Wirte im Kreis Herzogtum Lauenburg: „Die Stimmung ist im Keller“

„Ich bin in Schockstarre. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass es keinen Lockdown wie den im Frühjahr geben wird“, sagt Helge Walter, Inhaber des Restaurants „Amadeus“ in Mölln. Kirchen und Geschäfte dürften öffnen, während die Gastronomie kastriert werde. Seine Branche habe auch vor Corona die größten Hygienestandards gehabt und außerdem hätten Gastronomen seit Corona die größten Anstrengungen unternommen, um Konzepte zu erstellen. In den Umbau der Lokale sei viel Geld geflossen. „Die Gastronomie ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, sagt Walter. Die Feiern würden nun nicht mehr in der Gastronomie und unter Einhaltung von strengen Hygienestandards stattfinden. Mit der Schließung der Lokale werde vielmehr das Feiern im Privaten mit erfahrungsgemäß geringen Abständen und ohne Masken forciert, glaubt der Chef des „Amadeus“. Kein Lieferserveice, weil Nutzen zu gering ist: Gegenüber den LN äußerten Wirte, die anonym bleiben wollen, dass sie während des Lockdowns im November vom Außer-Haus-Verkauf absehen werden. Denn die Erfahrung aus dem ersten Lockdown zeige, dass sich dieses Geschäft im Hinblick auf in Aussicht stehende Nothilfen für Gastronomen nicht lohne. Wer einen gewissen Umsatz mache, habe unterm Strich weniger Anspruch auf Staatshilfen. So sei es für diverse lauenburgische Restaurants bereits klar, dass man komplett schließen werde. Damit werden die Kunden noch mehr als vorher auf den in Coronazeiten lieb gewonnenen Lieferservice verzichten müssen. Das passt auch zur Aussage von Restaurantchef Ali Yazgan der Waldhalle in Mölln. „Die Stimmung ist im Keller“, beschreibt er die Gefühlslage der 18 Mitarbeiter. „Wir schließen komplett. Ein Außer-Haus-Service lohnt sich für uns nicht, dazu sind wir zu abgelegen.“ Durch den ersten Lockdown ist das Restaurant gut gekommen, weil „wir wirtschaftlich solide aufgestellt sind“, wie Yazgan betont. Für die jetzt verfügte Schließung ist er gleich doppelt skeptisch: Zum einen glaubt er nicht, dass es mit vier Wochen getan ist, sondern fürchtet auch den Verlust des Weihnachtsgeschäfts. Zum anderen hat er keine guten Erfahrungen mit den Hilfsangeboten der Bundesregierung. „Wenn es tatsächlich so kommt, wie es jetzt angekündigt wird – Unterstützung bis zu 75 Prozent des Umsatzes vom November des Vorjahres –, dann würde uns das schon helfen. Ich fürchte aber, da kommen noch bürokratische Fallstricke, Einschränkungen und Abzüge, und am Ende bleibt nicht viel übrig“. Auch Verständnis und Hoffnung auf bessere Zeiten: Wesentlich optimistischer ist Konstantinos Marcos, Besitzer des griechischen Restaurants „Bei Costa“ am Möllner Markt. „Ich bin mit den Maßnahmen einverstanden. Auch wenn mir einige Kollegen leid tun“, sagt er. Der erste Lockdown habe auch ihn schockiert. Sehr geholfen hat ihm damals die Nothilfe der Bundesregierung. Und auch das oft zitierte Motto „Mölln hält zusammen“ und die vielen Stammgäste hätten ihn wirtschaftlich aufgefangen, als er die Speisen nur außer Haus anbieten konnte. Als er im Sommer wieder öffnen durfte und auch noch das Wetter mitspielte, sei sein Restaurant mit einem großen Außenrevier voll gewesen. In dieser Zeit konnte er Luft holen, sagt er. Nun der zweite Lockdown. „Ich hoffe auf bessere Zeiten. Aber solange wir keinen Impfstoff haben müssen wir mit diesen Regeln leben“, sagt er. Ansturm am Wochenende: Gäste nutzen die letzte Chance: „Wir haben noch alle Hände voll zu tun“, sagt Manmohan Singh, Inhaber des Restaurants Lavastein in Ratzeburg. „Ich habe Gäste, die heute hier essen und für Sonntag reservieren, um dann noch mal auszugehen.