Witzeezes Flucht nach vorn, um Windkraft zu verhindern

Die Bürger von Witzeeze nehmen den Kampf gegen die Windräder auf. Eigentlich haben die Gemeinden nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig schlechte Karten, den Bau von Windkraftanlagen in ihrem Gebiet zu verhindern. Dennoch überlegen sich jetzt viele eine Strategie. So auch Witzeeze. Dort stand bereits einen Tag nach Bekanntgabe des Windkraft-Urteils der erste Investor auf der Matte. Die Gemeindevertretung stimmte vorgestern für Maßnahmen, die Bauvorhaben in den nächsten zwei Jahre verhindern sollen. Der Saal im Regionalen Kulturzentrum war bei der Gemeindeversammlung in Witzeeze ungewöhnlich voll. Unter den Gästen waren neben entrüsteten Bürgern auch Kommunalpolitiker aus anderen Gemeinden, wie der Bürgermeister von Schulendorf. Zum Thema Windkraft gab es sogar eine eigene Einwohnerfragestunde. Witzeezes Bürgermeister Dennis Gabriel fand deutliche Worte: „Wenn wir jetzt nichts tun, sind wir raus aus dem Verfahren. Dann entscheidet einzig und allein das Ministerium nach dessen Kriterien. Unsere Meinung interessiert dann nicht, und plötzlich stehen die Dinger da.“ Für Witzeeze bestehe die Gefahr, zwei Windparks zu bekommen. Der Investor interessiert sich für das Gebiet an der Ecke Franzhagener Straße/Büchener Straße. Bislang galt die Photovoltaik als größte Wachstumssparte der Erneuerbaren Energien im Kreis. Bis 2023 könnte sich nach einer Potentialuntersuchung des Landes die installierte Leistung im Kreis auf 331 Megawatt mehr als versechsfachen. Damit würde die Energiegewinnung aus Sonne die aus Wind deutlich überholen. Doch das könnte sich nach dem Windkraft-Urteil des OVG ändern. Denn die Windenergieeignungsflächen, die im Zuge der Aufstellung der Teilfortschreibung der Regionalpläne nicht berücksichtigt wurden, sind jetzt wieder im Spiel. Und möglicherweise noch mehr. Investoren können praktisch überall versuchen, sich Windparks genehmigen zu lassen, solange eine Gemeinde den Bau von Windkraftanlagen über Flächennutzungspläne nicht ausdrücklich untersagt. Und genau das möchte Witzeeze jetzt tun. Dabei geht es vor allem darum, erst mal Zeit zu gewinnen, um überhaupt Einfluss nehmen zu können. Denn noch ist in Sachen Windkraft nicht das letzte Wort gesprochen. Zwar darf gegen das Urteil eigentlich keine Revision eingelegt werden. Doch gegen die Nichtzulassung der Revision kann eine Beschwerde eingehen. Mitte Februar sollen die Gemeinden in einer schriftlichen Handreichung detaillierte Informationen bekommen. Deshalb plädierte die stellvertretende Bürgermeisterin Barbara Denker zunächst dafür, abzuwarten. Im Laufe der Diskussion wurde sie jedoch von der Dringlichkeit überzeugt. Bürgermeister Gabriel argumentierte: „Die wollen bauen. Ich gehe davon aus, dass einen Tag nach Rechtskraft des Urteils der Bauantrag gestellt wird.“ So tritt Witzeeze jetzt die Flucht nach vorne an: Durch die Aufstellung eines Teilflächennutzungsplanes will die Gemeinde Windkraftanlagen ganz verhindern oder nur auf einer bestimmten Fläche zulassen. Außerdem wurde eine Veränderungssperre während der Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet an der Gemeindegrenze zu Wangelau beschlossen. Das bedeutet: Während der Aufstellung der Bauleitpläne dürfen dort keine Windkraftanlagen gebaut werden. So gewinnt die Gemeinde zwei Jahre Zeit, um sich gute Begründungen gegen die Windanlagen auszudenken. Zum Beispiel müssen Gutachten für die Umweltverträglichkeit vorgelegt werden. Doch Ingenieur Stefan Gosch stellte klar, dass das nicht leicht werden wird. „Es reicht nicht zu sagen, wir wollen hier keinen 30 Meter hohen Turm.“ Das öffentliche Interesse stehe hier über den Wünschen der Bürger. Die Gemeinde hat durch die Beschlüsse Zeit gewonnen. Doch wenn ihre Argumente am Ende nicht gut genug sind, werden sie ihren Kampf gegen die Windräder auf lange Sicht verlieren. „Die Wind- räder können wir nicht ver- hindern, aber den Prozess verzögern.“ Siegfried Casper, Witzeeze „Das Aller- schlimmste ist diese nächtliche Dauerbe- leuchtung.“ Jörg-Thomas Schildt, Schulendorf In Breitenfelde ist die Stimmung ins Gegenteil gekippt In Breitenfelde hat das Schleswiger Urteil so etwas wie Windkraft-Euphorie ausgelöst. Bürgermeisterin Anne Fröhlich sagte, ursprünglich sei die Gemeinde gegen Windparks auf ihrem Gebiet gewesen. Daher habe man sich auch gegen entsprechende Eignungsflächen ausgesprochen. Die Stimmung kippte, als sich nach und nach herausstellte, dass obwohl man keine Anlagen auf dem eigenen Gebiet habe, die Windparks in den Nachbargemeinden Bälau, Panten und Woltersdorf praktisch von überall aus der Gemeinde Breitenfelde zu sehen seien. Bei Rechtskraft des OVG-Urteils „dürfte nach jetzigem Stand auch gebaut werden“, sagt Fröhlich. Vereinbarungen zwischen einem Investor und den Grundbesitzern gebe es. Eine kleine Fläche für drei Anlagen in unmittelbarer Nähe des Woltersdorfer Windparks stehe schon jetzt zur Verfügung.hm „Mir rei- chen die Din- ger in Wange- lau. Das Dorf hat genug durchgemacht.“ Silvia Rosentreter, Witzeeze Alessandra Röder und Holger Marohn

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