Sechs Gemeinden im Amt Sandesneben-Nusse kooperieren im Wohnungsbau

Der Siedlungsdruck, die Nachfrage nach Baugrundstücken nahe der Metropole Hamburg, in Reichweite der anderen Zentren Lübeck und Schwerin, wächst im Herzogtum Lauenburg stetig, insbesondere im Amt Sandesneben-Nusse im Nordwesten des Kreises nahe der Autobahn 1. Das spüren die Dörfer deutlich – und lässt sie nun handeln. Mit der „Kooperationsvereinbarung zur Abstimmung der wohnbaulichen Entwicklung im Amt Sandesneben-Nusse“ erhoffen sich der Zentralort Sandesneben und seine fünf Nachbardörfer Linau, Schönberg, Wentorf/AS, Schiphorst und Labenz eine stärkere Position in künftigen Verhandlungen mit dem Land, ihre Baugebiete möglichst flexibel untereinander in der „Region“ zu organisieren. „Der damalige Kieler Innenminister Hans-Joachim Grote sprach bei der Einweihung unserer Amtsarena 2018 davon, dass die Gemeinden nicht mehr innerhalb ihrer eigenen Grenzen denken sollten, sondern in Regionen“, begründet Ulrich Hardtke, Amtsvorsteher von Sandesneben-Nusse und SPD-Bürgermeister von Labenz, den Vorstoß der sechs Dörfer. Die Problematik ist vielschichtig. So hat das Amt Sandesneben-Nusse einen der höchsten Altersdurchschnitte in der Bevölkerung im Kreis. Diesbezüglich ist man darauf angewiesen, mehr junge Menschen und Familien anzulocken. Das ist an sich kein Problem angesichts der Nähe zu Hamburg oder Lübeck. In den sechs Gemeinden des Sandesnebener Kooperationsraumes sind aktuell folgende Baugebiete im Bau oder in konkreter Planung: • Labenz: B-Plan 12 mit 16 Grundstücken, B-Plan 13 mit 13 Grundstücken • Sandesneben: B-Plan 21 mit 32 Grundstücken • Schiphorst: B-Plan 12 mit 17 Grundstücken, B-Plan 13 mit 8 Grundstücken • Schönberg: B-Plan 16 mit 4 Gewerbe-Grundstücken • Wentorf/AS: B-Plan 13 mit 16 Grundstücken In Linau gibt es derzeit keine offiziell begonnenen Baugebietsplanungen. Problematischer wird es, diese Menschen mit entsprechendem Wohnraum zu versorgen. Denn gemäß der Landesentwicklungsplanung (LEP) werden nur Mittelzentren wie Sandesneben als „Hauptstadt“ des gleichnamigen Amtes quasi unbegrenzte Wachstumsmöglichkeiten eingeräumt. Anderen Dörfern werden dagegen nur zehn bis 15 Prozent mehr als die bestehenden Wohneinheiten zugestanden. Der LEP 2010 wird derzeit fortgeschrieben, der zweite Entwurf ist noch in Arbeit und dürfte in naher Zukunft vom Landtag verabschiedet werden. Er wurde unter anderem um den Ansatz „Flächensparen nachhaltig gestalten – Flächeninanspruchnahme reduzieren“ ergänzt. Demnach soll bis 2030 die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr im Land auf weniger als 1,3 Hektar pro Tag reduziert werden (zurzeit sind es 3,4 ha täglich). Fest steht, so Amtsvorsteher Ulrich Hardtke, dass sich der Bedarf angesichts der demographischen Entwicklung wandele – auch auf dem flachen Land. Nämlich eher weg vom großen Einfamilienhaus hin zum Geschosswohnungsbau sowie zu kleineren (Miet-)Wohneinheiten. Lesen Sie auch Bauboom im Herzogtum Lauenburg: Kommunen dringen auf mehr Wohnraum Studie warnt vor Immobilienblase im Kreis Herzogtum Lauenburg Geesthacht und Nachbardörfer beschließen interkommunale Kooperation Mit dem neuen Modell, das nach spätestens fünf Jahren bewertet und neu diskutiert werden soll und aus dem jede Gemeinde unabhängig davon jederzeit zu einem Jahresende wieder aussteigen kann, wollen sich die Dörfer noch intensiver untereinander abstimmen. „Mit dieser Vereinbarung wollen wir der Landesplanung, aber auch dem Kreis und den anderen Behörden der Bauleitplanung signalisieren, dass wir als Kooperationspartner auftreten“, so Sandesnebens Bürgermeister Erich Bünger. Entsprechend größer könnte die Bereitschaft dieser Behörden sein, auf die Projekte der Gemeinden einzugehen. Der Kooperationsraum umfasse größere und kleinere Gemeinden. Zusammen böten sie „Raum für die Erfüllung unterschiedlicher Wohnbedarfe und Lebensstile der verschiedenen Altersgruppen der Bevölkerung. Diese Vielfalt zählt zu den qualitativen Ressourcen dieses Raumes und soll aktiv gesichert werden“. Die Ausweisung von Neubaugebieten sei zudem kein Selbstzweck, sondern verursacht hohe Kosten. „Angesichts der begrenzten finanziellen Ressourcen der Gemeinden ( . . . ) ist es zur Vermeidung zusätzlicher Abgabenbelastungen für Bürgerinnen und Bürger unabdingbar, die Erweiterung der öffentlichen Infrastruktur (Straßen und Wege, Wasser- und Abwasserversorgung, Elektrizität, öffentliche Beleuchtung etc.) zu begrenzen bzw. möglichst kostengünstig zu gestalten. In diesem Sinne wird der baulichen Innenentwicklung Priorität eingeräumt“, heißt es in der Kooperationsvereinbarung. Der Zusammenschluss der sechs Dörfer zu einer Region innerhalb des Amtsbezirkes soll im Übrigen nicht der einzige bleiben, so Amtsvorsteher Hardtke. „Vorstellbar sind weitere wie beispielsweise um Nusse herum, das ja ebenfalls zentralörtliche Funktionen ausübt.“ Darauf angesprochen, erklärte Lars Wunsch, Bürgermeister von Nusse, bei solchen Kooperationen gehe es „vor allem um die Entwicklung und Stärkung der Region und damit unter anderem um die Stärkung der vorhandenen Geschäfte, Dienstleistungen, Handwerker und Einrichtungen“. Auch für Nusse könne er sich solche Kooperationsvereinbarungen vorstellen, „insbesondere mit der Gemeinde Ritzerau, zu der uns nur ein Ortsschild trennt“, oder auch mit der Stadt Mölln. Für die Gemeindevertretungen in den sechs erwähnten Dörfern wurde die Kooperationsvereinbarung im Vorfeld ausführlich diskutiert. Probleme, so Schiphorsts Bürgermeister Hans Burmeister, „hat es bei uns überhaupt keine gegeben“. Auch die anderen „Dorfhäuptlinge“ berichten von großer Einmütigkeit. Abzuwarten bleibt nun, ob sich dieser Zusammenschluss tatsächlich positiv auf die Ausweisung von neuen oder mehr Baugebieten auswirkt, als die LEP es den kleinen Dörfern bisher gestattet hat. Von Joachim Strunk