“ Insgesamt versucht er, sich seine gute Laune zu erhalten. Die als Bundeshilfe in Aussicht gestellten 75 Prozent des Novemberumsatzes vom Vorjahr hält er für eine faire Lösung: „Da hatten wir auch gut zu tun.“ Die insgesamt 16 Mitarbeiter müssen in Kurzarbeit gehen, ein Außer-Haus-Service lohnt sich für ihn nicht: „Für die sehr schwankende Nachfrage müsste ich zu viel Personal vorhalten.“ Stattdessen nutzt er die Pause für Renovierungsarbeiten. Landgasthof hofft auf Außer-Haus-Verkauf: „Wir werden wieder auf Außer-Haus-Verkauf umstellen“, sagt Petra Grimm, die gemeinsam mit Ehemann Rainer das Restaurant am Teich in Klempau betreibt. „Das hat im ersten Lockdown voll eingeschlagen. Uns hat vor allem geholfen, dass vom Amt Berkenthin ein Flyer an alle 5000 Haushalte verteilt worden war, der für dieses Angebot geworben hat.“ Die komplette Menükarte werden Grimms nicht vorhalten, aber die Auswahl wird reichlich sein, verspricht die Wirtin. Ob die Schließung der Restaurants wirklich gerechtfertigt ist, will sie nicht beurteilen. „Unser Hygienekonzept hat funktioniert, angesteckt hat sich hier jedenfalls keiner. Andererseits, wenn nur so die Ausbreitung des Virus gestoppt werden kann, dann kann ich die Entscheidung verstehen.“ Fischer Jobmann befürchtet Gastronomiesterben: Fischer Rüdiger Jobmann aus Ratzeburg sagt ganz klar: „Gesundheit geht vor!“. Es sei natürlich sehr schade, wenn der Restaurantbetrieb gerade in der Vorweihnachtszeit nicht öffnen kann, aber aufgrund der aktuellen Entwicklung „war das zu befürchten“, sagt Jobmann. Er könne die Maßnahmen verstehen und sie kämen auch zum richtigen Zeitpunkt, „um noch an der Schraube drehen zu können“. Allerdings denkt der Fischer, dass viele Betriebe die Schließung im November wirtschaftlich nicht überstehen. „Unser Fischgeschäft bleibt geöffnet und wir liefern auch wie im Frühjahr Platten ins Haus. Das muss reichen, um wenigstens die laufenden Betriebskosten zu decken“, hofft Rüdiger Jobmann. Hoffnung auf Bestellungen aus dem Home-Office: Auch das Rührwerk in der Nähe des Ratzeburger Marktplatzes ist wieder betroffen. „Man kann es schon verstehen“, sagt Michael Werner, „auch wenn wir alle Maßnahmen und Regelungen immer eingehalten haben“. Die Weihnachtsfeiern waren ein Hoffnungsschimmer in diesem Jahr, aber mit der Regelung, dass sich maximal zehn Personen treffen dürfen, hätten diese auch keinen Sinn gemacht. „Wir werden das Beste daraus machen und setzen ab Dienstag wieder auf den Außer-Haus-Verkauf“, sagt Werner. Er setzt darauf, dass es jetzt mehr Bestellungen und Abholungen gibt, als während des Shutdowns, da „sich ja nicht wieder alle im Home-Office befinden“. Lesen Sie auch Lockdown bringt Kneipen in Existenznot Martin Turowski (FDP) zum Gastronomie-Lockdown: „Bürger werden entmündigt“ Von Florian Grombein, Thomas Biller und Matthias Schütt