreidehändler 1750 von London aus ein Portwein-Unternehmen in Porto gründete, stammt aus Mölln, sondern auch der Familienzweig, der dieses Haus zu einem wirtschaftlich starken Unternehmen formte. Eine Familiengeschichte mit 270-jähriger Tradition, mit risikofreudigen Unternehmern aus London und Hamburg – und mit Mölln als Keimzelle. Interesse wurde ihr in die Wiege gelegt: „Wenn ich in Porto bin, nehme ich mit meinem Mann gern an Führungen in Portweinhäusern teil“, sagt Elisabeth Haack, die ihr Interesse in die Wiege gelegt bekommen hat. Ihr Vater, in Schweden geboren wie sie, beschäftigt sich wie viele Landleute intensiv mit Portwein und Wein. Es geht um Genuss und Qualität, erschwingliche Raritäten und Kostbarkeiten, um die Fähigkeit, besondere Geschmacksnoten riechen und schmecken zu können. Wer in Porto den Fluss Douro über eine der sieben Brücken überschreitet, befindet sich im Portwein-Paradies. Weltbekannte Firmen wie Taylor, Grahams, Croft, Cockburn, Niepoort oder Sandeman sind wie Perlen an der Schnur gezogen. Hier locken Kellerräume, gigantische Holzfässer, in denen durchaus auch ein Mini Cooper Platz finden würde, alte Gerätschaften und hoch moderne Videoanimationen. Einige hundert Meter entfernt den Hang hinauf liegen Lagerräume, die Touristen mitunter nie zu sehen bekommen. „Als wir bei Burmester erfuhren, dass die Ursprünge in Mölln liegen, glaubten wir er erst nicht, was wir hörten“, sagt Elisabeth Haack und begann zu recherchieren. Die Briten kamen im 18. Jahrhundert auf die Idee, die Gärung eines Weines durch Zugabe von Branntwein abzubrechen, damit er für den langen Transport zum Beispiel via Schiff haltbar gemacht werden konnte. Der Vinho do Porto, dessen Bezeichnung weltweit geschützt ist, hat zwischen 19 und 22 Prozent Alkohol. Auf 0,8 Liter Wein werden etwa 0,2 Liter Brandy hinzugegeben. Die Anzahl der denkbaren Portweinvariationen ist theoretisch nahezu unendlich groß, denn Port ist immer ein Cuvée, besteht also immer aus Weinen verschiedener Rebsorten. Das eigentliche Anbaugebiet liegt rund 100 Kilometer von Porto entfernt. Das Douro-Tal verfügt über einzigartige geologische und klimatische Bedingungen und ist 250 000 Hektar groß. Das Alto Douro ist seit Mitte des 18. Jahrhunderts geschützt und damit das älteste klassifizierte Weinanbaugebiet der Welt. Seit 2001 zählt es zum Weltkulturerbe der Unesco. Es gibt eine große Anzahl von Typen und Bezeichnungen für Portweine. Die wichtigsten und gut erhältlichen Sorten sind flaschengereifte Portweine (Rubies) mit einer violetten und tiefdunkelroten Farbe und die fassgereiften (Tawnies), die braunorange oder bernsteinbraun sind. 76,5 Prozent allen Portweins werden von den Ländern Frankreich, Portugal, Niederlande, Großbritannien und Belgien gekauft. In Büchern und im Internet war zwar das eine oder andere zu lesen, aber immer wieder taten sich Lücken auf. „Als ich einem befreundeten Journalisten davon erzählte, war auch er infiziert“, sagt Elisabeth Haack lachend. „Er half mir, die eine oder andere Tür in Porto zu öffnen und Kontakt zu Menschen herzustellen, die ebenfalls großes Interesse an der Geschichten von J. W. Burmester hatten.“ Besuch auf Portugals größtem Weinfest: Die Marketing-Direktorin Gabriela Coutinho traf Elisabeth Haack kurz vor der Corona-Krise auf dem größten Weinfest Portugals, auf dem „Essencia do Vinho“ in der alten Börse in Porto, auf dem einmal im Jahr rund 400 Produzenten 4000 Weine anbieten. „Einiges konnte sie mir über die Geschichte erzählen“, sagt Elisabeth Haack, „auch wenn ich das Meiste schon wusste.“ Vier Tage später wurden die Mechowerin und ihre Mitreisenden zu J. W. Burmester eingeladen. Ana Pereira, Kommunikationsmanagerin, und Andreia Almeida, die für die gesamten Führungen des Unternehmens Sogevinus mit den Marken Burmester, Kopke, Calem und Barros zuständig ist, öffneten nach einer Führung durch Museum und Kellerei auch die schweren Eisentüren der Schatzkammer. Dort lagern Flaschen, die gut 100 Jahre alt sind und für kein Gebot der Welt verkauft werden. Einträge in Kirchenbüchern und Registern: Da in Porto nichts Neues mehr zu erfahren war, ging die Recherche zu Hause weiter – mit professioneller Hilfe: „Wenn man mir die richtigen Fragen stellt, habe ich natürlich einen leichteren Zugang zu den Nachschlagwerken als Besucher, die nicht so recht wissen, wo sie suchen sollen“, sagt Christian Lopau, Stadtarchivar in Mölln. Er händigte Elisabeth Haack nicht nur die richtigen Kirchenbücher aus, die er anhand von Eintragungen in Namensregistern zuordnen konnte, sondern forschte selbst mit. Der Großvater war Kantor in der Eulenspiegelstadt: Gemeinsam wurde man fündig: Die Burmesters waren früher eine der einflussreichsten Familien in Mölln. Allein in der Zeit von 1650 bis 1799 wird der Name Burmester in der Geburtseintragung auf sieben Seiten insgesamt 420 Mal aufgeführt. Gesucht und schließlich gefunden wurde aber dieser eine: Der Vater von Johannes Wilhelm Burmester, der aus Hamburg kam und das Portweinhaus in Porto zu Wohlstand brachte, hieß Johannes Andreas Burmester. Er ging 1800 als Lebensmittelhändler in die Hansestadt, war aber im August 1761 tatsächlich in Mölln geboren worden als Sohn von Gottfried Hinrich Burmester, Kantor der Eulenspiegelstadt. Es stimmt also: Die familiären Wurzeln des Portweinhauses J. W. Burmester liegen in Mölln. Wenn die Haacks jetzt wieder Freitagabends zum Wochenausklang bei einem Glas Portwein zusammensitzen, dann erinnern sie sich an diese Entdeckungstour in die Welt des weltberühmten portugiesischen Nationalgetränks. Von Dirk Andresen