Social Media auf dem Land: Der Dorffunk findet im Amt Sandesneben-Nusse viele Freunde

Ein kalter Wintermorgen, und das Auto springt nicht an. Da kann es auf dem Lande etwas dauern, bis Hilfe eintrifft. Es sei denn, man wohnt in Kühsen. Hier reicht eine Nachricht in die Whatsapp-Gruppe des Dorfes und ein Nachbar macht sich auf den Weg. 91 Teilnehmer zählt Tanja Richter in ihrem Verteiler. „Das Thema Starthilfe kommt da durchaus gelegentlich vor. Die meisten Einträge gehören aber in die Rubriken Verloren/Gefunden/Verschenken sowie Veranstaltungen.“ Das gilt auch für andere Social-Media Initiativen. Wir haben uns etwas umgehört. Seit fünf Jahren gibt es die Gruppe in Kühsen. Ursprünglich wollte Richter als Leiterin des Kulturausschusses die jungen Leute im Dorf über Whatsapp einbinden und das Netz hauptsächlich für Termine und Bekanntmachungen nutzen. „Daraus hat sich ein lebhafter Austausch entwickelt“, sagt die Administratorin. „Inzwischen wächst auch die Zahl der älteren Mitbürger, die über ein Smartphone verfügen.“ Mitmachen kann jeder, und Nachrichten senden auch. „Allerdings muss es einen Bezug zum Dorf haben“, so Richter. Verkaufsanzeigen und kommerzielle Angebote sind nicht gern gesehen, bestätigt auch Nicole Demir, die ein paar Dörfer weiter die Whatapp-Gruppe „Wentorf A.S. informiert“ eingerichtet hat. Für das Bastelstudio im Dorf gilt allerdings eine Ausnahme. Weihnachts-Schnitzeljagd: Die lokale Geschäftswelt hat dagegen bei Jenny Kontosz in Ritzerau einen festen Platz in der Facebook-Gruppe „Dorfleben in und um Nusse/Ritzerau“, die vor zwei Jahren aufgebaut wurde und rund 500 Teilnehmer zählt. Bis in diese Woche lief eine Weihnachts-Schnitzeljagd, bei der die Teilnehmer 24 Buchstaben für ein Lösungswort suchen mussten. „Die Buchstaben haben wir in Schaufenstern oder auch bei Polizei und Feuerwehr versteckt. Die Geschäftsleute haben im Gegenzug Gewinne gestiftet“, fasst Kontosz das Konzept zusammen. Die Administratorin überprüft verdächtige Profile: Anfangs war die Gruppe offen für jedermann, aber das hat sich nicht bewährt. „Wir mussten mehrere Fake-Profile rausschmeißen, immer wieder auch Einträge, die nicht in so ein Netz gehören.“ Jetzt muss sich jeder Teilnehmer mit seinem Wohnort anmelden, und die Administratorin überprüft verdächtige Profile. Grundsätzlich sind alle Nusser und Ritzerauer sowie Nachbarn im weiteren Umfeld als Teilnehmer willkommen. Für die Nutzung der Social-Media-Kanäle haben die Administratoren Verhaltensregeln aufgestellt. Diese fünf Punkte gelten bei allen: Keine Politik Keine Hetze Keine Privatverkäufe wie bei E-bay Keine Werbung für Produkte Keine Spaß-Videos Kontosz informiert ihre Leser über offizielle Ereignisse, stellt die Verfügungen zur Corona-Lage ein und berichtet auch über Feuerwehr-Einsätze und Nachbarschaftsaktionen. „Natürlich ist so eine Seite auch immer ein Meckerpott“, hat die freiberufliche Fotografin erfahren. Das müsse man zu einem gewissen Grad in Kauf nehmen. Positive Geschichten sind ihr aber lieber, etwa wenn über die Seite eine neue Krabbelgruppe zusammenfindet. Dass sich mit den Corona-Einschränkungen das Nutzerverhalten geändert hätte, haben die Administratorinnen nicht feststellen können. „Bei uns ist das Nachrichtenaufkommen eher gesunken, weil die meisten Termine ausgefallen sind“, sagt etwa Tanja Richter. Virtueller Marktplatz in Labenz: Ganz anders in Labenz: „Man hat schon gemerkt, dass die Leute ausgemistet haben“, erklärt sich Sebastian Hardtke von „Labenz rockt“, entsprechende Verschenk-Angebote in seiner Whatsapp-Gruppe. Ursprünglich als privater Infokanal der elf Rocker und ihrer rund 70 „Supporter“ geplant, wurde der spätestens im Corona-Jahr zu einem vielgenutzten Marktplatz. „Da kommen dann schon mal Anfragen wie: Wer kann einen Hantelsatz verleihen, mein Sohn kann nicht mehr ins Fitness-Studio“, fügt Stefan Zaiß hinzu. Auch Schränke wurden schon gerückt oder auch der Tresendienst bei einer Hochzeit organisiert. „Gemeinsam lässt sich alles rocken – das ist das Motto“, sagt Hardtke. Und gilt für alle Aktivitäten dieser Gruppe, die ursprünglich nur etwas Rockmusik aufs Dorf bringen wollte. Inzwischen ist „Labenz rockt“ nicht mehr wegzudenken, organisiert neben Konzerten auch Kinderfeste, Schwimmkurse und viele Hilfeleistungen, die im Dorf gebraucht werden. Von Matthias Schütt