Stalking: Immer mehr Frauen im Herzogtum Lauenburg werden ausspioniert

In 2019 gab es sieben Fälle von Stalking im Herzogtum Lauenburg. In 2020 waren es 14. Das klingt im ersten Moment nicht viel. Für die betroffenen Frauen – und im überwiegenden Großteil der Fälle werden Frauen gestalkt – bedeutet das einen erheblichen Einschnitt in ihre Leben. Stalking bedeutet, dass der Täter tief in die Privatsphäre des Opfers eindringt. Im Kreis steht Stalking nach Körperverletzung und Sexualdelikten an dritter Stelle der Straftaten, nach denen sich die Betroffenen beim Weißen Ring meldeten. „Die Hemmschwelle, sich dann Fremden zu öffnen und darüber zu sprechen, was passiert ist, ist oft sehr groß“, weiß Rainer Kaefert. Das Leben hat sich in der Coronakrise ins Digitale verlagert. Diese Entwicklung beobachtet Kaefert auch bei Stalking-Vorfällen, allerdings schon seit mehreren Jahren-. Häufig kommen die Täter aus dem nächsten Umfeld des Opfers. Gerade im Lockdown, in der Familien noch mehr Zeit als sonst gemeinsam zu Hause verbringen, ist es ein Leichtes, Handys, Tablets und ähnliche Geräte zu manipulieren. Immer öfter würden zum Beispiel eifersüchtige Partner Überwachungs-Apps auf das Handy ihrer Partnerin spielen, um so genau zu wissen, wo sie sich aufhält, mit wem sie telefoniert, mit wem sie Nachrichten schreibt. Stalking immer öfter per digitaler Überwachungs: Diese Entwicklung hat auch Miriam Peters vom Verein „Frauen helfen Frauen“ in Sandesneben beobachtet. „Neulich haben wir eine Frau zum Zahnarzt begleitet – und auf einmal stand ihr Mann vor der Praxistür.“ Dass er sie über eine App geortet hat, hält sie für die wahrscheinlichste Erklärung. Ziel solcher Aktionen ist es zuerst, die Frauen sozial zu isolieren und psychischen Druck auszuüben. „Stalking und sexualisierte Gewalt sind dann nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Sabine Wöhl von der Beratungsstelle „Hilfe für Frauen in Not“ in Schwarzenbek weiß aus ihrer Erfahrung, dass die Zeit nach einer Trennung das größte Risiko birgt, Opfer von Stalking und sexualisierter Gewalt zu werden. Der Partner bittet um ein letztes Treffen, und noch eins, und noch eins. Statt darauf einzugehen, sollte die Frau lieber klare Grenzen setzen, um wirklich einen Schlussstrich unter die Beziehung zu setzen. Beweise in der „No Stalk App“ dokumentieren: Das Problem findet also vor allem im digitalen Raum statt – warum also nicht auch digitale Helfer bereitstellen? Mit der „No Stalk App“ will der Weiße Ring Betroffenen helfen, gegen die Täter vorzugehen. Nach den Zahlen der Hilfsorganisation gibt es jährlich etwa 800 000 Fälle von Stalking – aber nur ein Bruchteil davon, etwa drei Prozent, werden zur Anzeige gebracht. Oft schämen sich die Betroffenen für das, was ihnen passiert ist, fürchten sich vor den Konsequenzen. Wenn sie dann doch den Gang zur Polizei wagen, fehlen häufig die Beweise. Mit der „No Stalk App“ soll es einfacher werden, strafbare Handlungen zu dokumentieren. Über die Anwendungen können Fotos und Videos gemacht, aber auch Gespräche aufgenommen und Anrufprotokolle erstellt werden. Außerdem können Frauen in Not einen Alarmton oder gleich einen Hilferuf über die App absetzen. Das Besondere: Die Aufzeichnungen können nicht bearbeitet werden, sind also unverfälscht. Deshalb haben sie Beweiskraft. Sie werden verschlüsselt direkt an ein Rechenzentrum gesendet. Erst auf einer Polizeiwache können sie mit Einwilligung der Betroffenen geöffnet werden. Und: Auch wenn das Handy gestohlen wird, liegen alle Dateien in einer Cloud und sind dann für die Ermittler einsehbar. Lesen Sie auch Mölln: So lief der erste Tag im Wechselunterricht an der Till-Eulenspiegel-Schule Impfzentrum Süd startet: Hunderte Termine im Geesthacht noch frei Mehr Biontech: Demnächst 3500 Impfungen pro Woche im Herzogtum Lauenburg Kaum freie Plätze in den Frauenhäusern: Sowohl der Weiße Ring als auch „Frauen helfen Frauen“ und „Hilfe für Frauen in Not“ bieten weiterhin eine Beratung an, etwa per Telefon, E-Mail oder einen gesicherten Chat. Sowohl zu Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 als auch mit der Einführung der aktuellen Einschränkungen im Dezember sei die Nachfrage nach Beratungen schlagartig zurückgegangen, sagt Rainer Kaefert. Er befürchtet, dass das die Ruhe vor dem Sturm sein könnte: Wie soll eine Frau unbemerkt bei einer Beratungsstelle anrufen, wenn sie im Prinzip den ganzen Tag lang zu Hause bleiben soll, bei dem Mann, von dem sie loskommen möchte? Auch die Frauenhäuser in der Region sind hoffnungslos überfüllt: „Eine Frau mussten wir neulich mit ihren zwei Kindern nach Würzburg schicken, weil dort der nächste freie Platz war“, sagt Miriam Peters. Von Sophie Schade