Tiertafel Herzogtum Lauenburg auf Tour

Aufgeweckt und neugierig beobachtet „Angel“, wie Inka Birke-Pohl die Tüte mit dem Hundefutter aus dem Kofferraum holt. Erst als sie versucht, ihr ein paar Schritte entgegenzulaufen, wird offensichtlich, dass es der Hündin gesundheitlich schlecht geht. Sie ist frisch operiert, ein Tumor musste am Hinterbein entfernt werden. Aber für einen kurzen Moment ist das vergessen, zu groß ist die Freude über die Futterlieferung. Inka Birke-Pohl und Mirco Pohl aus Langenlehsten haben im vergangenen Sommer mit dem Verein „Tierrettung Nord“ die Tiertafel im Herzogtum Lauenburg gegründet – eine Tafel für finanziell bedürftige Tierhalter. Die Corona-Pandemie war der Auslöser dafür, dass das Paar diese lang gehegte Idee in die Tat umgesetzt hat. Viele Hunde- und Katzenbesitzer standen wegen Kurzarbeit oder Jobverlust plötzlich finanziell schlecht dar – und die Kosten für das Haustier wurden zu einer großen Belastung. Nach der Tumor-OP ist das Geld knapp: So auch im Fall von „Angel“: Ihr Frauchen Astrid Nachtigall ist selbstverständlich voller Hoffnung, dass es ihrer Hündin mit dem weichen, braun-weißen Fell und den Schlappohren nach der OP langfristig wieder besser geht. Aber der Eingriff war teuer, trotz Versicherung. Astrid Nachtigall und ihr Mann Holger sind selbst krank und können nicht arbeiten, das Geld ist also ohnehin knapp. Aber „Angel“ und ihre zweite Hündin „Magic“ sind eine wichtige Stütze in ihrem Leben – sowohl psychisch, als auch für die eigene Gesundheit. Durch die beiden müssen sie raus an die frische Luft und sich bewegen. Mit ihrer fröhlichen, wuseligen Art gehören die Hundedamen ohne Wenn und Aber zur Familie. Der Umgang von Astrid und Holger Nachtigall mit ihren Vierbeinern sprich Bände, was das angeht: Kein böses Wort, wenn eine von ihnen nicht für das Foto stillsitzen oder das neue Futter am liebsten direkt auffressen würde. Stattdessen liebevolles Zureden und zur Sicherheit noch eine Streicheleinheit mehr für die frisch operierte „Angel“. Inka Birke-Pohl und Mirco Pohl opfern einen Großteil ihrer Freizeit dafür, Hunde- und Katzenbesitzern in finanzieller Notlage einen Teil ihrer Sorgen zu nehmen. Das Futter, das sie verteilen, sei derzeit zu 90 Prozent gespendet. Dahinter steht ein enormer logistischer Aufwand, den das Ehepaar auch deshalb auf sich nimmt, um Verschwendung zu vermeiden. Tierheime würden beispielsweise nur geschlossene Futtersäcke nehmen, selbst wenn das Paket gerade erst geöffnet wurde und nur einige hundert Gramm fehlen, weil das Tier, für welches das Futter gedacht war, kurz darauf verstorben ist. Darüber hinaus nimmt die Tiertafel gerne Sachspenden entgegen. Bürsten, Näpfe, Decken, Hundemäntel, Halsbänder, Geschirre, Leinen – die Liste der Dinge, die für die Pflege eines Haustiers nötig sind, könnte endlos weitergehen. Bei Bedarf versorgt die Tiertafel auch Haustiere wie Vögel, Fische, Kleintiere, Pferde. Wer der Tiertafel Futter, Leckerlis, Leinen, Halsbänder oder andere Sachspenden zukommen lassen möchte, erreicht die Organisatoren unter tiertafel@tierrettungnord.de oder über die Facebook-Seite der Tierrettung Nord e.V.. Geldspenden nimmt die Tiertafel unter dieser Kontoverbindung entgegen: Tierrettung Nord e.V., Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg, IBAN: DE43 2305 2750 0081 5197 79. Mit Leckerlis und einem offenen Ohr: Dazu kommen alle drei bis vier Wochen die Touren, auf denen sie bei Bedarf im gesamten Südkreis Tierfutter ausliefern. Dafür sind sie wenigstens vier Stunden lang unterwegs. Inzwischen stehen zwanzig Adressen auf der Liste von Inka Birke-Pohl und Mirco Pohl, wobei nicht von jedem Tierhalter für jede Tour eine Anfrage kommt. Der Kofferraum ist vollgepackt mit Futtersäcken, Dosen und Leckerli-Tüten. Neben ausreichend Futterspenden im Gepäck: Ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte ihrer Kunden. Mit an Bord sind auch die drei Hunde der Eheleute: die beiden Pudel „Merlin“ und „Lila“ mit Schäferhund „Rex“. Familie Pohl betreibt hauptberuflich ein Spezialhundezentrum, in dem „Merlin“ zum Beispiel als Therapiehund eingesetzt ist. Neugierig schaut das Trio bei jedem Stopp aus dem Kofferraum, hält Ausschau nach anderen Hunden. Doch nicht immer gibt es etwas zu gucken, denn nicht alle Haustierbesitzer nehmen die Spenden persönlich entgegen. Anhänger und Lagerhäuschen auf dem Wunschzettel: So auch auf dieser Tour: Bei einigen Adressen auf der Liste für ihre Tour öffnet niemand Inka Birke-Pohl die Tür, als sie klingelt. Sie kennt das schon. Vielleicht ist der Hundebesitzer gerade mit dem Vierbeiner für einen Spaziergänger rausgegangen, vielleicht ist es die Angst vor einer Corona-Infektion – oder schlicht und ergreifend Scheu. Also: Tüte abgestellt und zurück in den Transporter. Über finanzielle Probleme rede eben niemand gern, erklärt Inka Birke-Pohl. Ob die Menschen, die sich an die Tiertafel wenden, bedürftig sind oder nicht, darüber entscheidet sie mit ihrem Bauchgefühl. Einen Nachweis darüber, dass jemand Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld bekommt, dürfte sie auch gar nicht abfragen. Lesen Sie auch Kählstorfer protestieren gegen Biogas und Hähnchenmast Fredeburger Wisente rücken im Winter enger zusammen Schreibwettbewerb der Stiftung Herzogtum Lauenburg „Wanted: Junge Autoren“ Mittelfristig braucht sie ein Gartenhäuschen oder etwas ähnliches, in dem das Futter gelagert werden kann. Zu den nächsten Anschaffungen gehört außerdem ein Anhänger. Der Transporter, mit dem sie die Spenden im Moment noch zu den Tierhaltern bringen, wird auf Dauer auch zu klein, befürchtet Inka Birke-Pohl. Und natürlich: Futterspenden, ob Leckerlis, Nass- oder Trockenfutter, für Hund oder Katze. Von Sophie Schade