Ratzeburger Schulausschuss pfeift Bürgermeister Koech zurück

Die Anzeichen mehren sich, dass es zwischen Bürgermeister Gunnar Koech (parteilos) und der politischen Selbstverwaltung derzeit „unrund“ läuft. Das wurde Beobachtern deutlich, die den Rathauschef bei gleich zwei Ausschusssitzungen vermissten. Sowohl am Mittwoch beim Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Stadtmarketing (AWTS) als auch am Donnerstagabend beim Ausschuss für Schule, Jugend und Sport (ASJS) fehlte Koech unentschuldigt. Insbesondere im ASJS monierten die anwesenden Ausschussmitglieder dieses Fehlen, ging es doch in einem wesentlichen Punkt um eine von Koech erklärte „Chefsache“, der zügigen Umsetzung des Digitalpaktes in der Lauenburgischen Gelehrtenschule. Auch mehrmalige Anfragen der Lübecker Nachrichten blieben bis Freitagnachmittag von ihm unbeantwortet. „Abgekühltes Verhältnis“: Zuvor war den ehrenamtlichen Politikern zu Ohren gekommen, dass sich das bis dato gute Verhältnis zwischen der LG-Schulleitung in Person von Thomas Engelbrecht und seiner Stellvertreterin Ina Meyenburg und dem Bürgermeister schon im vergangenen November drastisch „abgekühlt“ hatte. Ausschlaggebend war offenbar die Umsetzung der technischen Auf- und Umrüstung der Schule im Rahmen des vom Bund geförderten Digitalpakts. Schon seit langer Zeit, erläuterte Engelbrecht im Ausschuss, habe es im digitalen Netzwerk der LG immer wieder Probleme mit Leitungen und Servern gegeben. In dem Zusammenhang hatte es bereits im Mai 2020 eine Initiative aus der Elternschaft gegeben, in deren Zug Jan Bartels, Vater einer Schülerin und Geschäftsführer des Lübecker Unternehmens Men@Net (Netzwerkanalysen für IT-Rechenzentren), ein entsprechendes Gutachten für die LG erstellt hatte. Mit dem Digitalpakt Schule wollen Bund und Länder für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik sorgen und zudem den Lehrpersonen ein mobiles Lehren und allen Schülerinnen und Schülern gleichberechtigt ein mobiles, auch außerschulisches digitales Lernen ermöglichen. Dafür wurden bisher der Stadt Ratzeburg für die Lauenburgische Gelehrtenschule 277 201,06 Euro aus dem Digitalpakt zugewiesen, hinzukommen 15 Prozent Eigenanteil der Stadt Ratzeburg. Daraus können unter anderem und unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen Aufbau, Erweiterung und Verbesserung der strukturierten Verkabelung in Schulgebäuden und auf dem Schulgelände für die Versorgung aller unterrichtlich und für sonstige pädagogische Zwecke genutzten Räume und Einrichtungen mit LAN/WLAN inklusive der passiven und aktiven Netzwerkkomponenten, Server in Schulen zu unmittelbar pädagogischen Zwecken und zur IT-Administration, Anzeige- und Präsentationsgeräte zur pädagogischen Nutzung in der Schule und die damit verbundenen mobilen oder stationären Endgeräte als Steuerungsgeräte, digitale Arbeitsgeräte, insbesondere zur pädagogischen Nutzung im technischnaturwissenschaftlichen Bereich oder für die berufliche Ausbildung, schulgebundene mobile Endgeräte (Laptops, Notebooks und Tablets mit Ausnahme von Smartphones) finanziert werden. Allerdings haperte es offenbar mit der Umsetzung der „Notreparaturen“, so Thomas Engelbrecht. Dem langjährigen IT-Supportmitarbeiter kündigte Bürgermeister Koech daraufhin fristlos. Stattdessen kam die Firma Rohwerder Datasystems aus Schwarzenbek zum Zug. Deren Chef Philipp Rohwerder erläuterte dem Ausschuss die bisherigen Tätigkeiten und seine Ansicht, dass eine technische Aufrüstung zur Umsetzung des Digitalpakts schnell, relativ einfach und kostengünstig machbar sei. Auf Planungsbüro wird verzichtet: Die Rathausverwaltung hatte zuvor die Beauftragung eines Ingenieur- und Planungsbüros empfohlen, das dem Ausschuss allerdings unnötig und zu teuer erschien. Insofern stimmte der ASJS nach rund dreistündiger ausführlicher Diskussion für den Eilantrag, den Michael Jäger von der CDU und Ausschussvorsitzender Matthias Radeck-Götz (SPD) gemeinsam formuliert hatten. Lesen Sie auch Digitalpakt: 8,4 Millionen Euro für Schulen im Lauenburgischen Lockdown: Lauenburgische Schulen fürs Homeschooling gut vorbereitet 175 Jahre Lauenburgische Gelehrtenschule in Ratzeburg Demnach soll nun „auf das Einrichten eines Arbeitskreises oder Hinzuziehen von Planungsbüros ... aus sachlichen, zeitlichen und finanziellen Gründen verzichtet“ werden. Die Umsetzung des Digitalpakts für die LG habe „einschließlich des Abrufs der dafür vorgesehenen Fördermittel“ bis zum Ende des Jahres 2022, nach Möglichkeit aber früher zu erfolgen. Dabei sei die Schulleitung der LG in diesen gesamten Prozess „maßgeblich und vertrauensvoll einzubinden“. Die administrative Begleitung bei den weiteren Arbeitsschritten soll durch den zuständigen Fachbereich der Verwaltung, entsprechende Zuarbeit der Schulleitung der LG sowie durch zu leistenden IT-Support mit wöchentlich zehn Arbeitsstunden (soweit erforderlich auch bis zu 15 Stunden) sichergestellt werden. Bei den Ausschreibungen seien zudem regionale Firmen vorzusehen. Und selbstverständlich müsse auch der Betreiber der Schule, die Firma Strabil, in die Planungen und Arbeiten einbezogen werden. Beratungshilfe vom Land und vom IQSH: Statt eines teuren Ingenieurbüros soll die Verwaltung eher die vom Kieler Bildungsministerium angebotenen „professionalisierten Beratungsleistungen und Serviceangebote für den Schulträger“ nutzen. Auch das Bildungsinstitut IQSH habe ein entsprechendes Help Desk eingerichtet. Die Stellung der Schulleitung wurde vom Ausschuss außerdem explizit gestärkt: „Um der Schulleitung eine effiziente Aufgabenerfüllung zu ermöglichen, sollten die zur Bestellung von beweglichen Sachen erforderlichen Haushaltsmittel, wie im bisher bis Ende 2020 üblichen Umfang, auch zukünftig zur Verfügung gestellt werden.“ Der Bürgermeister hatte diese Kompetenz der Schule weitgehend entzogen. Fachleiter durften nicht einmal eigenständig Basketbälle oder Kopierpapier bestellen. „Miteinander auf Augenhöhe“: In einer Vorbemerkung wiesen Radeck-Götz und Jäger darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister und Schulleitung „kooperativ und konstruktiv“ zu erfolgen habe, ein „Miteinander auf Augenhöhe“ sei „zwingend erforderlich“. Für Erstaunen hatte zudem eine andere Sache gesorgt. So hatte Engelbrecht erst aus der Zeitung von der Ausschreibung der Sekretariatsstelle erfahren. Die langjährige Schulsekretärin Ute Manzke geht in diesem Sommer in Pension, ihre Stelle wurde zum 1. Mai neu von der Stadt ausgeschrieben. Von Joachim Strunk