Ratzeburgs Klärwerk wird durch neuen Faulturm sicherer und effizienter

Vor den Toren der Stadt, auf dem Ortsgebiet der Gemeinde Buchholz liegend und über die B 207 von Einhaus nach Norden erreichbar an der Abbiegung nach Klein Disnack, liegt das Ratzeburger Klärwerk. 2005 wurde es hier – gleich gegenüber dem kleineren Klärwerk des Amtes Lauenburgische Seen – in Betrieb genommen. 20 Jahre Planung hatte das damals erfordert und am Ende 13 Millionen Euro gekostet. Dabei hatten die sparsamen Ratzeburger Politiker auf die übliche „Zweistraßigkeit“ verzichtet und sich zunächst mit einem Faulbehälter für den Klärschlamm – zufriedengegeben. Zwei Drittel weniger Stickstoff in den See: Nichtsdestotrotz arbeitet die Anlage seit mehr als 15 Jahren zuverlässig und erfüllt sicher alle wasserrechtlichen Anforderungen, um den Ratzeburger See vor zu vielen Nähr- und Schadstoffen zu schützen. So wird der See, in den das gereinigte, aufbereitete Wasser geleitet wird, um jährlich 150 Tonnen Stickstoff entlastet – zwei Drittel weniger als vor 2005. Damit das so bleibt, wird die komplexe Klärwerkstechnik nun um einen zweiten Faulbehälter erweitert, in dem der Klärschlamm ausfaulen und mineralisieren kann. Klärschlamm fällt als Restprodukt nach den mechanischen, biologischen und chemischen Prozessen der Abwasserreinigung an und bedarf einer besonderen Entsorgung (siehe Info). „Frisches“ Abwasser von den Haushalten wird im Klärwerk zunächst mechanisch gereinigt: Grobe Stoffe wie Steine, Laub, Hygieneartikel werden durch Rechen und Schotterfänge aussortiert. Kleinere Grobstoffe werden biologisch gereinigt – durch Zersetzung mittels Bakterien und Mikroorganismen. Es folgt die chemische Reinigung. Dabei werden Salze, Phosphate oder Nitrate durch chemische Fällungsmittel ausgeflockt und entfernt. Der Klärschlamm geht danach eingedickt (weniger Wasseranteil) in den Faulturm. Unter Luftabschluss (anaerob) und bei einer Wärme von 37 Grad wird der Faulschlamm durch Rührwerke und Pumpen ständig umgewälzt. Durch biologische Prozesse werden die verbliebenen organischen Reststoffe weiter zersetzt und zum größten Teil in Methangas umgewandelt. Bislang blieb dieser Schlamm im Ratzeburger Klärwerk zwölf bis 14 Tage im alten Faulturm. Durch den neuen Turm soll die „Aufenthaltsdauer“ verdoppelt werden, was zu auch zu einer entsprechenden Steigerung der Gaserzeugung führt. Das Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk sowohl in elektrische Energie als auch in Wärme umgewandelt. Die Wärme braucht man, um die Temperatur im Faulbehälter bei 37 Grad zu halten, der erzeugte Strom wird ebenfalls im Klärwerk genutzt. Dem „ausgefaulten“ oder „ausgegasten“ Klärschlamm wird anschließend Wasser bis auf einen Restanteil von etwa 70 Prozent entzogen. Der dadurch entstandene Feststoff wird mit Kalk angereichert und kann anschließend als organischer Dünger in der Landwirtschaft genutzt werden. „Wir brauchen den zweiten Faulturm, um zum einen die Betriebssicherheit zu gewährleisten und zum anderen, um die Energiegewinnung zu steigern“, sagt Peter Köpcke, Abwasseringenieur der Stadt Ratzeburg. Würde der alte Faulturm ausfallen – was bislang noch nie der Fall war –, hätte das zwar keine Auswirkung auf die Abwasserklärung, wohl aber auf die Lagerung und Entsorgung des Klärschlamms. Mithilfe der Faulbehälter kann die Menge des Schlamms intelligent reduziert und sogar gewinnbringend verwertet werden. Bei dem Vorgang des Ausfaulens und Mineralisierens entsteht ein Biogas (Methan), das mittels Blockheizkraftwerk in dringend benötigte Wärme- und Elektroenergie umgewandelt werden kann. Ein Viertel mehr Energiegewinnung: Täglich fallen rund 2500 Kubikmeter Abwasser aus der Stadt Ratzeburg und den angeschlossenen Umlandgemeinden Bäk, Mechow, Römnitz, Ziethen und Schmilau an, die im Klärwerk gereinigt werden. Der existierende Faulbehälter fasst insgesamt 600 Kubikmeter, alle 24 Stunden werden 40 Kubik neuer Klärschlamm zugeführt, die gleiche Menge ausgegasten Schlamms geht in die Trocknung. „Zurzeit erzeugen wir jeden Tag 390 Kubikmeter Klärgas, was einer Leistung von 780 Kilowattstunden (kWh) entspricht“, sagt Klärwerksleiter Alexander Urban. Mit dem zweiten, baugleichen Faulturm, der ebenfalls 600 Kubikmeter Fassungsvermögen hat, erhöhe sich die tägliche Gaserzeugung auf rund 500 Kubikmeter, was einer Leistung von 1000 kWh entspreche. So wird rund ein Viertel bis ein Drittel der insgesamt benötigten Elektroenergie und fast die gesamte Wärme im Ratzeburger Klärwerk aus diesem Prozess bezogen. Gleichzeitig reduziert sich die Entsorgungsmenge durch die maschinelle Entwässerung. Insgesamt also ein umweltschonendes und sehr klimafreundliches Verfahren, das sich in der CO²-Bilanz der Stadt Ratzeburg recht deutlich bemerkbar macht. Fertigstellung zur Jahresmitte: Schließlich ist das städtische Klärwerk als durchgehend arbeitende Betriebsanlage eines der größten Energieverbraucher – täglich 2900 kWh – der Stadt. Zum Vergleich: Ein kleiner Dreipersonen-Haushalt verbraucht im Jahr etwa 3000 kWh. So fallen gerade hier Energieeinsparungen durch Selbstproduktion besonders positiv ins Gewicht. Lesen Sie auch Neue Abwasserkläranlage soll Schlamm aus dem Amt trocknen Eutin: Das bleibt nach der Reinigung im Klärwerk im Abwasser Forscher entwickeln Corona-Frühwarnsystem: Lübeck ist dabei Aktuell haben die Arbeiten für die Dämmung und Fassadenbekleidung begonnen, bei zeitgleicher Installation der maschinen- und elektrotechnischen Ausrüstung. Klärwerksleiter Alexander Urban und Abwasseringenieur Peter Köpcke erwarten, dass der zweite Faulbehälter etwa Mitte des Jahres verfahrens- und steuerungstechnisch in den Klärwerksbetrieb eingebunden und betriebsbereit sein wird. Für diese Erweiterung der Klärwerksanlage werden rund 1,5 Millionen Euro investiert. Diese Investitionskosten werden auf die Abwassergebühren umgelegt. Doch das dürfte für den Einzelhaushalt in Ratzeburg keine große Belastung sein. Köpcke und Urban erwarten eine Gebührenerhöhung von „weniger als zehn Cent“. Von Joachim Strunk