Wiese hinter Famila: Kontroverse in Mölln um ein Gewerbegebiet im Biotop

Neue Gewerbegebiete haben stets Anziehungskraft auf Unternehmer aus der Region. Da Mölln laut Verwaltung für Gewerbetreibende kaum noch Flächen anbieten kann, wird die Ankündigung eines privaten Investors, nördlich des Delvenauweges zwischen Famila und Aldi ein neues Gewerbegebiet zu erschließen, seit Monaten eifrig in der Politik diskutiert. Denn Neuansiedlungen machen Kommunen Hoffnung auf mehr Gewerbesteuereinnahmen. Im Kreis Herzogtum Lauenburg spülten Unternehmen im aktuell vom Statistischem Bundesamt erfassten Jahr 2018 rund 70,67 Millionen Euro in die Kassen der Kommunen. Politiker möchten das Grundstück vom Investor zurück: Doch die Hälfte der Möllner Politik sieht den bereits erfolgten Verkauf skeptisch. Denn die etwa 24000 Quadratmeter große Wiese gilt bei Umweltverbänden sowie Politikern von SPD, Grünen und Linken als Biotop und Lebensraum für Tiere. Außerdem habe die Wiese zwischen den großen Supermärkten und Firmen entlang der Bahnlinie einen wichtigen Einfluss auf ein gutes Klima in angrenzenden Siedlungen. Sie fordern, dass sich die Stadt, wie es ihr zusteht, das Vorkaufsrecht sichert, um die Fläche im Sinne des Klimaschutzes kontrolliert zu entwickeln. Die Stadt habe schließlich den Klimanotstand ausgerufen. Einen Beschlussvorschlag des Bürgermeisters, das Vorkaufsrecht abzutreten, ist in der Stadtvertretersitzung jedoch abgelehnt worden. Es gab ein Patt – genauso viele Politiker waren dafür wie dagegen. Lesen Sie auch Corona: Kreis schließt wohl Johanniter-Krankenhaus Geesthacht Kiel prüft Aufhebung des Badeverbots im Möllner Luisenbad „Der Boden ist für die Menschen das Kostbarste, was es gibt“, sagt Matthias Esche, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins und gewählter Stadtvertreter. Seine Partei setzt sich dafür ein, dass die Stadt sich das Grundstück sichert. Der Nabu und die untere Naturschutzbehörde wiesen der Wiese eine hohe klimatische Bedeutung zu, argumentiert er. Kühle Winde könnten in den Sommermonaten durch das brachliegende Grundstück ins Wohngebiet ziehen. Außerdem habe sich auf dem Flurstück am Elbe-Lübeck-Kanal eine seltene Flora und Fauna entwickelt. Doch das Gelände ist bereits an den privaten Investor für etwa 400 000 Euro verkauft worden. Das Areal gehört einer größeren Erbengemeinschaft, die verstreut ist und bis ins Ausland reicht. Ein Notar hat der Stadt eine Verzichtserklärung auf das geltende Vorkaufrecht vorgelegt und Bürgermeister Jan Wiegels hat empfohlen, dem Verzicht zuzustimmen. Doch die Stadtvertretung lehnte ab. „Wir raten davon ab, dieses Grundstück zu erwerben“, erklärt Wiegels auf Nachfrage. Es gebe ausreichend Möglichkeiten, im Rahmen eines Bauleitverfahrens auf die Gestaltung Einfluss zu nehmen, erklärte er. Die Stadt empfahl, weniger zu bieten, als der Investor zahlte: Außerdem hatte die Stadt einen niedrigeren Verkehrswert für das angebotene Grundstück berechnet, als der private Investor nun gezahlt hat – 400 000 Euro inklusive Notarkosten. „Die Kommunalaufsicht wird uns dafür keine Kreditaufnahme genehmigen“, sagt Wiegels. Alle, die einen städtischen Erwerb forderten, müssten einen Deckungsvorschlag machen. Im Klartext heißt das: Andere Investitionen müssten gestrichen werden. Matthias Esche ist diesbezüglich optimistisch. Zum eine müsse die Renditeerwartung der Stadt nicht so hoch sein, wie die eines privaten Investors. Es würden in den kommenden Jahren auch hohe Millionenbeträge in Schulen gesteckt oder aktuell seien die Personalkosten der Stadt Mölln pro Jahr auf 900 000 Euro angewachsen. 400 000 Euro seien im Vergleich dazu nicht viel. Im Übrigen hat er bereits einige Vorschläge, welche Investitionen zugunsten des Kaufes vorübergehend verschoben werden könnten. Die Zahl der Grundstücke in städtische Hand sei begrenzt. Esche: „Es ist eine Frage der Daseinsvorsorge. Investoren kommen und gehen. Aber der Boden bleibt.“ CDU: Ein Recht auf Planung kann nicht begründet werden: „Ich würde das Vorkaufsrecht nicht ausüben“, sagt Horst Kühl, Fraktionsvorsitzender der CDU auf Anfrage. Er verweist auf das Baurecht. Ein Recht auf Planung könne nicht begründet werden, heißt es im Baugesetzbuch. Demnach haben die Stadt und die Politik in jedem Fall die Möglichkeit, auf einem Grundstück ein Bauvorhaben zu genehmigen oder eben nicht. Oder noch einfacher ausgedrückt: „Die Stadt hat die Chance, zu machen, was sie will. Egal wem das Grundstück gehört“, so Kühl. CDU, FDP und FMW hielten an ihrer Meinung fest, sagt er. Von Florian Grombein